Bensheim. Im Rahmen der Partnerschaft für Demokratie in Bensheim hat die Initiative „Vielfalt. Jetzt!“ am Dienstagabend den Filmemacher und ehemaligen Journalisten Walter Brähler eingeladen. Im Café Klostergarten stellte er seinen neuen Dokumentarfilm „Der 7. Oktober – Die Stadt und das Leben – Jüdisch in Frankfurt“ vor. Rund 25 Besucherinnen und Besucher waren gekommen, um den 90-minütigen Film zu sehen und anschließend mit dem Regisseur ins Gespräch zu kommen.
Zu Beginn begrüßte Manfred Forell, Sprecher der Initiative „Vielfalt. Jetzt!“, das Publikum und erinnerte an den Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sowie den daraus folgenden Gaza-Krieg. „Diese Ereignisse haben nicht nur in Israel, sondern auch hier bei uns Folgen“, sagte er. „Antisemitismus und Rassismus sind seither spürbar gestiegen. Das Leben von Jüdinnen und Juden in Deutschland hat sich grundlegend verändert.“ Mit diesen Worten leitete Forell zu Walter Brähler über, dessen Film genau diesen Veränderungen nachspürt.
Walter Brähler, Drehbuchautor, Regisseur und langjähriger Journalist, arbeitete über drei Jahrzehnte für ARTE, den SWR und die Deutsche Welle. Als ARD-Auslandskorrespondent war er in Mexiko, Südamerika und Ägypten tätig, bevor er in den Ruhestand ging. Ganz losgelassen hat ihn der Journalismus jedoch nie – heute nutzt er den Film als Medium, um gesellschaftliche Entwicklungen zu beleuchten.
Seine Motivation für das Projekt beschreibt Brähler so: „Ich bin ein typisches Kind der Nachkriegsgeneration. In der Schule haben wir viel über die Shoah gehört, aber ich habe sie nie erlebt. Ich kannte eigentlich keine jüdischen Menschen – bis zum 7. Oktober. Da war für mich klar: jetzt oder nie.“ Der Anschlag der Hamas sei für ihn ein Wendepunkt gewesen, sich dem Thema zuzuwenden. „Durch den Film habe ich viele jüdische Menschen kennengelernt und Berührungsängste verloren – das war das Schönste für mich.“
Der Dokumentarfilm zeigt, wie der Hamas-Angriff und der darauf folgende Krieg das Leben jüdischer Menschen in Deutschland verändert haben. Im Mittelpunkt stehen junge Erwachsene und Familien aus Frankfurt, die von ihren Erfahrungen erzählen – von Verunsicherung, Angst und Anfeindungen, aber auch von Zusammenhalt, Identität und Engagement für ein lebendiges jüdisches Leben in Deutschland.
Brähler gibt seinen Protagonisten Raum, ihre Gefühle und Gedanken zu teilen. Der Film thematisiert nicht nur die gesellschaftlichen Reaktionen auf den 7. Oktober, sondern auch das Bedürfnis nach Sicherheit, Sichtbarkeit und Dialog. „Was bedeutet es, heute als Jüdin oder Jude in Deutschland zu leben?“ – diese Frage zieht sich als roter Faden durch den Film.
Nach der Vorführung herrschte zunächst spürbare Stille im Café Klostergarten. Dann übernahm erneut Manfred Forell das Wort. „Das Schicksal dieser Menschen ist schwer zu ertragen“, sagte er sichtlich bewegt. Anschließend fragte er den Regisseur, wie die bisherigen Reaktionen auf den Film ausgefallen seien. „Oft ist es am Anfang still“, antwortete Brähler. „Und dann kommt meist die Frage, ob es schwer war, Protagonisten zu finden.“ Seine Antwort darauf ist eindeutig: „Ja, es war schwer. Viele wollten sich nicht outen, viele hatten Angst.“ Besonders nach dem 7. Oktober hätten ihm viele jüdische Menschen berichtet, dass sie in den Tagen danach etwas Entscheidendes vermisst hätten: Empathie.
Brähler erzählte auch, wie unterschiedlich die Menschen waren, die er vor die Kamera holte. Zoe Rosenfeld, eine seiner Protagonistinnen, sei eher schüchtern und zurückhaltend gewesen, während Aaron Edelmann sehr offen und offensiv aufgetreten sei. „Das hat den Film lebendig gemacht – diese Vielfalt der Stimmen und Perspektiven.“
Im Verlauf des Abends entwickelte sich eine intensive und teils emotionale Diskussion. Mehrere Besucher meldeten sich zu Wort. Eine Frau sagte, sie habe den Eindruck, dass die Menschen im Film stark traumatisiert seien: „Diese Menschen brauchen Schutz und Unterstützung – und Deutschland hat hier eine große Verantwortung.“ Ein anderer Besucher formulierte es allgemeiner: „Mich beschäftigt die Grundsatzfrage: Warum bekommt Hass immer so viel Macht?“ Eine weitere Teilnehmerin äußerte den Eindruck, dass in der öffentlichen Debatte oft pro-palästinensische Positionen überwiegen. „Man hört ständig die Stimmen, die Israel kritisieren, aber kaum welche, die Solidarität zeigen.“
Darauf reagierte Brähler mit einer klaren Einschätzung: „Die Hamas hat die Stärke, sich immer wieder als Opfer zu inszenieren. Solange nur Schuld im Vordergrund steht, ist kein Gespräch auf Augenhöhe möglich.“ Politisch, so Brähler, habe die Hamas auf perfide Weise gewonnen – „und das ist eine Katastrophe“. Im weiteren Verlauf kam auch das Thema Waffenstillstand zur Sprache. Brähler bezeichnete den „von Donald Trump initiierten Waffenstillstand“ als „sehr brüchig“. Darauf meldete sich eine Frau aus dem Publikum: „Ja, aber die Geiseln sind immerhin freigekommen – das muss man ja auch sagen.“
Die Wortmeldungen machten deutlich, wie emotional aufgeladen das Thema ist. Abschließend sagte eine jüdische Besucherin, sie wisse oft nicht mehr, „wer mein Freund ist und wer mein Feind“. Es sei wichtig, dass jüdische Menschen sich in Deutschland wieder sicher fühlen könnten. Die Veranstaltung im Café Klostergarten schloss mit anhaltendem Applaus und einem stillen, nachdenklichen Ausklang.
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