Rathaus

Die Folgen des Abschieds von Adil Oyan in Bensheim

Mit dem fliegenden Wechsel des nunmehr ehemaligen Bensheimer Stadtrats Adil Oyan nach Groß-Gerau besteht der hauptamtliche Magistrat „nur" noch aus Bürgermeisterin Christine Klein und Erster Stadträtin Nicole Rauber-Jung.

Von 
Dirk Rosenberger
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Raus aus dem Rathaus: Der ehemalige Bensheimer Stadtrat Adil Oyan – im Bild mit Ex-Bürgermeister Rolf Richter beim Klimaschutztag 2018 – hat seine neue Stelle als Erster Kreisbeigeordneter in Groß-Gerau angetreten. Einen Nachfolger will die Koalition aus Kostengründen nicht wählen. Bürgermeister Christine Klein plant aber Neueinstellungen, um den Abgang zu kompensieren. © Dietmar Funck

Bensheim. Jetzt ist er weg – und sie sind erstmals allein. Mit dem fliegenden Wechsel des nunmehr ehemaligen Bensheimer Stadtrats Adil Oyan (Grüne) nach Groß-Gerau besteht der hauptamtliche Magistrat „nur“ noch aus Bürgermeisterin Christine Klein und Erster Stadträtin Nicole Rauber-Jung (CDU).

Das neue Engagement des Ex-Finanzdezernenten als Erster Kreisbeigeordneter kommt alles andere als überraschend. Zumal der 56-Jährige ohnehin nicht mit einer Weiterbeschäftigung rechnen durfte, wenn in einem Jahr seine zweite Amtszeit ein Ende gefunden hätte. Schließlich hat die Koalition aus CDU, SPD und FDP, wie hinlänglich bekannt, in ihrer Koalitionsvereinbarung nach der Kommunalwahl 2021 beschlossen, den Posten einzusparen.

Beschluss über Wahlausschuss

Im Rathaus dürfte man daher nicht unvorbereitet auf die Wahl am Montag in Groß-Geraus gewesen sein. Vielmehr sollte man davon ausgehen, dass Christine Klein sich im Optimalfall bereits Gedanken gemacht hat, wie künftig die Dezernate verteilt werden. Dass die Verwaltungschefin unter anderem die Finanzen übernimmt, gilt als sicher. Zumal die Stadtverordnetenversammlung in der nun anstehenden Sitzungsrunde beschließen soll, dass die Entscheidung über die Aufnahme von langfristigen Krediten auf die Bürgermeisterin übertragen wird. Bisher fiel diese Aufgabe „dem für das Finanzwesen zuständigen hauptamtliche Stadtrat zu“, wie es offiziell heißt.

Interessanter als diese Formalität ist aber eine weitere Verwaltungsvorlage, die sich mit der Bildung eines Ausschusses zur Wahl einer weiteren hauptamtlichen Stadträtin oder eines hauptamtlichen Stadtrats befasste. Demnach soll der Haupt- und Finanzausschuss den Job (wie in früheren Jahren auch) schultern.

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Das wäre generell auch kein Problem, wenn das Dreier-Bündnis einen Nachfolger für Adil Oyan zulassen wollte. Dem ist jedoch nach wie vor nicht so, weshalb der nachgereichte Tagesordnungspunkt sicherlich für leichtes Erstaunen in der einen oder anderen Fraktion gesorgt hat. Allerdings steht in der Hauptsatzung der Stadt Bensheim nach wie vor geschrieben, dass es elf Stadträte zu geben hat, von denen zwei hauptamtlich besetzt werden.

Da einer den Hut genommen hat, braucht es formaljuristisch Ersatz. Was laut Hessischer Gemeindeordnung dazu führt, einen Wahlvorbereitungsausschuss auf die Beine stellen zu müssen. Der HGO ist es erstmal egal, was in irgendwelchen Koalitionsvereinbarungen festgezurrt wurde.

Stattdessen kann man dort nachlesen, dass die Wahl eines Beigeordneten spätestens drei Monate vor Freiwerden der Stelle zu erfolgen hat. Das war im aktuellen Fall nicht möglich, weshalb die Verwaltung nun angehalten ist, „ohne schuldhaftes Verzögern“ (wie es so schön heißt) das Verfahren in Gang zu bringen.

Einen Oyan 2.0 wird es dennoch nicht geben. Schließlich haben vor allem SPD und FDP deutlich gemacht, dass es aus ihrer Sicht auch mit Bürgermeisterin und Erster Stadträtin zu gehen hat. Wahrscheinlicher ist eine Änderung der Hauptsatzung, die von politischer Seite beantragt werden müsste.

Am Freitag teilten die Fraktionschefs des Dreier-Bündnisses auf Nachfrage dieser Zeitung entsprechend Folgendes mit: „Die Fraktionen von CDU, SPD und FDP werden dem Beschlussvorschlag des Magistrats zur Bildung eines Wahlvorbereitungsausschusses nicht zustimmen. In der Koalitionsvereinbarung haben sie festgelegt, dass die Stelle des weiteren hauptamtlichen Stadtrates (nach Ablauf der Amtszeit des Amtsinhabers) nicht neu besetzt wird; dementsprechend werden sie abstimmen.“

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Sollte Hand an die Hauptsatzung gelegt werden (müssen), was in den vergangenen Jahren praktisch nach fast jeder Kommunalwahl praktiziert wurde, bräuchte es mindestens 23 Stimmen (bei 45 Stadtverordneten) für eine erfolgreiche Umsetzung. Theoretisch wie praktisch keine zu hohe Hürde für die Koalition, die über 26 Sitze verfügt.

Unverrückbare Tatsachen hätte man mit dem Eingriff ohnehin nicht geschaffen. Sollte in naher oder ferner Zukunft die Erkenntnis reifen, dass es wieder einen Stadtrat oder eine Stadträtin in Lohn und Brot braucht, könnte der Posten wieder in der Hauptsatzung verankert werden.

Offen ist, was passiert, wenn der Wahlausschuss abgelehnt, aber die Hauptsatzung nicht per Antrag geändert wird. Dann dürfte wohl die Stunde der Verwaltungsjuristen schlagen.

Aber das ist bislang graue Theorie. Fest steht, dass Adil Oyan künftig in Groß-Gerau wirkt und im Rathaus die Dezernate neu verteilt werden müssen. Doch was bringt der (erzwungene) Abgang dem Haushalt eigentlich finanziell? Nach offizieller Auskunft am Freitagmittag – gar nichts. „Es ergeben sich durch den Wegfall der Stelle insgesamt keine Einsparungen“, heißt es auf Nachfrage dieser Zeitung aus der Verwaltung.

Ausreichend Diskussionsstoff

Als Grund wird angeführt, dass neue Stellen zur Kompensation geschaffen werden sollen. Entsprechende Vorschläge seien im Stellenplan 2023 enthalten. Der wiederum muss bekanntlich mit dem Haushaltsplan von den Stadtverordneten beschlossen werden. Ob die Koalition diese Vorgehensweise allerdings unterstützt, darf stark bezweifelt werden – mit Blick auf die Argumentation, mit dem Aus für den zweiten Hauptamtlichen Geld sparen zu wollen. Eingestuft ist der Stadtrat in der Besoldungsgruppe B2, was etwa 7900 Euro brutto im Monat ohne Zuschläge bedeutet. Alles eingerechnet kann man sicherlich von Kosten um die 100 000 Euro im Jahr ausgehen.

Das aber nur am Rande, denn viel spannender dürfte sein, wie sich die kommunalpolitische Debatte um eine Änderung der Hauptsatzung und die Stellenforderungen aus dem Rathaus entwickeln. Der Bensheimer Tradition folgend, werden die Abstimmungsgespräche sicherlich nicht geräuschlos über die Bühne gehen.

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