Geburtshilfe

101 Babys im Bensheimer Geburtshaus entbunden

Im Geburtshaus Bergstraße an der Fehlheimer Straße in Bensheim kamen seit der Eröffnung am 1. April 2021 101 Kinder zur Welt - eine Zahl, über die Hebammen und Trägerverein sehr froh sind.

Von 
Jeanette Spielmann
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Die SPD-Fraktion besuchte im Rahmen ihrer Sommertour das Geburtshaus Bergstraße. Begrüßt wurden die Teilnehmer vom Vorsitzenden des Trägervereins Rolf Richter und den Hebammen Birgit Heitkamp und Annett Haase (v.l.) © Neu

Bensheim.

Erst kam der Schock, als 2019 bekannt wurde, dass die Geburtsstation im Heilig-Geist-Hospital mangels Ärzten geschlossen wird. Dann kam die von Erster Kreisbeigeordneter Diana Stolz aus Idstein mitgebrachte Idee eines Geburtshauses - und danach die dafür ideale Immobilie: die ehemalige Diakoniestation an der Fehlheimer Straße. Das Wohnhaus mit Garten verfügt über Parkplätze und Bushaltestelle direkt vorm Haus und auch der Bahnhof ist nicht weit.

Als die Michaelsgemeinde das Anwesen veräußern wollte, meldete der inzwischen gegründete Trägerverein sein Interesse an der Immobilie als Mietobjekt an und man wurde sich einig. Das Gebäude wurde vom Vermieter saniert und der Trägerverein übernahm die für die künftige Nutzung erforderlichen Umbauten.

Zum 1. April vergangenen Jahres wurde das Geburtshaus Bergstraße eröffnet, und am Dienstag nutzte die Bensheimer SPD-Fraktion die Möglichkeit, die Einrichtung im Rahmen ihres Sommerprogramms zu besuchen. Denn die meisten Fraktionsmitglieder kennen das Geburtshaus „nur aus der Presse“, wie Fraktionschef Norbert Bauer feststellte.

Begrüßt wurden die sozialdemokratischen Stadtverordneten von Rolf Richter, der von Anfang an den Trägerverein als Vorsitzender leitet, sowie von den beiden Hebammen Birgit Heidkamp und Annett Haase. Beide sind Gründerinnen und Teil des derzeit siebenköpfigen Hebammen-Teams. Annett Haase hat zusätzlich die fachliche Leitung des Geburtshauses übernommen und Birgit Heidkamp die organisatorische.

Keine Förderung vom Land

Die Finanzierung der Einrichtung stand mit ursprünglich drei Groß-Sponsoren auf soliden Füßen. Das waren die Stadt Bensheim mit 10 000 Euro, der Kreis Bergstraße, und vom Land Hessen war mit einer Anschubfinanzierung zwischen 50 000 und 100 000 Euro ausgegangen worden. Daraus wurde aber nichts, da die Richtlinien für die Förderung noch nicht in trockenen Tüchern waren und die Mittel noch nicht beantragt werden konnten. Den üblichen Vergabegrundsätzen des Landes zufolge hätte der Trägerverein mit dem Projekt Geburtshaus aber erst nach Antragstellung und Zusage der Förderung beginnen können. Aber so lange wollte die Kirchengemeinde nicht auf die Entscheidung bezüglich des Hauses warten.

Die insgesamt noch fehlenden 80 000 Euro wurden schließlich mit Hilfe von zwei Privatpersonen als Darlehen finanziert, die den Verein von Anfang an als Hypothek belastet, so Vorsitzender Richter.

Das finanzielle Konzept des Geburtshauses geht von mindestens 60 Geburten im Jahr aus, damit sich die Einrichtung trägt. „Diese Zahlen werden erreicht“, so Richter. So wurde am Dienstagnachmittag die 50. Geburt für dieses Jahr gezählt und insgesamt die 101. Geburt seit Betriebsbeginn. Der normale Betrieb des Hauses ist somit finanziell abgesichert, Probleme bereiten dem Vorsitzenden des Trägervereins die Belastungen durch das Darlehen. Ohne diese Hypothek hätte der Verein mehr Luft für weitere Investitionen und zusätzliche Ausgaben durch gestiegene Energiekosten.

Vor diesem Hintergrund freut sich der Verein über jedes weitere Mitglied (aktuell sind es rund 60), das mit einem Mindestbeitrag von 24 Euro im Jahr die finanzielle Situation verbessern kann.

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Das Interesse an einer außerklinischen Geburt ohne medizinische Geräte ist groß und reicht über das Kreisgebiet hinaus. Aber bei aktuell sieben Hebammen sind die Kapazitäten im Geburtshaus Bergstraße begrenzt und aktuell ausgelastet. Zusätzliche Hebammen zu finden, ist allerdings nicht so einfach, denn die von freiberuflichen Hebammen selbst zu zahlenden Haftpflichtbeiträge sind mit 11 000 Euro im Jahr sehr hoch und machen eine Teilzeitbeschäftigung eigentlich unmöglich, da sie unabhängig davon, ob Geburtshilfe geleistet wurde oder nicht, gezahlt werden müssen.

Von den inzwischen 101 Müttern (und Vätern), die im Geburtshaus entbunden haben, wird neben der geschützten häuslichen Umgebung vor allem die fachkundige Betreuung durch vertraute Hebammen geschätzt. Während der Schwangerschaft werden die Mütter zwar immer von einer Hebamme betreut, doch sie lernen auch das gesamte Hebammenteam kennen, da im Vorfeld nicht planbar ist, welche Hebammen zum Zeitpunkt der Geburt verfügbar sind.

Bei fast allen bisherigen Geburten kamen die Kinder in der Badewanne zur Welt. Dem großen Interesse an einer Wassergeburt ist inzwischen auch die Anschaffung einer zweiten mobilen Wanne geschuldet, denn manchmal kommt es auch zu zwei Geburten zeitgleich, was inzwischen dreimal passiert ist. Die in den drei Geburtsräumen zur Verfügung stehenden Betten werden meist erst nach der Geburt „zum Kuscheln“ genutzt.

Die lückenlose 1:1-Geburtsbetreuung wird durch die Rufbereitschaft von jeweils zwei Hebammen in den drei Wochen vor (3) und nach (2) der Geburt. Da die Betreuung der Mütter über die Dauer der Schwangerschaft erfolgt, sind die Hebammen mit der individuellen Situation von Mutter und Kind bestens vertraut und können Risikogeburten im Vorfeld ausschließen beziehungsweise bei Bedarf in die Klinik verweisen. Für die Mütter besteht immer die Möglichkeit, sich dann doch für den Klinikaufenthalt zu entscheiden.

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Nach über einem Jahr Betrieb ist das Geburtshaus auch längst in der Nachbarschaft integriert und die erste Nachbarin habe sich auch schon für die Geburt ihres Kindes angemeldet, so Annett Haase.

Im Garten des Hauses, um dessen Pflege sich der Verein Oald Bensem kümmert, dankte Fraktionsvorsitzender Bauer für die interessanten Informationen und den Einblick in ein bemerkenswertes Haus.

Neben der Förderung durch Mitglieder bereitet der Trägerverein aktuell weitere Möglichkeiten vor, die Zukunft des Geburtshauses finanziell nachhaltig abzusichern. Wer sich näher informieren möchte, kann dies auf der Website des Geburtshauses www.geburtshaus-bergstrasse.de tun und dort auch die jeweiligen Kontaktmöglichkeiten finden.

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