Woche junger Schauspieler

Bewegendes Finale der Bensheimer Woche junger Schauspieler

Von 
Eva Bambach
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„Drei Kameradinnen“: Mit einer starken Aufführung des Staatstheaters Darmstadt ging am Samstag die Woche junger Schauspieler zu Ende. © Thomas Zelinger

Bensheim. Dass Rechtsextremisten Flüchtlingsunterkünfte anzünden oder systematisch rassistisch motivierte Morde begehen und anschließend vom Rechtssystem geschont werden, ist in Deutschland nichts Neues. Was aber, wenn eine als „linksradikale Feministin“ und IS-Anhängerin etikettierte einzelne Frau einen Brandanschlag mit vielen unschuldigen Todesopfern verüben würde, weil sie mit Argumenten gegen die Hetze eines Nazi-Bloggers nicht ankommt? Könnte man sich das vorstellen?

Das letzte Stück in der Woche Junger Schauspielerinnen und Schauspieler am Samstagabend handelte von Radikalisierung – und von bedingungsloser Freundschaft. „Drei Kameradinnen“, im Oktober 2022 uraufgeführt in den Kammerspielen des Staatstheaters Darmstadt, basiert auf der Vorlage des gleichnamigen Romans von Shida Bazyar, erschienen 2021. Es geht darin um Erfahrungen der Ausgrenzung und der Diskriminierung und um die Herrschaft von Vorurteilen, denen kaum jemand entrinnen kann.

Eine folgenschwere Nacht

Den Rahmen bildet die Erinnerung an die Vorgeschichte einer folgenschweren Nacht, den möglichen Weg zu einer Brandstiftung, die viele Opfer fordert. Erzählt wird das von Kasih (Süheyla Ünlü), selbst geprägt vom Aufwachsen in einer von Geflüchteten bewohnten Siedlung am Rand der Großstadt, in der sie mit ihren beiden Freundinnen Saya (Mariann Yar) und Hani (Naffie Janha) eine tiefe Freundschaft verbindet – eine solidarische, aber nicht homogene Gruppe, in der eigene Klassenunterschiede herrschen.

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Da ist Saya, die Gebildete und Erfolgreiche, mit ausgeprägtem politischem Bewusstsein. Hani dagegen lässt sich in einem einfachen Bürojob schikanieren und Kasih bekommt als arbeitslose Soziologin nur Jobs im Callcenter oder im hintersten Bayern angeboten.

Dem Publikum wird von der Erzählerin Kasih die Rolle der „weißen Dominanzgesellschaft“ zugedacht, die sie belehrend, vorwurfsvoll aber auch spottend adressiert. Die engagierten Bürger beim Sortieren von Kleidungsstücken und Plüschtieren im Zuge der Hilfe für Geflüchtete? Tapfere, liebevolle Rassisten!

Die Frage der Herkunft bestimmt über die Wahrnehmung des Individuums, wird an vielen Beispielen klar, die im Verlauf des gut anderthalbstündigen Theaterabends verhandelt werden, der mit mehreren Tanz- und Showeinlagen auch auf die Unterhaltung der Zuschauer abzielt (in weiteren Rollen Jasmin-Nevin Varul, Béla Milan Uhrlau, David Zico, Stefan Schuster).

Dabei erscheinen viele Figuren als Karikaturen der Gesellschaft, wie ein sich alternativ gebendes und dabei grundbiederes Paar aus der WG, die Beamten des Job-Centers, der rennradfahrende Lover von der Sonnenseite der Gesellschaft. Abzuarbeiten gilt es sich vor allem am „weißen Mann“. Doch Vorsicht – es ist nicht die Hautfarbe, die einen dazu macht: Teo zum Beispiel ist schwarz, für Saya aber ein „weißer Mann“. In einer Trash-Talkshow gilt der Wettbewerb „Wer wird am stärksten unterdrückt?“. Wie befreit man sich vom Opfer-Sein und was ist der Unterschied zwischen Rumheulen und Sich-Beschweren? „Lächelt mal, ihr seid doch eigentlich ganz hübsch“, blökt der TV-Zuschauer.

Nicht nur die Herkunft, auch das Geschlecht oder die Bildung sind Kriterien, wenn es gilt, die Menschen in Schubladen zu stecken. Viele sind gleich mehrfach diskriminiert. Und da, wo das Anders-Sein vordergründig ein Vorteil zu sein scheint, ist der Geschmack ein bitterer: Mixed-Couples finden zum Beispiel leicht eine Wohnung. Sie verwenden die Mailadresse mit dem unauffälligen Namen, sind „normal, aber ein bisschen besonders“, bieten Sicherheit mit einem Hauch von Exotik und kultureller Vielfalt.

Drei rätselhafte Tierfiguren begleiten die Handlung, deren Bedeutung auch im an die Aufführung anschließenden Gespräch mit dem Publikum nicht aufgelöst wird. Es sei ein Regieeinfall, hieß es, und dem Zuschauer überlassen, wie er das deute. Vielleicht also ein Hinweis auf die Tiere in der Fabel, auf das Fabulierte, Fantasierte der Erzählung? Fuchs, Lamm und Esel als Verkörperungen dreier menschlicher Eigenschaften – schlau, duldsam, dumm? Zumindest eine von vielen Deutungsvarianten.

In der Textfassung von Golda Barton und unter der Regie von Isabelle Redfern brachte ein für die Woche Junger Schauspielerinnen und Schauspieler ungewöhnlich großes Ensemble ein mit Revue-Elementen attraktiv angereichertes Stück auf die Bühne, das die vielen unterschiedlichen Aspekte von ethnischer, sozialer und kultureller Ausgrenzung, männlicher Dominanz und rechts geprägter Gewalt ins Spiel brachte – vom Publikum mit anhaltendem Applaus bedacht.

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