Bensheim. Das alte Hospital ist kein Lost Place im ursprünglichen Sinn. Der leerstehende Krankenhaus-Trakt geriet in den vergangenen Jahren weder in Vergessenheit, noch ist er eine versteckt gelegene Ruine, die an mutmaßlich bessere Zeiten erinnert. Trotzdem ist das Gebäude verloren gegangen – und zwar für eine nachhaltige Wohnraumentwicklung in bester Lage.
Dabei sollten am Rande der Fußgängerzone längst barrierefreie Wohnungen für Familien und ältere Menschen mit unterschiedlich hohem Betreuungsbedarf entstanden sein. Daraus wurde bekanntlich nichts, weil sich die Denkmalpflege sowie zunächst das Bistum Mainz und in der Folge die Stiftung Heilig-Geist-Hospital als Eigentümer nicht einigen konnten. Das Vorhaben geriet ins Stocken und liegt seitdem auf Eis. Kurz vor der Kommunalwahl mehrten sich kommunalpolitisch Nachfragen und Anträge.
Das führte schließlich zu einem Besuch der Stiftungsvorstände Rutger Hetzler und Gerhard Schmitt in der jüngsten Sitzung des Bauausschusses. Beide skizzierten den bisherigen Werdegang, verwiesen auf die aktuell wenig erfreuliche Situation und erklärten, wie es aus Sicht der Stiftung weitergehen könnte.
Knackpunkt ist nach wie vor die Forderung der Denkmalpflege, den Mittelbau des Komplexes zu erhalten. Die Behörde hatte im Sommer 2016 ihr Veto eingelegt, nachdem die Planungen beim Kreis vorgestellt wurden. Das Bistum ging bis zu diesem Zeitpunkt irrtümlich davon aus, dass die staatliche Denkmalpflege keine Zuständigkeit in dieser Angelegenheit habe. Diese Annahme „ist ihnen dann auf die Füße gefallen“, so Schmitt am Donnerstag im Rathaus.
Bistum hat aufgegeben
Zwar gab es im Dezember 2017 eine Zusage des Bischöflichen Ordinariats, in den Neubau von 71 Wohnungen 16 Millionen Euro zu investieren. Doch eineinhalb Jahre später stieg das Bistum aus, „und alles ging wieder von vorne los“, konstatierte Schmitt, einschließlich der Gespräche mit den Denkmalpflegern. Diese hätten aber bis dato zu keinem Ergebnis geführt. Das Fazit des Vorstands: „Der Erhalt des Mittelbaus führt zu einem wirtschaftlichen Desaster.“ Dabei gebe es erheblichen Bedarf, das 2014 erarbeitete Konzept sei nach wie vor gut.
Rutger Hetzler sprach mit Blick auf die behördliche Auseinandersetzung von einer „Blockade mit bitteren Folgen“, denn in den vergangenen Jahren seien die Baupreise um 25 Prozent gestiegen. Der Bauträger, die städtischen Gremien und die Stiftung selbst hätten resigniert. Der Kommunalpolitik warf er vor, nur vor den Wahlen am Ball zu sein, ansonsten herrsche Funkstille. An einen konstruktiven Austausch mit der Denkmalpflege glaubt Hetzler nicht mehr. Zuletzt habe man angeboten, den Mittelbau zu erhalten und entsprechende finanzielle Abstriche in Kauf zu nehmen. Die Reaktion darauf sei gewesen, dass man zu einer weiteren Reduzierung des Baukörpers aufgefordert wurde. Das sei allerdings das Todesurteil für ein solches Projekt, weil dann die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben sei.
Bauausschuss mit Ergebnis des Austauschs unzufrieden
Festgefahrene Verhandlungen mit zurzeit wenig Aussicht auf Erfolg: Die Mitglieder des Bauausschusses zeigten sich wenig begeistert von der aktuellen Lage rund um das alte Hospital. „Es ist eine ziemlich verfahrene Situation“, brachte es Feridun Bahadori (CDU) auf den Punkt. Müsse man mit einem Bebauungsplan vor Gericht, „wissen wir auch nicht, wie es endet“. Er betonte, dass seine Partei dennoch nach wie vor für Wohnungsbau an dieser Stelle sei.
Er riet den Stiftungsvertretern, weiter den Dialog mit der Denkmalschutzbehörde zu suchen. So wie es ist, könne es nicht bleiben. „Sonst ist es in fünf Jahren verfallen.“
Ralph Stühling (SPD) verdeutlichte, dass alle Beteiligten den Willen hätten, etwas zu bewegen. „Jetzt sollte man die Hausaufgaben angehen“, spielte er auf die von der Behörde monierten fehlenden Unterlagen an, die von der Stiftung vorgelegt werden müssten. Norbert Koller (BfB) äußerte sich weniger optimistisch. Der Vorstand hätte doch schon „sein Pulver verschossen. Wer soll denn die Verhandlungen jetzt führen?“ Das Ergebnis der Bauausschuss-Runde, praktisch ohne weitere Festlegung mit der Stiftung auseinanderzugehen, sei unbefriedigend. Ähnlich sahen es die meisten anderen Kommunalpolitiker am Tisch.
Appell an die Stiftung
Ausschussvorsitzender Thomas Götz (Grüne) appellierte an die Verantwortlichen der Stiftung, die Hilfe von Erster Stadträtin Nicole Rauber-Jung anzunehmen und den Dialog mit der Behörde aufzunehmen. Er wies auf eine weitere mögliche Hürde bei der Bauplanung hin: Im Boden unter dem alten Hospital dürfte man bei Grabungen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf archäologische Funde in Form von alten Gräbern stoßen. „Das ist nicht von der Hand zu weisen. Ob beispielsweise eine Tiefgarage dort genehmigungsfähig ist, wage ich zu bezweifeln, sollte es zu Funden kommen“, bemerkte Rauber-Jung.
Sie wiederholte ihr Angebot, mit der Denkmalpflege Kontakt aufzunehmen und nachzufragen, welche Unterlagen gefordert werden. „Es muss nachgeholt werden, was damals vom Bistum versäumt wurde.“ Die Stiftungsvorstände Rutger Hetzler und Gerhard Schmitt blieben in diesem Punkt allerdings skeptisch und ließen sich nicht überzeugen. „Ich weiß nicht, wo wir noch angreifen sollen“, so Hetzler. Man habe schon einen intensiven Prozess hinter sich. dr
„Das ist keine Debatte auf Augenhöhe, das ist vielmehr wie in einem Feudalsystem“, kritisierte der Stiftungsvorstand. Die Bedarfe von Gesellschaft und Bürgern würden nicht wahrgenommen. Hinzu käme, dass es bei Unterer und Oberer Denkmalschutzbehörde unterschiedliche Ansichten gebe, ob der Mittelbau tatsächlich erhaltenswert sei.
Hetzler und Schmitt forderten im Bauausschuss die Unterstützung der Gremien, des Rathauses und der Stadtgesellschaft ein. Alle müssten die Umsetzung von stadtnahem Service-Wohnen mit einer möglichst großen Anzahl an Wohnungen wollen. Die politischen Vertreter müssten sich gegebenenfalls über ihre Verbindungen zur Landesregierung für eine Umsetzung einsetzen.
Kommt es nicht zu einer Einigung oder einem Einlenken der Behörde, wovon Rutger Hetzler ausgeht, soll seiner Meinung nach die Stadt dennoch einen Bebauungsplan aufstellen, der von der Stadtverordnetenversammlung genehmigt werde – jedoch in dem Wissen, dass ohne juristische Auseinandersetzung weder abgerissen noch neugebaut werden kann. „Dann würden die Einsprüche der Denkmalpflege über das Verwaltungsgericht geklärt“, blickte Hetzler voraus.
Hausaufgaben machen
Die Stiftung sei mittlerweile jedenfalls bereit, sich sowohl bei den Kosten für den Bebauungsplan einzubringen als auch die Bauherrenschaft zu übernehmen.
Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung riet jedoch davon ab, in dieser Gemengelage einen Bebauungsplan aufzustellen, bei dem man vorher schon weiß, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit vor Gericht geht. Die Baustadträtin bedauerte, dass es das Bistum versäumt habe, die Denkmalpflege mit ins Boot zu holen. Deren Belange könne man nicht einfach wegbewegen. Ihr Vorschlag: Die Stiftung solle ihre Hausaufgaben machen, konkrete und belastbare Zahlen mit einer Wirtschaftlichkeitsberechnung vorlegen und auf dieser stabilen Grundlage wieder die Verhandlungen mit dem Denkmalschutz aufnehmen.
„Sie müssen Überzeugungsarbeit leisten, das ist der einzige Weg, den ich sehe. Reichen Sie nach, was gefordert und gebraucht wird.“ Für diesen schwierigen Weg bot sie die Unterstützung der Verwaltung an. Davon wiederum waren die Vorstände nicht überzeugt. „Wir haben unser Pulver schon verschossen und rennen bei der Denkmalpflege gegen Wände.“ Es habe mehr als 15 Gespräche ohne eine konkrete Aussage gegeben. Die einzige Möglichkeit, die man jetzt noch sehe, sei die Aufstellung eines qualifizierten Bebauungsplans. Die FWD Hausbau GmbH, die bereits 2015 mit der Projektentwicklung beauftragt wurde und als Generalunternehmer auftrat, stünde erneut an der Seite der Stiftung als Bauträger. Das damalige Konzept sei nach wie vor ein gutes und könne umgesetzt werden.
Projektentwickler engagieren
Die Erste Stadträtin empfahl den Vorständen dennoch dringend, einen Projektentwickler zu engagieren, der sich auf schwierige Vorhaben versteht. „Sie benötigen eine professionelle Führung.“
Wie es nun weitergeht, ist derzeit offen. Man darf aber davon ausgehen, dass im Interesse der Stadt und der Stiftung die Gespräche zumindest hinter den Kulissen weitergeführt werden. Denn bleibt die Pause-Taste beim für das Zentrum wichtigen Großprojekt dauerhaft gedrückt, ist niemandem gedient – auch der Denkmalpflege nicht. Die Substanz eines leerstehenden Hauses wird mit der Zeit bekanntlich nicht besser. Beispiele dafür gibt es in der Stadt genug.
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