Marktplatz

Bensheimer Bürgernetzwerk beklagt Trauerspiel

In die Debatte um den Ideenwettbewerb für den Marktplatz und den Auslobungstext hat auch das Bensheimer Bürgernetzwerk Stellung bezogen. Die Mitglieder befürchten, dass der Wettwerb zum Scheitern verurteilt sein könnte.

Von 
Dirk Rosenberger
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Im Lichterglanz: Während des Weihnachtsmarktes oder am Winzerfest ist der Marktplatz eine zentrale Anlaufstelle. Aktuell liegt die Zukunft der Fläche allerdings weiterhin im Dunkeln. Der Ideenwettbewerb wurde ausgesetzt, auch das Bürgernetzwerk hat sich kritisch zum Auslobungstext geäußert. © Thomas Neu

Bensheim. Wer einen Neujahrswunsch für Bensheim übrig hat, könnte sich ein Ende des Dramas am Marktplatz wünschen - oder pünktliche Züge bei der Bahn. Beides dürfte ein ähnlich frommes Ansinnen bleiben. Selbst hartgesottenen Optimisten dürfte der Schlingerkurs mit immer neuen Wendungen Tränen in die Augen treiben.

Aktuell ist der Ideenwettbewerb bekanntlich ausgesetzt, weil die Bürgerinitiative „Bensheimer Marktplatz besser beleben“ vor dem Verwaltungsgericht Darmstadt eine Änderung des Auslobungstextes erreichen will und wie gewohnt nicht mit Kritik am Verfahren und der Rathausspitze spart.

Die Akteure des Bürgernetzwerks haben dennoch nicht die Hoffnung auf eine gute Lösung am Marktplatz aufgegeben, was Zweifel und auch Unverständnis am Ideenwettbewerb und dem zurzeit geführten Diskurs nicht ausschließen. „Es ein Trauerspiel, was da abgeht. Und das Schlimme ist, dass die Bürger so verärgert und enttäuscht sind, dass keiner mehr die Zusammenhänge versteht“, meint Sanjin Maracic, der als Sachverständiger für das Bürgernetzwerk am Preisgericht teilnimmt. An dem Zustand habe auch die Politik ihren Anteil.

„Fakten ins Gedächtnis rufen“

Für wichtig hält es der Architekt, dass man „den Leuten mal wieder die Fakten ins Gedächtnis ruft“. Mit dem Haus am Markt habe man ein Gebäude im Wert von 2,5 Millionen Euro abgerissen. Die Planungskosten für einen möglichen Neubau beliefen sich auf 500 000 Euro, plus Abrisskosten in gleicher Höhe. Man habe schon so viel gemacht, inklusive des Dialogprozesses des Bürgernetzwerkes, nur ein Ergebnis gebe es nicht.

Es folgten ein wieder abgeblasener Realisierungswettbewerb, der Bensheimer Weg („hat Zeit und Geld gekostet“) und nun der Ideenwettbewerb. Man müsse den Bensheimer erklären, dass nach dem Abriss im Sommer 2019 sechs bis sieben Millionen Euro in den Sand gesetzt worden seien - ohne ein Resultat vorweisen zu können. „Geschichte wiederholt sich an dieser Stelle. Wir haben dasselbe von 1945 bis 1976 schon erlebt. Ich will keine 30 Jahre warten, bis wieder etwas entsteht“, so Maracic.

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Generell hätte die Initiative deshalb nichts gegen eine schnelle Umsetzung des Ideenwettbewerbs, damit man den Bürgern mit den Entwürfen Appetit machen und das Potenzial des Platzes aufzeigen kann. Allerdings haben Maracic und sein Stellvertreter im Preisgericht, Harald Heußer, ein Problem mit einem Aspekt der Ausschreibung.

Konkret geht es um die vorgeschriebene Zusammenarbeit von Hochbau- mit Landschaftsarchitekten. Diese müssen für die Einreichung ihrer Entwürfe eine Arbeitsgemeinschaft bilden. Im Preisrichtervorgespräch sei dies noch als Empfehlung der Architektenkammer diskutiert worden, vier Wochen später war es dann eine Verpflichtung.

In einem Schreiben an die Rathausspitze haben Maracic und Heußer, von Beruf ebenfalls Architekt und Hochbauamtsleiter in Heidelberg, ihrem Unmut deutlich Luft gemacht. Von der hiesigen Architektenschaft werde ein solches Vorgehen als Affront aufgefasst, kleinere Büros schließe man damit praktisch von der Teilnahme aus. Keine habe mal schnell einen Landschaftsplaner, den er aus der Schubladen ziehen könne. Die angedachten Restriktionen würden zu einer überschaubaren Beteiligung und geringeren Qualität führen.

Die Gefahr des Scheiterns

Das Duo befürchtet ein Scheitern des Wettbewerbs, sollte die Vorgabe nicht rückgängig gemacht werden. Bliebe die Stadt bei ihrem Kurs, wäre eine weitere Teilnahme der beiden Bürgernetzwerk-Vertreter am Verfahren nicht möglich. Weil man dies allerdings nur als letztes Mittel ansieht, fordern die Fachleute ein erneutes Treffen des Preisgerichts, um den Passus rückgängig zu machen beziehungsweise zunächst einmal in großer Runde darüber diskutieren zu können.

„Was man aber ganz klar sagen muss: Wir sind nicht aus dem Ideenwettbewerb ausgestiegen“, tritt Maracic Aussagen bei der jüngsten Stadtverordnetenversammlung entgegen. Wer so etwas behauptet, habe den Inhalt des Schreibens nicht verstanden.

Nach Ansicht von Harald Heußer ist die nachträgliche Änderung „vergaberechtlich so nicht möglich“. Wenn sich das Preisgericht auf eine abschließende Formulierung verständigt hat, sei Schluss. Dass die Architektenkammer hinterher selbst diese Forderung aufgestellt habe, könne eigentlich nicht sein. Damit würden sie gegen die rechtlichen Rahmenbedingungen verstoßen. Die mitgelieferte Erklärung, dass es ohne diese Bedingung keine Zertifizierung und Freigabe durch die Architektenkammer geben würde, versetzte Maracic und Heußer in Erstaunen. „Dieses Vorgehen mit einer nachträglichen Forderung habe ich in meiner 35-jährigen Laufbahn noch nicht erlebt“, kommentiert Heußer.

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Schließlich sei die Idee gewesen, den Einstieg für die Planer so niederschwellig wie möglich zu halten, um ein breites Spektrum an Entwürfen zu bekommen. „Im Preisgericht waren wir uns alle einig, wie die Spielregeln sind“, bemerkt Maracic. Ohnehin sei es unverständlich, dass an einem Ort, an dem jahrhunderte alte gebaute Architektur steht, ein Architekt nicht in der Lage sein soll, 400 Quadratmeter zu beplanen, egal, ob es eine grünplanerische Anlage oder ein Gebäude ist.

Bürgermeisterin Christine Klein und der Ersten Stadträtin Nicole Rauber-Jung werfen die beiden in ihrem Schreiben vor, dass sie „als Verantwortliche die Stadtgesellschaft mit Unwissenheit oder Absicht wieder deutlich und völlig unnötig spalten werden“. Dennoch setzt man im Bürgernetzwerk weiterhin auf den Dialog, weil man den Erfolg des Wettbewerbsverfahrens wolle. Dieser könne für die qualitätvolle Entwicklung des Stadtzentrums einen entscheidenden Impuls setzen.

Zunächst gilt es aber, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuwarten. Bekommt die BI Recht, müsste der Auslobungstext geändert werden. Gibt es keine Beanstandungen, dürfte eine nahtlose Fortsetzung des ausgesetzten Wettbewerbs dennoch keine Selbstverständlichkeit sein.

Unterm Strich bedeutet das für den Marktplatz: Bis die Zukunft beginnt, müssen in der Gegenwart wieder ein paar Hürden genommen werden - und das auf die Gefahr hin, ins nächste Kapitel einer Geschichte zu stolpern, die man vielleicht besser nicht angefangen hätte zu schreiben.

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