Bensheim. Bei den Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung hatten die Bürger für Bensheim (BfB) im März schwere Verluste hinzunehmen. Von 11,8 Prozent 2016 sackte die Wählergemeinschaft auf 6,6 Prozent ab. Seither sind die Bürger nur noch mit drei statt fünf Sitzen im Parlament vertreten. „Das Wahlergebnis ist längst verarbeitet, wir nehmen unsere neue Rolle an“, richtet Fraktionschef Franz Apfel den Blick nach vorn. Nach Jahren als Koalitionsmitglied ist die BfB nun wieder auf die Seite der Opposition gerückt. „Wir sind zurück bei unseren Wurzeln“, so Apfel bei der Hauptversammlung am Dienstag.
Kein Wechsel eingetreten
Bei einem analytischen Schulterblick auf die vergangenen Monate verwies er nochmals darauf, dass man einer engen Zusammenarbeit mit Grünen, Freien Wählern und SPD – allerdings ausdrücklich ohne festes Bündnis – nicht abgeneigt gewesen sei. Dass sich die Sozialdemokraten letztlich für die sogenannte Deutschland-Koalition mit CDU und FDP entschieden haben, wird in der Wählergemeinschaft entsprechend kritisch kommentiert. Der angestrebte „Wechsel“ im politischen Kurs, den sich die SPD vor der Wahl auf die Fahnen geschrieben habe, sei durch die neue Konstellation gerade nicht eingetreten.
Mitglied bei Freien Wählern
Sprecherteam gewählt: Franz Apfel, Norbert Koller, Andreas Born und Barbara Ottofrickenstein-Ripper (Ortsbeirat Auerbach) wurden einstimmig zu Sprechern der Wählergemeinschaft gewählt.
Schriftführerin bleibt Yvonne Dankwerth, die die BfB im Ortsbeirat Mitte vertritt. Die Kasse wird weiterhin von Gundi Wagner geführt. Beisitzer sind Ulrike Vogt-Saggau und Helmut Reuter. Zu Kassenprüfern wurden Ulrich Grom und Bernd Rettig gewählt.
Das bisher von Stadtrat Andreas Born geleitete Dezernat D, das aus dem Team Straßenverkehr besteht, wurde nach den Kommunalwahlen wieder in den Zuständigkeitsbereich von Stadtrat Adil Oyan eingegliedert. Born ist aktuell ehrenamtliches Magistratsmitglied für die BfB.
Die Bürger für Bensheim sind Mitglied bei den Freien Wählern im Kreisverband Bergstraße. Walter Öhlenschläger, der die parteifreie und unabhängige Liste als Kreisvorsitzender vertritt, sprach in Bensheim von einer guten, wenngleich bislang nur punktuellen Zusammenarbeit mit der BfB. Die Kooperation soll nun intensiviert werden – auch, um näher an Kreisthemen agieren zu können, so Franz Apfel. Inhaltlich passe man gut zusammen.
Die Wählergemeinschaft will neue Köpfe gewinnen, um in der nächsten Wahlperiode über genügend Kandidaten für die Stadtverordnetenversammlung und die Ortsbeiräte zu verfügen. „Wir müssen in den kommenden zwei bis drei Jahren personell aufstocken“, gab der Fraktionschef die Richtung vor. tr
Im Visier der BfB ist derzeit aber vor allem die neue Bürgermeisterin. Christine Klein sei nicht gewählt worden, um die bisherige Politik fortzusetzen. Dies sei aber der Fall. Beispielhaft nannte Apfel den anhaltenden Flächenverbrauch und die weitere Bebauung von Grünbereichen. Eine neue Groß-Kita für die dörflich geprägten Ortsteile Fehlheim und Schwanheim und die Planung von zwei Sporthallen am Berliner Ring zeigten, wohin die Reise mit der neuen Koalition gehen werde.
Der ehemalige Sprecher Ulrich Grom spricht beim Blick ins Rathaus gar von einem Desaster. Kleins momentaner Kurs habe mit den wesentlichen Zielen der BfB nichts gemein. Die Bürgermeisterin besitze null ökologisches Bewusstsein. Grom warnte seine Kollegen davor, gegenüber der Koalition einen „Schmusekurs“ zu fahren.
Franz Apfel wies dies mit Verweis auf seinen Fraktionsbericht zurück, in dem Klein gleich mehrfach vorkam. Die BfB sehe ihre Aufgabe darin, den Finger in die Wunde zu legen und Projekte auszubremsen, die zu mehr Verkehr, Umweltbelastungen und Flächenverbrauch führen.
Vor allem beim Thema Marktplatz erkennt der wiedergewählte Sprecher eine fatale Entwicklung. Die Umsetzung des Stadtverordnetenbeschlusses für einen ergebnisoffenen städtebaulichen Ideenwettbewerb, den auch die „Bürger“ favorisieren, finde nicht statt. Stattdessen habe die Rathausspitze ein Empfehlungs-Team installiert, das im Zuge des „Bensheimer Wegs“ nun eine andere Methode („Werkstattverfahren“) vorschlägt. Die Bürgerinitiative „Bensheimer Marktplatz besser beleben“, die den Beteiligungsprozess angestoßen habe, werde dabei nicht beachtet. Auch bei diesem Kapitel habe Christine Klein ihre Zusage als damalige Bürgermeisterkandidatin nicht erfüllt, eine basisdemokratische Entscheidung umzusetzen, falls sie ins Rathaus gewählt würde. „Über 3200 Bürger haben sich für den Ideenwettbewerb ausgesprochen“, erinnerte Apfel. Diesen fühle sich die Wählergemeinschaft verpflichtet.
Auch Norbert Koller sieht die allseits gewollte Aufwertung des oberen Marktplatzes durch einen potenziellen Verfahrenswechsel zeitlich wie inhaltlich bedroht. „Und wie zu Richters Zeiten werden nun wieder die Juristen bemüht.“ Der Ort gleiche einer Rumpelkammer. Auf die Koalition blickt er skeptisch: „Die vielen neue Besen kehren nicht wirklich besser.“ Statt des erhofften frischen Windes werde jetzt noch starrer und konservativer regiert, bei Baumaßnahmen wiederhole man die Fehler von einst.
Gegen die „Arroganz der Macht“
Koller kritisiert eine oberflächliche Planung mit dem Risiko explodierender Kosten und struktureller Fehlentwicklungen. Auch als geschrumpfte politische Kraft wolle man solche Probleme weiterhin direkt ansprechen und „gegen die Arroganz der Macht“ ankämpfen.
Neben Franz Apfel und Norbert Koller sitzt auch Ulrike Vogt-Saggau im großen Bensheimer Gremium. „Wir haben unser Ergebnis von 2016 nicht wiederholen können, aber das motiviert uns umso mehr“, sagte sie im Hotel Felix. Als eine der zentralen Aufgaben der BfB in den kommenden Jahren nannte sie den Einsatz für eine ökologische Stadtentwicklung ohne massive Flächenversiegelung. Der Umzug der Firma Sanner in den Stubenwald und die Bebauung des ehemaligen CBM-Areals in Schönberg seien beispielhaft für den „Bauwahn“ in Bensheim.
Auch Franz Apfel, Mitglied im Ortsbeirat West, kommentierte die Verlagerung des Familienunternehmens von Auerbach ins Gewerbegebiet kritisch – nicht zuletzt wegen der jüngsten innerbetrieblichen Entwicklungen: nach dem Verkauf von Mehrheitsanteilen an den britischen Finanzinvestor GHO sei der weitere Weg nun mehr als ungewiss. Auch bezüglich der Erweiterungsflächen im Stubenwald. „Was da letztlich passieren wird, kann heute noch keiner sagen.“
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