Joy Denalane und Max Herre (beide 51, sie aus West-Berlin, er aus Stuttgart) sind ein Paar. Und zwar - mit einer kleinen Pause - seit einem Vierteljahrhundert. Da die beiden gemeinsamen Söhne nun Anfang zwanzig sind und in London sowie zwei Straßen von der elterlichen Wohnung entfernt leben, hatten die Soulsängerin und der Hip-Hopper endlich wieder richtig Zeit zum gemeinsamen Musikmachen. Ergebnis der kreativen Zweisamkeit ist das Album „Alles Liebe“, ein warmes Wohlfühlwerk zum Reinlegen, Schwelgen und auch ein bisschen zum Nachdenken. Wir treffen Max und Joy in der Niederlassung ihrer Plattenfirma in Berlin.
Joy, Max, ist es noch ungewohnt für euch, gemeinsame Interviews zu geben?
Max Herre: Ich finde das ganz schön, und es fühlt sich auch nicht komplett neu an. Joy und ich verbringen sowieso wahnsinnig viel Zeit zusammen. Das Coole an dieser Konstellation ist auch, dass der eine manchmal auf neue Gedanken kommt, während der andere redet.
Joy Denalane: Ich glaube, das letzte Mal wirklich zusammen PR gemacht haben wir für unsere Single „Mit dir“, die auf der zweiten Freundeskreis-Platte „Esperanto“ drauf war. Das liegt jetzt auch schon 25 Jahre zurück.
Nein, ich denke nicht, dass man grundsätzlich alles verzeihen muss, um eine schöne, stabile Beziehung zu führen
Ihr habt euch auch früher schon gern gegenseitig bei Konzerten auf der Bühne besucht. Nun aber werdet ihr die Shows komplett gemeinsam bestreiten. Wie wird das?
Herre: Lang! Wir werden zweieinhalb Stunden spielen und sehr viele Duette singen. Wir freuen uns sehr auf diese Show, die auch eine Werkschau der vergangenen 25 Jahre wird.
Der Titel eures neuen Songs „Bisschen mehr als Freundschaft“ ist zugleich ein Zitat aus „Mit dir“. Ihr habt euch seinerzeit 1999 bei der Arbeit an eurem Duett ineinander verliebt. Hättet ihr es für möglich gehalten, ein Vierteljahrhundert später hier zu sitzen, als Ehepaar, mit zwei gemeinsamen Kindern und nun einem Album, das die Liebe feiert?
Denalane: So spezifisch waren meine Überlegungen sicher nicht. Aber ich konnte mir direkt vorstellen, 25 Jahre oder auch länger mit Max zusammen zu sein. „Bisschen mehr als Freundschaft“ ist die Geschichte eines Paares, das schon ein paar Jahre zusammen auf dem Buckel hat und darauf zurückblickt, was es schon erlebt hat, und was es zu dem Paar gemacht hat, das es heute ist.
Herre: Kitschig ausgedrückt lag der Zauber unserer Begegnung einst auch darin, dass wir die Liebe zur Musik so sehr geteilt haben. Musik ist für uns das absolut Wichtigste, hier finden wir eine unglaublich tiefe Verbindung miteinander. Ganz viel in unserer Kommunikation und selbst das, was wir nonverbal austauschen, ist mit Musik assoziiert.
Wie lief denn die Zusammenarbeit?
Denalane: Hervorragend. Wir waren selbst überrascht. Wir haben Anfang 2023 drei Tage lang mit mehreren Produzenten gearbeitet und am Ende gleich neun Songskizzen fertiggestellt. Wir sind wirklich flott vorangekommen. Im Januar 2024 war der Kern des Albums fertig.
Joy Denalane und Max Herre
- Joy Denalane wurde am 11. Juni 1973 in Berlin geboren.
- 1999 nahm sie mit der Band Freundeskreis den Hit „Mit dir“ auf, sie und Max Herre, der Frontmann der Band, wurden ein Paar. 2002 veröffentlichte sie ihre erste Platte „Mamami“.
- Herre und Denalane haben zwei Kinder, 2007 trennte sich das Paar, seit 2011 sind die beiden Musiker wieder liiert. Die beiden leben in Berlin.
- Auf dem ersten gemeinsamen Album „Alles Liebe“ setzen sich die beiden auch mit ihrer persönlichen Beziehung auseinander. red (mit dpa)
Herre: Wir werden schneller, und das liegt daran, dass unsere Söhne jetzt groß und aus dem Haus sind. Früher haben wir uns mit unseren Platten und Konzerten abgewechselt. Wenn der eine auf Tour war, hat sich der andere um die Kinder gekümmert. Wir haben darauf geachtet, die Erziehungsarbeit wirklich 50:50 aufzuteilen. Jetzt sind die Jungs Anfang zwanzig. Die letzten zwei Jahre haben wir uns daher extrem viel mit Musikmachen beschäftigten können.
Denalane: Auch früher haben wir schon zusammen im Studio gearbeitet, aber immer durchkreuzt von Anrufen der Kinder, vom Organisieren, Abholen, Hinbringen, Einkaufen, Wäschewaschen. Selbst bei der Arbeit konnten wir nie vollständig abschalten. Jetzt waren wir endlich voll konzentriert.
„Wir beide haben uns viel zu verziehen“ singst du, Joy, in „Bisschen mehr als Freundschaft“. Habt ihr euch alles verziehen? Und sollte die Liebe generell alles verzeihen?
Denalane: Nein, ich denke nicht, dass man grundsätzlich alles verzeihen muss, um eine schöne, stabile Beziehung zu führen. In einer Liebesbeziehung, aber auch in einer freundschaftlichen oder familiären Beziehung, wird es auf dem gemeinsamen Weg immer Zeiten geben, in denen man auseinanderdriftet oder aneinandergerät. Das hinterlässt dann auch Spuren. Um eine Beziehung fortzuführen, kann man verzeihen. Oder man akzeptiert, dass man nicht mit allem einverstanden, aber bereit ist, mit diesen Dingen zu leben. Manches in einer Beziehung ist, wie es ist, und die kann man auch nicht mehr ändern.
Unsere Liebe war in dieser Phase nicht romantisch. Aber wir haben uns trotzdem als Menschen noch geachtet, und das Fundament war stark genug, um uns auch romantisch wieder zu begegnen.
Herre: Sicher muss man sich auch viel verzeihen. Wir glauben zugleich, dass in unserem Fall immer ein so starkes Fundament vorhanden war, dass die Beziehung nichts auf Dauer umwerfen konnte. Auch durch unsere Trennung zwischendurch war das Verhältnis nicht so angeknackst, dass wir es nicht mehr haben reparieren können. Irgendwie haben wir es immer geschafft, uns gewogen zu bleiben - auch in Zeiten, in denen es miteinander nicht ging.
Also war die vierjährige Beziehungspause keine Liebespause?
Herre: Ich würde schon sagen, dass wir uns entliebt hatten. Unsere Liebe war in dieser Phase nicht romantisch. Aber wir haben uns trotzdem als Menschen noch geachtet, und das Fundament war stark genug, um uns auch romantisch wieder zu begegnen.
Zwischen den Liedern auf eurem Album erklären verschiedene Menschen aus eurem Umfeld, was für sie die Liebe ausmacht. Wart ihr beeindruckt, was dabei rauskam?
Denalane (lacht): Ja, total. Uns war wichtig, auf einem Album, das „Alles Liebe“ heißt, über unsere eigene Perspektive hinauszugehen und verschiedene Facetten der Liebe, beispielsweise innerhalb der Familie oder zu Freunden, zu behandeln. Dabei sind wirklich sehr unterschiedliche und interessante Wahrnehmungen rausgekommen.
Habt ihr den Eindruck, das Konzept „Liebe“ verändert sich von eurer Generation zur nächsten?
Herre: Schwierig, das pauschal zu beantworten. So verschieden die Menschen sind, so verschieden sind auch ihre Wünsche an die Liebe. Was sich auf jeden Fall verändert hat, ist die Art, wie über die Liebe gesprochen wird. Nämlich sehr viel offener. Und viele junge Leute probieren mehr aus als wir früher, seien es queere Beziehungen oder polyamoröse Beziehungen. Viele aus der jüngeren Generation legen sich nicht mehr fest, und das finde ich erstmal toll. Nur: Dadurch, dass es so viele Optionen gibt, die akzeptiert sind, ist es vielleicht schwerer, herauszufinden, was das Richtige für einen selbst ist. Ich sehe ein bisschen die Gefahr, dass diese Generation, die sehr über das Dating kommt, sich schwer damit tut, Verbindungen zu knüpfen und auch zu halten.
Denalane: Unser Sohn Isaiah, der auch auf dem Album zu Wort kommt, formuliert aber schon sehr ähnliche Wünsche wie wir. Die Liebe ist für ihn ein geschützter Raum, in dem sich zwei Menschen geborgen fühlen, die zusammengehören.
„Das sind nicht die Zeiten, um zurückzuweichen“, heißt es im Song „Mmina Tau“. Wie ist das gemeint?
Herre: Liebe ist auch politisch. Sie ist wichtig, um resilient zu bleiben gegen den Hass, der uns entgegenschlägt. Liebe bedeutet nicht zuletzt: Empathie. Wir müssen standhaft bleiben gegen die Gegenentwürfe zur Solidarität, gegen AfD, gegen Remigrationsdebatten. Wir brauchen einen Chor der Affirmation. Letztlich ist der Song ein Aufruf zur Solidarität.
Denalane: „Mmina Tau“ ist das Familiengedicht des Denalane-Clans in Südafrika, also meiner Familie. In diesen Gedichten gibt es immer einen Schutzpatron. In unserem Fall ist das der Löwe.
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