Ein neues Kapitel für den Bensheimer Marktplatz

Das Jahr 2022 endet lokal betrachtet wie sein Vorgänger – mit viel Ungewissheit beim Bensheimer Marktplatz. Dabei hofften die Verantwortlichen im Rathaus, endlich einen Weg gefunden zu haben, den alle mitgehen können. Doch es kam wieder einmal anders.

Von 
Dirk Rosenberger
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Bensheim. Der Nikolaus hatte eine böse Überraschung für die Rathausspitze in seinem Sack. Vom Verwaltungsgericht Darmstadt trudelte nach dem 6. Dezember ein Schreiben ein, in dem Bürgermeisterin Christine Klein und Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung darüber informiert wurden, dass die Bürgerinitiative „Bensheimer Marktplatz besser beleben“ sich erneut ans Gericht gewandt hatte.

Stoßrichtung dieses Mal: die Auslobung für den ergebnisoffenen Ideenwettbewerb kippen. Konkret hatte sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Eilverfahren beantragt. Verbunden mit dem Vorstoß bei Gericht war, dass die Stadt bis zur Klärung keine weiteren Entscheidungen hinsichtlich der Auslobung treffen darf. Die Angelegenheit ruht, der bisher kommunizierte Zeitplan des Ideenwettbewerbs ist damit hinfällig.

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Nach einer ersten juristischen Prüfung sah die Stadt Bensheim keine Möglichkeit, das laufende Wettbewerbsverfahren weiterzuführen und stoppte das gesamte Prozedere. „Wir bedauern es sehr, dass wir diesen Schritt gehen mussten“, betonte Baudezernentin Nicole Rauber-Jung in einer Stellungnahme. „Doch wir sehen uns hierzu leider gezwungen. Das gerichtliche Vorgehen der BI ist für uns absolut unverständlich. Denn die Verwaltung setzt den Stadtverordnetenbeschluss zum Ideenwettbewerb um.“

Die Bürgerinitiative sah das wenig überraschend anders. „Die Auslobung weist erhebliche Defizite auf“, erklärten wiederum die Vertrauensleute. Bei einem Preisrichter-Vorgespräch, dem Gremium gehört die BI mit einem Sachverständigen und einer Stellvertreterin an, hätten diese mit ihren Einsprüchen an der konzipierten Auslobung kein Gehör gefunden.

„Verantwortung übernehmen“

Im Wesentlichen verweisen die Sachverständigen darauf, dass der Text nicht mit dem Bürgerbegehren und dem Abhilfebeschluss aus dem Dezember 2020 konform gehe. Außerdem seien die Anlagen widersprüchlich und nicht auf dem aktuellen Stand der Sachlage. Darüber hinaus sei – wenn auch nicht im Einflussbereich der BI – die Termingestaltung für einen ordnungsgemäßen und erfolgreichen Ideen-Wettbewerb kontraproduktiv.

Ihrer Ansicht nach solle die Erste Stadträtin Verantwortung für das Zeitmissmanagement übernehmen und einen raschen Konsens mit der BI herstellen. Kurzum: Das ohnehin belastete Verhältnis zwischen Rathaus und Bürgerinitiative lädt sich noch ein paar Tonnen Gewicht mehr auf.

Die Beziehung war von Beginn an keine einfache. Bereits bei der Sammlung von Unterschriften für das Bürgerbegehren zogen die Vertrauensleute für eine Fristverlängerung vor Gericht – und bekamen Recht. Auch in der Folge kennzeichneten verbale Zusammenstöße, gegenseitige Vorwürfe und mangelndes Vertrauen die Zusammenarbeit.

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Die neue Eskalation ist in diesem Sinn ein weiterer negativer Meilenstein, das gegenseitige Verständnis hält sich nicht erst seit Anfang Dezember in Grenzen. Den Forderungen aus dem Bürgerbegehren und dem Abhilfebeschluss der Stadtverordnetenversammlung sei man nachgekommen, dem Text des Bürgerbegehrens folge man. „Da gibt es auch keinen Auslegungsspielraum“, entgegnete Rauber-Jung auf die Vorwürfe der Vertrauensleute.

Sie sieht die Stadt in der Pflicht, den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung umzusetzen. Und sollte es vor Gericht im Sinne des Rathauses ausgehen, stünde einer Fortsetzung theoretisch wohl nichts im Wege. Aber ob das so kommen wird? Bis zum Redaktionsschluss dieser Beilage war der Ausgang offen, eine Prognose wollte und konnte niemand abgeben. „Eine Lösung für den Marktplatz ist momentan jedenfalls in weitere Ferne gerückt“, kommentierte die Erste Stadträtin.

Termin im März ist hinfällig

Dabei hätten nach dem im November kommunizierten Zeitplan die Sieger des mit insgesamt 60 000 Euro dotierten Ideenwettbewerbs samt anschließender Bürgerbeteiligung am 10. März 2023 feststehen sollen. Dieser Termin ist nun längst Geschichte und reiht sich ein in die Parade aus Reißleinen, nicht immer gradlinig verlaufenden Verfahren und ständig schwelenden Streitereien, die mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu geführt haben, dass der Teil der Bevölkerung, der sich überhaupt noch für den Marktplatz der Zukunft interessiert, reichlich genervt sein dürfte. Vorsichtig formuliert.

Immerhin ist es dreieinhalb Jahre her, dass das Haus am Markt abgerissen wurde. Und ob man 2023 darauf wetten sollte, endlich eine (wie auch immer geartete) Lösung zu finden, die tatsächlich auch in die Umsetzung geht? Besser nicht.

Freier Autor

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