Zeitreise

Kurfürst Carl Theodor - Tod beim Kartenspiel

Vor 225 Jahren ist Kurfürst Carl Theodor gestorben. Er zählte im 18. Jahrhundert zu den bedeutendsten Reichsfürsten. In Mannheim und Schwetzingen blieb er als Kulturmäzen in bester Erinnerung – nicht aber bei den Bayern

Von 
Peter W. Ragge
Lesedauer: 
Kurfürst Carl Theodor von der Pfalz auf einem Gemälde von Heinrich Carl Brandt um 1791. © Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

Mannheim. Es passiert beim Kartenspiel. Carl Theodor sitzt am 12. Februar 1799 mit Obristjägermeister Reichsgraf von Waldkirch und dem Generaladjutanten Freiherr von Herding in der Münchner Residenz zusammen. „Ohne die mindesten Vorbothen einer bevorstehenden Krankheit“, so Leibarzt Lorenz von Fischer später in seinem Bericht, wird der Kurfürst zwischen 20 und 21 Uhr „plötzlich von dem Anfalle eines Schlagflußes befallen“ – sprich ein Schlaganfall. Vier Tage dauert der Todeskampf, begleitet von politischen Intrigen.

Der Leibmedicus hat darüber einen Bericht verfasst. Ihm ist zu entnehmen, dass es zwischendurch Hoffnung gibt, wonach sich der Zustand des Regenten bessert. Anfangs hat Carl Theodor heftige Lähmungserscheinungen der Zunge und der rechten Körperseite, „gichterische Zuckungen“, zudem Knirschen der Zähne, röchelndes Atemholen. Dann kommt wieder Wärme in die kalten Glieder, der Atem wird besser. Zwischendurch notiert der Mediziner gar die „sich wieder einstellende Gegenwart des Geistes“ und „das Bestreben zum Reden“, sogar die „Aussprache mehrerer Worte“.

Meist schläft der 75-jährige Kurfürst aber. Lorenz von Fischer registriert dennoch Anzeichen der Besserung. Am dritten Tag des Todeskampfes folgt indes ein Fieberanfall, verbunden mit „tiefer Schlafsucht“, so der Leibarzt. Am 16. Februar, gegen 14.45 Uhr, tritt der Tod ein – nach 57 Regierungsjahren. Zuvor hat der Regent von seinem Beichtvater, Kapuzinerpater Cyprian, die letzte Ölung erhalten.

Leichnam und Herz werden getrennt bestattet

Allein ist er nicht in seinen letzten Tagen und Stunden. Sein Sohn aus der Verbindung mit der Mannheimer Tänzerin Maria Josepha Seyffert, Karl August Fürst von Bretzenheim, sein Schwiegersohn, mehrere Minister, Generäle, Geheimräte, der Kammerfurier und drei Kammerdiener stehen Carl Theodor bei, nicht zu vergessen seine zweite Ehefrau Erzherzogin Maria Leopoldine aus dem Hause Habsburg (1776–1848), Tochter des Erzherzogs Ferdinand.

Damals schon 70 Jahre alt und kränklich, hatte der Kurfürst sie 1795 als erst 18-jähriges Mädchen geheiratet. Von Zärtlichkeit und Trauer sei am Totenbett nichts zu spüren gewesen, heißt es in zeitgenössischen Berichten – aber geistesgegenwärtig und politisch klug agiert die junge Kurfürstin.

Sie verweigert dem österreichischen Gesandten den Zutritt, um zu verhindern, dass er dem sterbenden Regenten in letzten lichten Momenten noch politische Zugeständnisse, etwa einen Gebietstausch, abringt. Damit rettet sie die weitere Regentschaft für die Familie der Wittelsbacher, wenn auch für die Nebenlinie Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld. Daher tritt Maximilian I. Joseph die Nachfolge an. Die Münchner begrüßen ihn mit Jubel, als der neue Kurfürst in der Stadt eintrifft.

Besichtigungen und Veranstaltungen

  • Gedenkgottesdienst: Anlässlich des Todestages am 16. Februar ist am Sonntag, 18. Februar um 10 Uhr in der Schlosskirche Mannheim ein Gedenkgottesdienst der Alt-Katholischen Kirche.
  • Schloss Mannheim: Bismarckstraße, 68161 Mannheim, zu besichtigen sind Haupttreppenhaus, Rittersaal, acht rekonstruierte Räume einschließlich „Erlebnisraum Hofmusik“, dazu Schlossmuseum mit Dauerausstellung und Kabinettsbibliothek von Elisabeth Augusta. Eigens zum Jubiläum wurde die Ausstellung um neue Exponate mit Frankenthaler Porzellan ergänzt.
  • Eintritt: Schloss mit Audioguide oder App für Erwachsene neun Euro, Ermäßigt 4,50 Euro und für Familien 22,50 Euro. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr.
  • Schloss und Schlossgarten Schwetzingen, 68723 Schwetzingen. Eintritt: Schlossgarten 6 Euro, ermäßigt 3 Euro, Familien 15 Euro (Winterpreise). Öffnungszeiten: Schlossgarten bis 23. März täglich 9 bis 17 Uhr, letzter Einlass 16.30 Uhr, ab 24. März bis 20 Uhr. Die Besichtigung der Innenräume des Schlosses ist nur mit Führung möglich.
  • Carl-Theodor-Jahr in Mannheim: Das Marchivum plant ab 16. Oktober eine kleine Sonderausstellung, die Reiss-Engelhorn-Museen ab Dezember die Ausstellung „Ein Kurfürst auf Zukunftskurs“ und der Mannheimer Altertumsverein will im Herbst zu einer Vortragsreihe einladen.
  • Carl-Theodor-Jahr in Schwetzingen: Die Schlösser und Gärten planen ab April die Präsentation von Porzellan aus Frankenthal und Gemälden aus der Sammlung Heinstein in Schloss und Schlossgarten Schwetzingen. Dort soll es im Oktober eine große dreitägige Tagung „Carl Theodor 3.0 – Facetten eines Fürsten“ und Anfang Dezember eine viertägige Illumination an der Hoffassade vom Schloss geben. pwr

Der verstorbene Regent wird zwei Tage im Audienzzimmer aufgebahrt. Dazu zieht man ihm das Ornat des Hubertusordens mit der goldenen Collane (Halskette) aus 42 Gliedern und den Orden vom Goldenen Vlies an, in den ihn Kaiserin Maria Theresia 1778 aufgenommen hatte. Als am 21. Februar der Leichenzug startet, ertönen alle Glocken der Stadt sowie Kanonendonner. Soldaten, Ordensmitglieder, Pfarrer, Minister erweisen ihm die letzte Ehre. Am Hochaltar der Theatinerkirche sind Sinnbilder für zwölf Wohltaten des Kurfürsten angebracht.

Sein Leichnam wird zwar in der Gruft der Theatinerkirche in München bestattet, aber sein Herz nach Wittelsbacher Tradition in der Gnadenkapelle von Altötting. Dort befinden sich insgesamt 28 Herzurnen von Wittelsbachern, die Jüngste von 1954 mit dem Herz der letzten bayerischen Kronprinzessin Antonia. Offiziell herrscht Staatstrauer. „Voll sind schon die Straßen, Gänge. Alles starrt beim Leichgepränge, Und das Stammhaus Wittelsbach, Folgt bestürzt dem Zuge nach“ heißt es in der Schrift „Patriotische Thränen“. „Der beste Fürst, den je auf deutschem Throne, das Vaterland verlor“ wird Carl Theodor in „Gefühle eines redlichen Patrioten“ betrauert. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit.

Das Volk jubelt

Dafür spricht nicht nur der Jubel, mit dem der – aus der Kurpfalz anreisende – Nachfolger von den Bürgern in München begrüßt wird. Schon beim Todeskampf soll das Volk nicht um Carl Theodor gebangt haben – ganz im Gegenteil „Das Jubelgeschrey und das Vivatrufen des Volkes durchdrang die Wolken“, schreibt gar der zeitgenössische bayerische Schriftsteller, Historiker und Theologe Lorenz von Westenrieder über die Reaktion auf die Todesnachricht.

Die Münchner und ihr Regent – sie mögen sich nicht, von Anfang an nicht. Geboren am 11. Dezember 1724 – und damit vor 300 Jahren – als Pfalzgraf von Sulzbach und Marquis von Bergen op Zoom im Schloss seiner Urgroßmutter in Drogenbosch bei Brüssel, kommt Carl Theodor im Alter von zehn Jahren nach Mannheim. Nach dem frühen Tod seines Vaters holt ihn sein Onkel, Kurfürst Carl Philipp, zur Erziehung durch Jesuiten in die Quadratestadt. Carl Theodor wächst im Schloss auf, wird hier 1742 mit seiner Cousine Elisabeth Auguste vermählt und an Silvester im gleichen Jahr – nach dem Tod seines Onkels, der keine anderen männlichen Nachkommen hat – im Alter von nur 18 Jahren Kurfürst.

Mehr zum Thema

Erleben

König Ludwig I. von Bayern: von Mannheim geprägt

Veröffentlicht
Von
Peter W. Ragge
Mehr erfahren
Zeitreise

"Ohne jeden Luxus" - die Stuttgarter Weissenhofsiedlung

Veröffentlicht
Von
Peter W. Ragge
Mehr erfahren
Zeitreise

Der Pariser Eiffelturm - Die eiserne Madame

Veröffentlicht
Von
Konstantin Groß
Mehr erfahren

Es sind Mannheims „goldene Jahre“. Der Mann, der fünf Sprachen spricht, als belesen und geistreich, kulturell interessiert und gebildet gilt, sorgt für Glanz am kurfürstlichen Hof. Carl Theodor stärkt Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft.

So gründet er die Kurpfälzische Akademie der Wissenschaften, lässt die Sternwarte errichten, ermöglicht wegweisende astronomische und meteorologische Forschung, baut das Zeughaus. Die Hofbibliothek, deren Bestand in seiner Ära auf über 100 000 Bände anschwillt, öffnet er ebenso an bestimmten Tagen der Öffentlichkeit wie das Naturalienkabinett und die Gemäldegalerie im Mannheimer Schloss sowie den von ihm prachtvoll angelegten Schlossgarten der in seiner Ära erweiterten Sommerresidenz Schwetzingen.

Und er fördert das Theater und die Musik, lässt eine der berühmtesten Hofkapellen seiner Zeit entstehen. Dazu umgibt er sich mit Geistesgrößen seiner Zeit, etwa Voltaire. Und nicht nur Friedrich Schiller rühmt „die wahre Kunstliebe des klugen und patriotischen Kurfürsten“, (. . .) der für die Künste und Wissenschaften so viel getan“ habe.

Carl Theodor schafft die Folter ab

Aber es geht über die schönen Künste hinaus. Carl Theodor setzt zudem Zeichen, indem er 1776 die Folter in der Kurpfalz abschafft und in seiner Ägide die Zahl der Hinrichtungen stark zurückgeht. Er sorgt für besseren Straßenbau, kurbelt die Industrie (damals in Form von Manufakturen wie Frankenthal und Mosbach) an, fördert aber ebenso die Landwirtschaft.

„Sein Interesse für Wissenschaft, seine Offenheit für Kunst und seine Empfänglichkeit für Schmeicheleien bringen eine ganz neue Dynamik ins Land“, urteilt Hiram Kümper, Professor am Historischen Institut der Universität Mannheim. „Was in dieser Zeit geboren wird, ist die Kurpfalz als Innovationsregion – was sie ja im Grunde heute noch ist“, so Kümper. Die Weiterentwicklung des Agrarlands Kurpfalz gehe „wesentlich auf Carl Theodor und die vielen regen Geister zurück, mit denen er sich ständig umgeben hat.“

Aber das ist Ende 1777 vorbei. Am 30. Dezember stirbt der bayerische Kurfürst Maximilian III. Joseph an den Pocken – und damit der letzte Vertreter der bayerischen Linie der Wittelsbacher. Als Carl Theodor das in der Silvesterandacht in der Mannheimer Schlosskirche zugeflüstert bekommt, soll er gemurmelt haben „Nun sind deine guten Tage vorüber“. Noch in der Nacht fährt er mit der Kutsche nach München, um dort – wie es die Hausverträge des Herrschergeschlechts vorsehen – das bayerische Erbe anzutreten. Am 2. Januar 1778 trifft er ein und ist fortan Regent im Kurfürstentum Pfalz-Baiern, dem nach Österreich und Preußen drittgrößten Staat im Heiligen Römischen Reich, und insgesamt Herr in sieben Ländern vom Niederrhein bis an die böhmische Grenze. Als einer der sieben Kurfürsten darf er den Kaiser mitwählen.

Nur so geschätzt, ja geliebt wie in seiner Mannheimer Regentschaft wird er von den Münchnern nicht. Die Mannheimer weinen, als Carl Theodor geht. „Alles schrie um Gnade für die arme Stadt“, schildert Kabinettssekretär Stephan von Stengel die Reaktionen der „niedergeschlagenen Gemüther“ der Bevölkerung, als die Verlegung des Hofs nach München bekannt wird. Ab Oktober 1778 werden Möbel, Garderobe, Silberschatz und Gemälde – später der Grundstock der Alten Pinakothek – nach Bayern transportiert, unter militärischem Schutz. Dass Carl Theodor Mannheim „zu einiger Nahrungsmittelbeihilfe“ das Nationaltheater stiftet, tröstet die Bürger wenig, wenngleich es für fortgesetzte kulturelle Strahlkraft sorgt.

Der Mannheimer Morgen auf WhatsApp



Auf unserem WhatsApp-Kanal informieren wir über die wichtigsten Nachrichten des Tages, empfehlen besonders bemerkenswerte Artikel aus Mannheim und der Region und geben coole Tipps rund um die Quadratestadt

Jetzt unter dem Link abonnieren, um nichts mehr zu verpassen

Bayerische Beamte indes fürchten, dass der neue Regent – der einen Hofstaat von etwa tausend Personen aus der Kurpfalz mitbringt – ihnen neue Leute vor die Nase setzen wird. Und plötzlich gelten andere Maßstäbe. Die bayerischen Behörden urteilen strenger als kurpfälzische, was etwa Wolfgang Amadeus Mozart zu spüren bekommt. Seine schon in Prag, Wien und Mannheim aufgeführte Oper „Don Giovanni“ wollen die bayerischen Zensoren verbieten, weil einige Stellen „zum Ärgernis Anlass geben“. Carl Theodor aber hebt das Verbot sofort auf, als er davon erfährt, und wischt das „unterthänigste Dafürhalten dero Zensurkollegiums“ vom Tisch.

Schlimmer noch als der Streit mit dem Münchner Magistrat ist für Carl Theodor indes, dass die Bayern mitbekommen, wie wenig er sie schätzt. Der Regent will sie nämlich loswerden – und erntet dafür einen Sturm der Entrüstung bei seinen Untertanen. Angesichts seiner zersplitterten Ländereien strebt er ein großes Königreich am Rhein entlang an. Daher schlägt er nach seiner Machtübernahme in München und dann noch mal 1784 Österreich vor, ihnen Bayern abzugeben – im Tausch gegen die Österreichischen Niederlande (heute Belgien). Die Habsburger haben daran auch großes Interesse, doch die Idee scheitert am Einspruch von Preußen. Bei den Bayern ist Carl Theodor aber seither geradezu verhasst.

Flucht nach Mannheim

Das spitzt sich zu, als es 1788 wegen Getreidemangel und Brotpreissteigerungen zu Unruhen, ja Drohungen gegen den Kurfürsten kommt. Der flüchtet daraufhin im Oktober 1788 nach Mannheim und weckt dort Hoffnungen, dass der Regent wieder dauerhaft das Schloss bezieht. Immerhin beordert er einige Beamte nach Mannheim, auch die Botschafter anderer Länder folgen dem Kurfürsten.

Zwar bleibt Carl Theodor lange weg, doch am 2. Juli 1789 kehrt er – weil das der Erbvertrag der Wittelsbacher so vorsieht – wieder zurück in das eigens zu diesem Anlass illuminierte München, richtet Bälle aus, spendiert Armenspeisungen. Dass er ein Armeninstitut errichtet, mit dem Karlsplatz die erste große Stadterweiterung seit dem Mittelalter und mit dem Englischen Garten eine – für die Bürger zugängliche – große Grünanlage schafft, hilft ihm indes nicht im Ansehen der Münchner.

Mit seiner Abreise am 15. Juni 1788 endet die Ära des Mannheimer Hofs endgültig. Carl Theodor kommt nie wieder in die Quadratestadt zurück. Am 18. Dezember 1798, wenige Wochen vor seinem Tod, unterzeichnet er aber noch eine letzte, sehr wichtige Verfügung. Er gestattet die dann 1799 beginnende Schleifung der Festungsbauwerke, wodurch zunächst ein Grüngürtel um die Quadrate entsteht – und zugleich die Voraussetzung für die spätere Stadterweiterung sowie den Aufstieg zur Industrie- und Handelsstadt. Das erlebt er aber nicht mehr.

Redaktion Chefreporter

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke