Bensheim. Was hätten die Bensheimer auf dem ehemaligen Hoffart-Gelände nicht fast schon alles bewundern können: Kino, Hotel, Seniorenheim, Wohnungen, Läden, Supermarkt oder ein neues Bürgerhaus samt gemeinsamem Foyer mit dem Parktheater. Seit der Eisenwarenhandel 1998 Bekanntschaft mit der Abrissbirne machte, gab es viele Ideen, potenzielle Investoren und die Adelung des Grundstücks als städtisches Filetstück.
25 Jahre später kann man selbst darüber keine abgehangenen Witze mehr machen, so trostlos ist der Anblick der Blumenkübel-Armada auf der Fläche zwischen Parktheater und B 47. Wie ernsthaft das Interesse möglicher Käufer in der jüngeren Vergangenheit war, lässt sich außerhalb des Rathauses nur schwer beantworten. Immerhin standen mal im Haushaltsplan 500 000 Euro, die man mit einer Veräußerung erlösen wollte.
Bis das Geld in welcher Höhe auch immer (und ob überhaupt) einen Beitrag zur Konsolidierung des mitunter wankelmütigen Etats leistet, werden vermutlich noch einige Winter kommen und gehen. Schließlich steht der Bereich auf der Prioritätenliste der Rathausspitze nicht auf der innerstädtischen Spitzenposition, dort haben sich Marktplatz, Neumarkt-Center und Kaufhaus Krämer unangefochten festgespielt.
Zeitalter der Betonwüste
Das Zeitalter der Betonwüste nähert sich mit hoher Wahrscheinlichkeit dennoch dem Ende. Die Stadtverordnetenversammlung hat am Donnerstag mehrheitlich beschlossen, mit Steuergeldern aus dem Landesprogramm Zukunft Innenstadt das Hoffart-Gelände in eine - Zitat der Verwaltung - „grüne Oase“ verwandeln zu wollen. Städtisches Gärtnern an Hochbeeten, Sitzgelegenheiten, Fassadenbegrünung am Parktheater sollen das Vorhaben (wie berichtet) beinhalten.
Den Grundsatzbeschluss hatten die Fraktionen schon im vergangenen Jahr gefasst, nun ging es um die Details. Die Kosten belaufen sich auf 136 000 Euro, die Stadt ist mit 27 000 Euro anteilig dabei. Ganzheitliche Begeisterung löste die Planung jedoch nicht in allen Fraktionen aus. Die FWG versuchte letztlich erfolglos, mit einem Prüfauftrag an den Magistrat den Marktplatz als Standort für eine grüne Auffrischung ins Spiel zu bringen.
Peter Leisemann erinnerte daran, dass seine Fraktion das Gelände von Beginn an für eine solche Umsetzung abgelehnt hätten. Für die FWG liege es daher auf der Hand, das Thema Hoffart und Landesprogramm neu zu denken. Die angedachten Aktivitäten seien an einer stark befahrenen Straße suboptimal. Wenn das Experiment nicht den erwarteten Erfolg bringe, könne man es nach Aussage der Baustadträtin ja verlagern.
„Warum also das Experiment nicht direkt auf dem Marktplatz starten? Die finanziellen Mittel sind vorhanden. Und wenn es dort irgendwann mal eine Lösung gibt, können die mobilen Teile auf das Hoffart-Gelände verschoben werden“, meinte Leisemann. Beantragt werde von seiner Fraktion aber keine finale Entscheidung, sondern die einfache Prüfung auf Machbarkeit.
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Die CDU hingegen hält die Fläche an der Bundesstraße nach Auskunft von Maximilian Gärtner für den richtigen Platz. Nach Jahrzehnten könne dort endlich etwas passieren. Der Marktplatz als Alternative werde von seiner Fraktion kritisch gesehen, weil nicht geklärt sei, ob es aufgrund des laufenden Gerichtsverfahrens juristisch umsetzbar sei.
„Das Hoffart-Gelände hingegen muss attraktiver gestaltet werden über einen längeren Zeitraum. Wir wollen unseren Bürgern die Möglichkeit geben, dort Urban Gardening ab Frühjahr 204 zu betreiben“, bemerkte Gärtner. Man dürfe nicht vergessen, dass die Mitfinanzierung, auch für die noch kommende Aufwertung des Hostinné-Platzes, 75 000 Euro koste - ohne Folgeausgaben und in Zeiten angespannter Haushaltslage. „Es ist aber sinnvoll für die Belebung der Innenstadt.“
Von einer „Brache ohne Gewinn für die Stadt“ sprach Doris Sterzelmaier (Grüne) mit Blick auf den aktuellen Zustand in Nachbarschaft des Parktheaters. „Es wird Zeit, dass sich auf dem Gelände etwas ereignet.“ Die Idee der FWG lese sich charmant, es sei aber der falsche Zeitpunkt. Am Marktplatz dürften keine Tatsachen geschaffen und nicht vorgegriffen werden, der Ausgang der Klage sei offen.
Für die Grünen sei klar, dass die Baulücke an der B 47 irgendwann geschlossen werden müsse. Bis dahin sei das Projekt mit Beteiligung der Bürger eine sinnvolle Übergangslösung. „Mehr städtisches Grün für die Innenstadt ist von vielen gewollt“, so die Fraktionsvorsitzende.
Adriana Filippone (SPD) räumte ein, dass Sorgen und kritische Sichtweisen in Zusammenhang mit den Planungen verständlich seien. Man könne aber auch die Chancen hervorheben. Freiflächen, die offensichtlich keinen Mehrwert besitzen, müssten neu betrachtet werden. „Dafür braucht es mutige und zeitgemäße Ansätze und runde Konzepte. Zuerst braucht es aber eine Vision und die hat etwas mit Kreativität zu tun.“
Auf dem Hoffart-Gelände könne ein besonderer, generationenübergreifender Ort entstehen, der auch zur Belebung des Parktheaters beitragen könne. „Ein Platz, der zum Verweilen einlädt und den Boden beispielsweise für ergänzende kulturelle Angebote säht.“ Nicht erwähnen müsse man darüber hinaus mehr, wie wichtig Begrünung für die Innenstadt sei.
Am Ende des Tages müsse man es ausprobieren. Dafür seien solche Förderprogramme gedacht. Diese Mittel abzulehnen oder nicht in Anspruch zu nehmen, müsse man sich in Zeiten wie diesen leisten können, verdeutlichte Filippone und appellierte an die Bensheimer, dass jeder dazu beitragen können, die Idee aufgehen zu lassen.
Kritik von der FDP
Kritischere Töne kamen vom Koalitionspartner FDP. „Obwohl wir die Vision einer grünen Oase begrüßen, sehen wir uns gezwungen, bei der Abstimmung zu enthalten“, erläuterte Lisa-Marie Blumenschein. Der wichtigste Faktor sei, dass die Folgekosten bei einer Umsetzung nicht beziffert worden seien beziehungsweise erst danach benannt werden könnten.
„Uns ist es wichtig, dass Steuergelder effektiv und verantwortungsvoll eingesetzt werden“, so Blumenschein. Man müsse nicht jedes Förderprogramm nutzen. Es sei nicht im Sinne der FDP, in einer angespannten Haushaltssituation Mittel freizugeben, ohne zu wissen, welche Folgekosten auf die Stadt zukommen. Außerdem halte man das Hoffart-Gelände an der vielbefahrenen Straße nicht für passend.
Wenngleich die Koalition damit nicht einheitlich votierte, reichte es dennoch für eine Mehrheit. CDU, SPD, Grüne und Ulrike Vogt-Saggau (BfB) stimmten dafür. FDP, BfB und VuA (Vernunft und Augenmaß) enthielten sich, die FWG verneinte. Dem Änderungsantrag der Freien Wählergemeinschaft folgte außer den Antragstellern niemand, bei einer Enthaltung von Thomas Götz (Grüne).
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