Ortsbeirat Mitte - Vorerst keine Tempo-30-Regelung für die Friedhofstraße / Erhebung steht wegen des Corona-Effekts auf wackligen Füßen

Verkehrsgutachten zum Euler-Gelände in Bensheim umstritten

Von 
Thomas Tritsch
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Der Ortsbeirat Mitte beschäftigte sich erneut mit der Verkehrssituation auf der Friedhofstraße in Höhe des Euler-Geländes. © Neu

Bensheim. Die Analyse der Verkehrssituation im Bereich des ehemaligen Euler-Geländes steht wegen der Pandemie auf enorm wackligen Beinen. Eine Untersuchung im Mai dieses Jahres hat ergeben, dass die gemessenen Zahlen teilweise unter denen des Vergleichsjahres 2010 rangieren. Allein aufgrund des Bevölkerungswachstums und dem Mehr an Wohneinheiten erscheint das Ergebnis zweifelhaft. Auch die Stadtverwaltung kommt letztlich zu diesem Schluss.

Der Vorschlag aus dem Rathaus lautet daher: Auf ein verkehrliches Optimierungskonzept für das Areal und die umgebenden Straßenzüge wird aufgrund der verwässerten Datengrundlage durch den Corona-Effekt vorerst verzichtet. Wie die Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung beim Ortsbeirat Bensheim-Mitte mitteilte, soll das Quartier nach Fertigstellung der Bebauung im Rahmen des noch ausstehenden „Mobilitätskonzepts“ erneut untersucht werden.

Voraussetzung nicht erfüllt

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Das Konzept soll bis spätestens Anfang nächsten Jahres auf den Weg gebracht werden. Grundsätzlich soll die Lage auch mit „Hessen Mobil“ noch einmal besprochen werden, so Rauber-Jung im Kolpinghaus.

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Ein weiteres Ergebnis der Evaluation ist, dass es in absehbarer Zeit keine Tempo-30-Regelung für diesen Bereich geben wird. Die Voraussetzungen für eine streckenbezogene Temporeduzierung auf Hauptverkehrsstraßen seien derzeit nicht erfüllt, heißt es in der Verwaltungsvorlage, die im Gremium am Montag diskutiert wurde. Anlieger fordern dort bereits seit gut zwei Jahren ein Tempolimit. Auch im Ortsbeirat wurde das Thema immer wieder diskutiert.

Die Erste Stadträtin und Baudezernentin rechtfertigte die Verkehrszählung vom Mai – in der Gewissheit weniger Autobewegungen während der Pandemie – durch einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom September 2020 nach einem entsprechenden Antrag der FDP-Fraktion: „Wir hatten einen verbindlichen Auftrag.“

Das alte Gutachten aus dem Jahr 2010 sollte demnach auf den Prüfstand und durch aktuelle Daten gegebenenfalls überarbeitet werden. Also wurde der Verkehr gezählt. Trotz der bekannten Rahmenbedingungen.

Das Rathaus erklärt: Da der beschlossene Antrag Fristen zur Vorlage der Evaluation und des darauf aufbauenden Optimierungskonzeptes beinhaltet habe, wurde die Verkehrszählung von einem Ingenieurbüro am 18. Mai durchgeführt. Durch den Druck einer zeitnahen Umsetzung habe man die pandemiebedingt schwammigen Zahlen nicht umgehen können.

„Rausgeschmissenes Geld“, kritisierte Martin Zencke von der SPD. Das Gutachten sei letztlich völlig wertlos. Er beklagte eine mangelhafte Methodik in der Durchführung und unpräzise Vorgaben der Verwaltung. Auch Hanns-Christian Wüstner und Fatemeh Schmidt (Grüne) betonten, dass eine aufwendige Verkehrszählung zu nichts geführt habe. Die Forderung nach Tempo 30 an der Friedhofstraße stehe weiterhin im Raum. Wüstner wünschte sich mehr Mut in der Abteilung Straßenverkehr, um wichtige lokale Entscheidungen voranzubringen. In anderen Städten würden Verkehrsberuhigungen selbst auf Bundesstraßen zügig durchgesetzt, während Bensheim sich hier schwer tue.

Ähnliche Situationen im Rhein-Main-Gebiet, wie etwa die streckenbezogene Einführung von Tempo 30 auf der einer Bundesstraße in Darmstadt, seien dem Lärmschutz geschuldet, heißt es indes im Schreiben der Gutachter. Eine schalltechnische Untersuchung sei für den betroffenen Bereich in Bensheim bereits durchgeführt worden. Eine Überschreitung der Grenzwerte liege hier nicht vor.

Der Beschlussvorlage wurde am Ende einstimmig zugestimmt. „Auf dieser Grundlage ergibt ein Optimierungskonzept keinen Sinn“, sagte Ortsvorsteher Marco Weißmüller (CDU). Er betonte aber auch, dass Tempo 30 am Euler-Quartier zwar aufgrund der aktuellen Rechtslage nicht möglich, aber thematisch nicht vom Tisch sei. Im Kontext einer ganzheitlichen Analyse des Bensheimer Verkehrs und dem weiteren Dialog mit „Hessen Mobil“ könnte doch noch eine Lösung gefunden werden.

Um sicherzustellen, dass an der Kalkgasse im Übergangsgebiet zum Außenbereich keine allzu großflächige Bebauung mehr entsteht, und um die Bebauung der Grundstücke in diesem Bereich zu lenken, soll ein Bebauungsplan aufgestellt werden. Im Ortsbeirat wurde dem geschlossen zugestimmt. Sowohl für die Wohnbebauung wie auch für die sozialen Einrichtungen (Hospiz) sollen behutsame Erweiterungen möglich sein, aber im Einzelfall kritisch geprüft werden. Auf diese Weise will man eine größere Flächenversiegelung und Eingriffe ins Landschaftsbild verhindern.

Der Magistrat hatte 2020 den Weg für ein besonderes Vorkaufsrecht am Marktplatz freigemacht. Damit sollen die Einflussmöglichkeiten der Stadt bezüglich der städtebaulichen Entwicklung des Zentrums gestärkt werden. Der Beschlussvorlage und der notwendigen Satzungsänderung wurde zugestimmt.

Personalkarussell im Ortsbeirat dreht sich weiter

Am Montag stand die Verabschiedung der während und mit Ablauf der Wahlzeit 2016 bis 2021 ausgeschiedenen Mitglieder des Ortsbeirats Mitte auf der Tagesordnung. Marco Weißmüller und Stadtverordnetenvorsteherin Christine Deppert – auch Ortsbeirätin in Mitte – dankten den Kollegen für die gute und konstruktive Zusammenarbeit.

Der dienstälteste Ortsbeirat war Markus Woißyk (CDU), der seit 1997 im Gremium saß, zwischen 1999 und 2002 auch als Ortsvorsteher. Nach 25 Jahren hatte er sich Ende 2020 aus allen kommunalpolitischen Ämtern zurückgezogen.

Brigitte Schmidt (CDU) war seit 2001 und damit 20 Jahre in Mitte aktiv. Auf 15 Jahre brachte es Birgit Schocke von der SPD, die sich in den letzten sechs Jahren auch als stellvertretende Ortsvorsteherin bei Entscheidungen zu ortsteilrelevanten Themen eingebracht hat.

Ihr Parteifreund Stephan Krüger war ab 2013 dabei. Thorsten Eschborn (FDP), ebenfalls stellvertretender Ortsvorsteher, schied Ende 2020 nach fast fünf Jahren freiwillig aus und gab den Sitz an Stefan Stehle weiter, der allerdings nur vier Monate im Ortsbeirat war und jetzt ein Mandat in der Stadtverordnetenversammlung innehat.

Verabschiedet wurden außerdem Michael Horschler (2016 bis 2021) und Jochen Kredel von den Grünen (2011 bis 2021). Ingrid Bader war für die Wählergemeinschaft Bürger für Bensheim zehn Jahre lang Ortsbeirätin in der Kernstadt. tr

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