Bensheim. Ein steinernes Stück Heimat- und Firmengeschichte hat nach mehr als zwölf Jahren eine neue Heimat gefunden. Das Gefallenendenkmal der Papierfabrik Euler, befindet sich nun an einem „würdigen Platz“ (Bürgermeisterin Christine Klein) auf dem Friedhof Mitte, nur wenige hundert Meter von seinem ursprünglichen Standort entfernt.
Das dreiteilige Ensemble hing bis zum Abriss der Werksgebäude im Eingangsbereich der Bensheimer Traditionsfabrik. Am 14. Dezember 2010 wurden sie vom Bauhof abmontiert und danach in der Ahlheim-Halle in Schwanheim und später im Multifunktionsgebäude der Stadt in der Rheinstraße zwischengelagert.
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Die Initiative hatte damals Michael Horschler ergriffen, der in der Nachbarschaft des früheren Firmengeländes und heutigen Wohngebiets lebt. Er hakte beim damaligen Bauleiter so lange nach, bis er die Erlaubnis erhielt, die Tafeln entfernen zu lassen. „Es ist ein Kulturdenkmal. Dort stehen auch Verwandte von mir drauf. Das kann nicht zu Bauschutt werden“, begründete er bei der Einweihung seine Intention, sich zu engagieren.
Nachdem die Platten gesichert waren, blieb Horschler in Kontakt mit dem ehemaligen Museums- und Archivleiter Manfred Berg, um die weitere Vorgehensweise zu besprechen. Im Jahr 2020 wurde auf seine Anregung hin die Platzierung auf dem Friedhof in die Wege geleitet. Auch wenn es noch mehr als zwei Jahre dauern sollte, bis es an die Umsetzung ging, zeigten sich alle Beteiligten hocherfreut, das Vorhaben zum Abschluss gebracht zu haben.
Trotz knapper Kassen am Projekt festgehalten
„Was lange währt“, meinte Norbert Hebenstreit, der mehr als 40 Jahre bei Euler gearbeitet hatte und vor der Schließung 2007 als Betriebsrat für die Mitarbeiter und die Zukunft des Unternehmens gekämpft hatte. Sein Dank galt der Stadt, die trotz knapper Kassen und Überlegungen, wo eingespart werden könnte, am Projekt festgehalten habe. 15 Jahre nach dem Ende von Euler „wird so das Erbe weiter hochgehalten“.
Finanziert wurde das Anbringen des Denkmals aus dem Budget der Denkmalpflege, das in den Verantwortungsbereich von Archivleiterin Claudia Sosniak fällt. Ihren Anhaben zufolge seien 3435 Euro investiert worden - hauptsächlich für die Schlosserarbeiten.
Ein feuerverzinktes Gestell dient als Befestigung für die Tafel. Eine direkte Anbringung an der Stützmauer konnte wegen der Beschaffenheit der alten Bruchmauer und der Halteöffnungen der Tafel nicht sicher gewährleistet werden, so Eigenbetriebsleiter Thomas Herborn. Deshalb habe man am Standort südlich des Treppenaufgangs des Ehrenfriedhofs mit den Gräbern der Gefallenen des Ersten Weltkriegs eine neue Lösung finden müssen.
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Werksangehörige aus dem Ersten Weltkrieg
Das Ehrenmal zeigt auf der mittleren der drei Tafel die Namen der gefallenen Werksangehörigen aus dem Ersten Weltkrieg, auf den beiden seitlichen finden sich die Namen der Euler-Mitarbeiter aus dem Zweiten Weltkrieg. 67 hauptsächlich junge Männer sind vermerkt, 31 davon kehrten nicht aus dem Ersten, 36 nicht aus dem Zweiten Weltkrieg zurück, hinzu kommen zehn vermisste Personen, die vermutlich zwischen 1939 und 1945 gefallen sind.
Die Angestellten kamen nicht nur aus Bensheim, sondern auch aus den umliegenden Gemeinden, erklärte Claudia Sosniak. Nicht ermittelt werden konnte jedoch, bei welchem Steinmetz die Arbeit in Auftrag gegeben wurde und wann man sie am Werksgebäude anbrachte. Die Recherchen zur Historie liefen trotz intensiver Quellenprüfungen ins Leere. „So was ärgert mich immer“, bemerkte die Archiv-Chefin.
Hauptsächlich junge Männer sind an der Front gefallen
Voraussichtlich im Sommer erhalten die Tafeln den letzten Feinschliff. Die Goldschrift muss restauriert werden, dafür braucht es neben einem Fachmann aber möglichst wärmere Temperaturen.
Bürgermeisterin Christine Klein dankte Michael Horschler und Norbert Hebenstreit für ihren Einsatz. „Es wäre ein Frevel gewesen, wenn die Tafeln in einer Halle geblieben wären.“ Sie erinnerte an die Schrecken eines jeden Krieges, der mit dem russischen Überfall auf die Ukraine eine schlimme Aktualität habe.
Die Namen und Geburtsdaten zeigten, dass hauptsächlich junge Männer ihr Leben an der Front ließen. Sie hätten am Anfang oder mitten im Leben gestanden. Man dürfe im Gedenken an alle Opfer von Kriegen niemals nachlassen.
"Euler" - eine Institution in Bensheim
Norbert Hebenstreit kündigte an, auch den Betriebsrat der Koehler Group, die 1998 die Mehrheit an der Bensheimer Fabrik erwarb, über die Präsentation der Namen im öffentlichen Raum zu informieren.
Der „Euler“ war eine Institution in Bensheim, aufgebaut gegen Ende des 19. Jahrhunderts von Wilhelm Euler. 1871 übernahm der damals 24 Jahre alte Kommerzienrat die Papierfabrik. Er beschäftigte zunächst 20 Mitarbeiter. Zwölf Jahre später waren es schon 50, um 1900 dann 100 Mitarbeiter.
In den 50er bis 70er Jahren des 20. Jahrhunderts fanden dort teilweise über 300 Menschen Arbeit. Doch die Krise der Branche machte nicht vor den Mauern der Fabrik Halt. Bereits 1922 hatte sich die damalige Papierfabrik August Koehler aus Oberkirch im Schwarzwald am Bensheimer Betrieb beteiligt.
Charakteristischer Schriftzug an der Friedhofstraße
Die Koehler Paper Group hielt schließlich rund 94 Prozent der Firmenanteile im Besitz. Personal wurde abgebaut, gegen Ende arbeiteten noch 115 Mitarbeiter im Werk, als 2007 das Aus kam. Im Jahr 2010 begannen die Abbrucharbeiten auf dem Gelände. Der charakteristische Schornstein, die Bürogebäude und Hallen verschwanden langsam nach und nach aus dem Stadtbild. Zurück blieb die Ziegelsteinmauer mit dem charakteristischen Schriftzug an der Friedhofstraße, die in die Wohnbebauung integriert wurde.
Der Immobilienentwickler BPD kaufte 2014 das 4,1 Hektar große Areal von der Koehler Paper Group und begann mit der Entwicklung. Heute befinden sich auf dem weitläufigen Gelände 37 Einfamilienhäuser und 200 Wohnungen.
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