Bensheim. Doch dem Lockruf der Fördermittel erlegen? Oder sinnvolles Wirtschaften in Zeiten knapper Kassen und darbender Innenstädte, die Zuwendungen aller Art gut gebrauchen können? Die Wahrheit liegt vermutlich nicht irgendwo dort draußen, sondern grob in der Mitte.
Wie auch immer man es einordnen mag: Die Stadt nimmt nach dem jüngsten Beschluss der Stadtverordnetenversammlung nun doch 300 000 Euro an Steuergeldern aus dem Landesprogramm Zukunft Innenstadt in Empfang, um städtisches Gärtnern (Urban Gardening) in mobilen Hochbeeten auf dem Hoffart-Gelände zu ermöglichen - und um den Hostinné-Platz mit viel Grün und Sitzgelegenheiten aufzuwerten. 75 000 Euro müssen aus dem Haushalt selbst beigesteuert werden.
Die Vorgeschichte ist bekannt: Im Sommer lehnte vor allem die Koalition aus CDU, SPD und FDP das Projekt im Umfeld des Wambolter Hofs ab, vor allem wegen eines Glascontainers, der als mobiles Büro hätte aufgestellt werden können. Aber auch, weil man sich die Eigenmittel sparen wollte.
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Die Verwaltung unternahm nach der Sommerpause mit einem leicht geänderten Konzept ohne Glaskasten einen neuen Anlauf, auch weil das Land den Förderbescheid schon auf den Weg gebracht hatte. Und siehe da: Schon im Haupt- und Finanzausschuss zeichnete sich eine Mehrheit ab, im Stadtparlament vor Wochenfrist enthielt sich lediglich die FWG.
„Gut, dass es jetzt eine mehrheitsfähige Lösung gibt und der Platz mehr Grün, mehr Sitzgelegenheiten, Pflanzkübel und einen Trinkwasserbrunnen bekommen soll und damit attraktiver wird und zum Verweilen einlädt“, fasste Doris Sterzelmaier für die Grünen zusammen. Die 75 000 Euro Eigenanteil „sollte uns unsere Innenstadt wert sein“.
Die zweite Runde hätte man sich allerdings sparen können, wenn die Koalition schon im Sommer zugestimmt hätte. Dies hole man jetzt nach. „Danke für den Sinneswandel“, bemerkte die Fraktionsvorsitzende in Richtung des Dreier-Bündnisses. Es wäre schade gewesen, wenn die 200 000 Euro Fördergelder für die Platzgestaltung verfallen wären.
Bernhard Stenger (CDU) räumte für die CDU ein, dass „wir dieses Programm beim letzten Mal zusammengestrichen haben“. Den „Sinneswandel“ führte er auf ein neues Konzept zurück, dem man zustimmen könne, das der CDU gefalle und sich einfüge. „Wo etwas Sinnvolles gemacht wird und wir Zuschüsse mitnehmen können, sind wir gerne dabei“, so Stenger. Auf die Details, die in einer noch zu erstellenden Projektvorlage stehen werden, sei man gespannt. Es gebe einige Punkte, bei denen man sehen wolle, wie die Ausführung sich darstellt, beispielsweise der angedachte Trinkwasserbrunnen.
Großer Bedarf an zeitgemäßen Aufenthaltsorten
„Wir verstehen die Vision der Maßnahmen und Ideen“, konstatierte SPD-Fraktionschef Jürgen Kaltwasser. Dies könnte bei richtiger Umsetzung ein Meilenstein Richtung moderner Innenstadt sein. Diese müssten nicht erst seit gestern neu gedacht werden, Bensheim sei auf einem guten Weg. Kaltwasser lobte in diesem Zusammenhang die bisherigen Aktivitäten des Stadtmarketings.
Grundsätzlich sei der Bedarf an zeitgemäßen Aufenthaltsorten unendlich groß. Das Zentrum biete an vielen Stellen den Raum dazu. „Es liegt an uns, diese effizient und kreativ zu nutzen.“
Tobias Fischer (FDP) bekundete, dass er sich persönlich über den Sinneswandel der Verwaltung bezüglich des neuen Konzepts gefreut habe. Man müsse sich aber nicht immer gleich auf alles einlassen und sich Zeit nehmen, begründet Fischer die Absage an die Vorlage aus dem Sommer. Lieber ein kleines bisschen besser planen, nichts überhasten, so das Credo. „Wir möchten eine grüne Innenstadt, wir freuen uns auf die Kletterpflanzen.“
Etwas kritischer blickte die BfB auf das Vorhaben. Zentrales Leitelement sei die Begrünung und damit die Verbesserung des Klimas. Wer könne da schon Nein sagen?, fragte Ulrike Vogt-Saggau rhetorisch. Sie hegte Zweifel daran, ob sich das Konzept mit der Neuanpflanzung von Bäumen samt Entsiegelungen und Pflanzinseln auch so realisieren lasse.
Sie erinnerte an einen Ortstermin ihrer Fraktion vor fünf Jahren, bei dem es ebenfalls um Baumpflanzungen ging. Alle vorgeschlagenen Standorte seien jedoch von der Verwaltung abgelehnt worden wegen Leitungen im Boden. Auf eine aktuelle Nachfrage der BfB teilte das Rathaus mit, dass erst im Zuge der Planungen konkret geprüft werde, ob Bäume gepflanzt werden können.
„Es soll also heute etwas beschlossen werden, von dem man nicht weiß, ob es umgesetzt werden kann“, bilanzierte Vogt-Saggau. Wie grün werde der Hostinné-Platz wirklich? Lasse sich eine grüne Oase, wie von der Verwaltung beschrieben, überhaupt anlegen? Trotz aller Bedenken werde man der Vorlage zustimmen.
Für die Freie Wählergemeinschaft erläuterte Rolf Tiemann die Zurückhaltung seiner Fraktion. Der Nutzen aus der städtischen Investition von 75 000 Euro sei innerhalb der FWG umstritten. „Dies auch im Hinblick auf erforderliches sparsames Handeln gerade in der jetzigen Krisenzeit. Die Zweifel bestehen noch immer, daher werden wir uns auch bei der heutigen Abstimmung enthalten.“
Unabhängig davon hält man es nach wie vor für sinnvoll und erforderlich, konstruktive Gespräche mit Investoren zu führen, die am Hoffart-Gelände aktuell interessiert seien. Ein entsprechender Antrag der FWG im Sommer wurde abgelehnt. „Die Argumente aus der Verwaltung, warum Gespräche derzeit nicht sinnvoll sind oder zeitlich wegen anderer Projekte nicht passen, überzeugen uns nicht“, kritisierte Tiemann.
Letztlich änderten seine Einlassungen aber nichts an der großen Linie. Die Fördermittel aus Wiesbaden können damit in die beiden Projekte investiert werden, vorbehaltlich einer weiteren Zustimmung der Kommunalpolitik, sobald die Planungsdetails ausgearbeitet sind.
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