Pakt für den Ganztag

Bensheim plant, Trägerschaft für Grundschulbetreuung abzugeben

Nach dem 31. Juli 2025 muss ein neuer Träger für die Schlossberg- und Schillerschule her.

Von 
Anna Meister
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Der städtische Eigenbetrieb Kinderbetreuung plant, die Trägerschaft für die Ganztagsbetreuung an der Schossbergschule (Bild) und der Schillerschule bis spätestens Ende Juli 2025 zu beenden. Grund dafür ist, dass der Betrieb nicht wirtschaftlich, sondern für die Stadt mit hohen Zuschüssen verbunden ist. © Thomas Neu

Bensheim. Die Ankündigung hatte bereits im Juni dieses Jahres für viel Empörung bei Elternvertretern und Schulbeiräten gesorgt. Bei einer Demonstration vor dem Bensheimer Rathaus forderten Eltern, dass die Trägerschaft der Grundschulbetreuung für die Schlossberg- und die Schillerschule weiter in städtischer Hand bleiben soll. Wohl vergebens, denn der Eigenbetrieb Kinderbetreuung sieht keine Möglichkeit, die Trägerschaft kostendeckend fortzuführen. Spätestens zum 31. Juli 2025 soll sie sukzessive und unter Berücksichtigung rechtlicher Kenntnisse der Beschäftigten und Elternschaft beendet und an einen neuen Träger übergeben werden.

Diesem Vorschlag vorangegangen war ein Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom Dezember 2023, mit dem der Magistrat den Auftrag erhielt, Optionen für eine kostendeckende Fortführung des „Paktes für den Ganztag“ an den beiden Schulen zu untersuchern. Auch für die Carl-Orff-Schule in Fehlheim sollte dies geschehen. Die Trägerschaft der Ganztagsbetreuung dort hat inzwischen das in Heppenheim angesiedelte Unternehmen GaBiBe übernommen.

Zuschüsse von Land und Kreis blieben nahezu unverändert

Jährlich fährt der Eigenbetrieb Kinderbetreuung mit der Grundschulbetreuung Verluste ein, 2024 musste die Stadt ihre Zuschüsse um 200 000, für die Jahre bis 2027 um jeweils 450 000 Euro anpassen. An dieser Stelle helfen auch die Gebührenerhöhungen für die unterschiedlichen Betreuungsmodule vom 1. August dieses Jahres nicht weiter. Die Beträge wurden damals an die der freien Träger in Bensheim angepasst.

Aufgrund der vorliegenden Schulkonzepte für den „Pakt für den Ganztag“ können der Verwaltung zufolge nur geringfügige Veränderungen beim Personalaufwand vorgenommen werden. Seit der Übernahme der Trägerschaft 2017 sind die Zuschüsse des Landes Hessen und des Kreises Bergstraße nahezu unverändert geblieben.

Auch erneute Gespräche hätten bestätigt, dass die Landesförderung nicht für einen wirtschaftlichen Betrieb ausreicht. Sowohl Anfragen an den Eigenbetrieb Schule und Gebäudewirtschaft des Kreises Bergstraße, als auch eine Videokonferenz mit Vertreterinnen und Vertretern des Kultusministeriums ergaben, dass keine weiteren Zuschüsse gewährt werden.

Gleichzeitig stiegen die Personalkosten in den vergangenen Jahren aufgrund tariflicher Erhöhungen stark an. Für das Haushaltsjahr 2024 belaufen sich, so hatte es Bürgermeisterin Christine Klein bei der Rathaus-Kundgebung im Juni erklärt, die Zuschüsse für die Schillerschule auf über 377 000 Euro und für die Schlossbergschule auf mehr als 207 000 Euro.

Kreis Bergstraße sucht freie Träger für die Betreuung

Da die Grundschulbetreuung keine Pflichtaufgabe der Stadt ist, hatte die Stadtverordnetenversammlung entschieden, den Eigenbetrieb aus der Trägerschaft zurückzuziehen, wenn der Betrieb nicht wirtschaftlich ist – und das bereits vor Bekanntwerden des massiven Einbruchs bei der Gewerbesteuer, der ein Haushaltsdefizit von über 40 Millionen Euro nach sich zog.

Stattdessen wird der Kreis Bergstraße als Schulträger freie Träger suchen, die die Betreuung übernehmen können. An anderen Grundschulen in Bensheim ist dies bereits gängige Praxis. Um dem Eigenbetrieb Schule und Gebäudewirtschaft des Kreises Bergstraße frühzeitig die Möglichkeit zu geben eine Ausschreibung vorzunehmen, sowie die Schulleitungen, das Personal und die Eltern zu informieren, visiert  die Verwaltung die Kündigung der Trägerschaft noch im Jahr 2024 an.

Die Fachkräfte hätten sowohl die Möglichkeit, sich auf freie Stellen bei der Kinderbetreuung der Stadt Bensheim zu bewerben als auch einer Übernahme durch den künftigen freien Träger.

Ganztagsprogramm für viele Familien unverzichtbar

Viele Eltern von Grundschulkindern brauchen eine zuverlässige Nachmittagsbetreuung, um Beruf und Familie vereinbaren zu können. Innerhalb der letzten fünf Jahre hat sich die Anzahl der ganztagsbetreuten Kinder in den Grundschulen des Kreises Bergstraße sogar verdoppelt. Das hatte Landrat Christian Engelhardt Anfang November dieses Jahres erklärt. Bei diesem Termin unterzeichneten unter anderem die Schulleiterinnen der Löwenherzschule Bensheim und der Carl-Orff-Schule eine Erklärung über ihre gemeinsame Zusammenarbeit mit ihren neuen Trägern.

Während der Schulalltag früher mittags endete und Kinder häufig von Großeltern oder Nachbarn betreut wurden, sind heute immer mehr Eltern auf flexible Betreuungsangebote angewiesen.

28 Schulen im Kreis nehmen am Ganztagsprogramm teil

Um diesem Bedarf gerecht zu werden, wurde 2022 der „Pakt für den Ganztag“ ins Leben gerufen, der den bisherigen „Pakt für den Nachmittag“ abgelöst hat. Dieses neue Programm, das weiterhin auf einer Zusammenarbeit zwischen dem Land Hessen und den Schulträgern basiert, setzt verstärkt auf flexible und bedarfsgerechte Bildungs- und Betreuungsangebote nach der regulären Schulzeit. Ziel ist es, die Betreuung passgenauer auf die Bedürfnisse von Kindern und Eltern abzustimmen.

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Im Kreis Bergstraße nehmen mittlerweile 28 Schulen an dem Ganztagsprogramm teil, an denen insgesamt 3360 Kinder ganztägig betreut werden. Die Organisation der Ganztagsbetreuung an der Löwenherzschule übernimmt der Förderverein KuBuS. Bereits jetzt nutzen rund 50 Prozent der Schüler das Ganztagesangebot. Die Carl-Orff-Schule in Fehlheim ist seit Beginn des Paktes im Jahr 2015 dabei, als er noch „Pakt für den Nachmittag” hieß. Inzwischen sind auch dort über 60 Prozent der Grundschüler fest für die Nachmittagsbetreuung angemeldet.

Betreuung soll weiter gewährleistet werden

An allen Grundschulen soll es weiterhin eine adäquate Ganztagsbetreuung geben – was in Augen der Stadt und der politischen Entscheidungsträger auch ohne städtische Trägerschaft gewährleistet ist. Die Schulkindbetreuung gehört nicht zu den Pflichtaufgaben der Stadt. Freiwillig hat sie diese vor einigen Jahren übernommen, als es um die Sicherstellung der Angebote ging.

Die Koalition aus CDU, SPD und FDP betonte bereits im Sommer, dass die damalige Übernahme keine defizitäre Angelegenheit für die Kommune werden sollte. Jedoch sei der Zuschussbedarf zuletzt immer weiter angestiegen und belastet den städtischen Etat. Daher wurde im Dezember 2023 beschlossen, die Trägerschaft zu überprüfen. Die Stadt könne nicht länger die Ausgaben für Aufgaben des Landkreises übernehmen.

Kritikerinnen und Kritiker sehen hierin jedoch eine Gefahr für die Qualität und Kontinuität der Betreuung und fordern nachhaltige Lösungen, die den steigenden Bedarf an Betreuungsplätzen berücksichtigen.

Redaktion

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