Bad Dürkheim. Kelten, Römer sowie die frühmittelalterliche Bevölkerung der Umgebung suchten Zuflucht auf dem zwischen Bad Dürkheim und Kaiserslautern gelegenen Drachenfels, und sie haben Spuren hinterlassen. Die vielen Wanderer, die an schönen Wochenenden den Berg stürmen, bekommen davon wenig mit. Aus keltischer Zeit (etwa vom 6. Jahrhundert vor bis Christi Geburt) stammen die deutlichsten Strukturen: Ein Ringwall, der das bis zu 571 Meter hohe Gipfelplateau umgibt und eine Fläche von etwa fünf Hektar einschließt. Ebenso ein wesentlich größerer, der sich darunter um den ganzen Berg zieht. Eine relativ neue Erkenntnis, denn bekannt war bisher lediglich ein sichelförmiges Teilstück davon um den Westfelsen. Zu den ersten, die den kompletten Wall erkundet haben, zählt der Freizeitarchäologe Jochen Braselmann.
Dass diese Anlage so lange verborgen blieb, ist durchaus verständlich: Denn wer ihre Spuren finden will, braucht ein geschultes Auge und Kondition. Auf und Ab geht es durch Gestrüpp und über umgestürzte Bäume. Manchmal gibt es Lücken im Wall, die das Wiederauffinden seiner Spur erschweren. Mit einer Gesamtlänge von etwa zweieinhalb Kilometern umfasst er eine Fläche von ungefähr 40 Hektar. Wer hat dieses riesige Bauwerk errichtet? Wofür diente es? Und wie viele Krieger wurden benötigt, um es zu verteidigen? Viele Fragen, wenig Antworten.
Als Indiz für einen Ursprung in keltischer Zeit wertet Braselmann, dass der Wall an einer Stelle ins Tal abzweigt, vermutlich um eine längst versiegte Quelle zu integrieren. „Derartige Wallführungen wegen einer Quelle stammen aus keltischer Zeit, von den Römern und Franken kenne ich das nicht“, meint er. Seiner Auffassung nach saß die keltische Oberschicht auf dem Berg, während das gemeine Volk auf Wohnterrassen in den steilen Hängen hauste. Es könnte sich um ein Oppidum handeln. Diese stadtähnlichen Gebilde gaben die Kelten um Christi Geburt zugunsten von Talsiedlungen auf.
Höhensiedlungen sollten Schutz vor Germanen bieten
Die Situation auf dem Plateau ermöglicht dem Besucher einfachere Entdeckungen. Wer sich in die Randbereiche begibt, erkennt deutlich den Ringwall, den Jochen Braselmann ebenfalls den Kelten zuschreibt. Insgesamt also eine riesige Anlage für diese frühe Zeit und nicht die einzige im Raum Bad Dürkheim. Steil abfallende Felspartien steigern den Verteidigungswert.
Viel Keltisches, aber wo versteckt sich die spätrömische Bergsiedlung, die es hier geben soll? Denn ab etwa 250 nach Christus entstehen wieder Höhensiedlungen. Hunderte von ihnen gibt es, in der Pfalz, den Vogesen, der Eifel, weitere von Britannien bis Italien. Erforscht sind nur wenige, und das macht diese Anlagen so rätselhaft. In der Pfalz fanden lediglich auf dem Großen Berg bei Kindsbach (unweit Kaiserslautern) Grabungen statt. Indizien legen nahe, dass es sich bei den Anlagen in der Region um zivile Siedlungen handelt, die spätestens im 4. Jahrhundert massiv befestigt wurden. Sie sollten sowohl gegen germanische Plünderer als auch gegen die Gefahren bürgerkriegsähnlicher Wirren Schutz bieten. Christian Mehlis (1850 bis 1933), Pionier der pfälzischen Archäologie, schrieb zumindest Teile der Wälle auf dem Plateau des Drachenfels der romanisierten regionalen Bevölkerung zu. Doch behauene Steine oder Mörtel, Kennzeichen für römisches Mauerwerk, sucht der Besucher vergebens.
Informationen für Besucherinnen und Besucher
- Anfahrt: Von Mannheim aus über die Hochstraße durch Ludwigshafen, weiter auf der A 650 Richtung Bad Dürkheim, weiter durch die Stadt auf der B 37 durch das Isenachtal Richtung Kaiserslautern, links zum Saupferch abbiegen (kleines Hinweisschild!), der auf einer schmalen Straße durch den Wald erreicht wird. Von dort etwa einstündiger Fußmarsch auf meist steilem Weg zum Drachenfels.
- Strecke von Mannheim: etwa 37 Kilometer, Fahrzeit: ungefähr 42 Minuten
- Literatur: Alexander Schubert und andere (Herausgeber): Valentinian I. und die Pfalz in der Spätantike. Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung, Ubstadt-Weiher 2018.
Friedrich Blaul: Träume und Schäume vom Rhein, 1838, Nachdruck der vierten Auflage, Speyer 1982.
August Becker: Die Pfalz und die Pfälzer, 1858, Nachdruck Landau 1978.
Christian Mehlis: Der Drachenfels bei Dürkheim an der Haardt, Neustadt an der Haardt 1894. kba
Trotz mehrstündiger Begehung gelang es lediglich, zwei Stellen zu finden, die eventuell Spuren der Spätantike aufweisen: den Eingangsbereich auf der Südostseite mit der darüber liegenden Drachenhöhle und den Westfelsen. Über dem ehemaligen Torbereich erstreckt sich eine Art Galerie im Fels. Und auf deren Vorderseite hat sich Mauerwerk erhalten, das Verteidigern Schutz vor Beschuss geben konnte. Darüber fallen einige Balkenlöcher im Fels auf. Könnte es in der Spätantike eine Treppe zwischen Galerie und Drachenhöhle gegeben haben, die heute von oben erreichbar ist? Frauen, Kinder und Wertsachen in der sicheren Höhle, während Kämpfer den einzigen Zugang verteidigen? Zugegebenermaßen eine gewagte Theorie des Verfassers. Allerdings ließe sich dieser Bereich mit wenigen Leuten schützen, während für eine Besetzung des gesamten Plateaus Hunderte von Verteidigern nötig gewesen wären. Für die Theorie spricht auch, dass auf der Vorderseite der Drachenhöhle die Reste einer Mauer zu erkennen sind, die spätantiken Ursprungs sein könnte.
Ebenfalls ein Kandidat für eine Zuflucht der regionalen Bevölkerung: der 0,5 Hektar große Westfelsen. Ein Graben trennt ihn vom restlichen Plateau ab. Ein Stück Mauer hat sich erhalten, und Plattformen deuten auf mögliche Standorte von Häusern hin. Grob geschätzt hundert Menschen hätten hier Zuflucht finden können. Eine weitere Spur auf dem Plateau entpuppt sich als Flop. Die etwa 1,50 Meter hohe Sandsteinstele ist ein Vermessungsstein aus dem 19. Jahrhundert.
Der Berg bietet Rätsel über Rätsel, die nur Ausgrabungen lösen können. Doch die meisten Besucher interessiert das wenig. Sie sehen sich die Drachenkammer an, klettern über einen nicht ungefährlichen Abgang zur Drachenhöhle hinab und genießen die grandiose Aussicht über den Pfälzerwald, „blauer Himmel und tiefgrüner Wald“, wie August Becker in seinem berühmten Buch „Die Pfalz und die Pfälzer“ von 1858 schwärmt.
Wie aber kam der Drachenfels zu seinem Namen? Um die Mitte des 18. Jahrhunderts werden Handschriften des Nibelungenlieds entdeckt. Bald stellt sich unter anderem die Frage nach den Vorbildern für die Schauplätze der Handlung. Laut Becker „lebt die Sage im Mund des Volkes“, wonach ein Schmied, bei dem Siegfried in die Lehre geht, den Helden zur Höhle auf dem Drachenfels geschickt haben soll, angeblich um Holzkohle zu holen. Aber der Rauch, dem Siegfried folgt, stammt nicht vom Meiler eines Köhlers, sondern von dem Drachen. Eine böse Falle. Doch der Held besiegt das Ungetüm.
Christian Mehlis. der ansonsten nüchterne Wissenschaftler, versucht zu beweisen, dass der unbekannte Verfasser des Nibelungenliedes den Berg gekannt und ihn als Schauplatz für den Kampf Siegfrieds mit dem Drachen gewählt hat. In der Höhle soll dieser stattgefunden haben, während in der Kammer der Nibelungenhort gelegen haben soll. Das Fazit von Mehlis: „Der Drachenfels ist der ,heilige Berg’ des rheinischen Sigfridsmythus.“
Es gibt weitere Mythen. Becker schreibt über „Keltomanen“, die den Berg als alten Druidensitz und die Höhle als „Behälter der noch zu schlachtenden Menschenopfer“ ansehen. Auch Johann Georg Lehmann (1797 bis 1876), ein Pionier der pfälzischen Geschichtsforschung, ist sicher, dass auf dem Berg Druiden hausten, und „mancher Gefangene oder Bekenner des Kreuzes mag in dieser schauerlichen Höhle den abscheulichen Druiden-Göttern als ein blutiges Opfer gefallen seyn“. Der Pfarrer und Schriftsteller Friedrich Blaul beschreibt in seinem 1855 erschienenen Buch „Träume und Schäume vom Rhein“ ebenfalls die Drachenkammer. Es fällt auf, dass dieses Duo weder Ringwälle noch Drachenhöhle erwähnt. Während Blaul noch über eine Leiter in die Drachenkammer gelangt, steigt Becker wenig später über eine „von den Forstleuten in jüngster Zeit“ angelegte Treppe hinab. Die Drachenhöhle dagegen dürfte Mitte des 19. Jahrhunderts noch unzugänglich gewesen sein.
Etliche alte Straßen verlaufen unterhalb des Berges
Mehlis erkennt die keltischen Ursprünge der Befestigungen und die erneute Besiedlung in spätrömischer Zeit, doch dann geht wieder die Fantasie mit ihm durch: „So ward die verwunschene Druidenstätte zum römischen Kastell, so die Drachenhöhle, die vormals wohl Menschenopfer gesehen hatte, zum Beobachtungsposten eines gallischen Auxiliars (Angehöriger einer Hilfstruppe der römischen Armee), so der Wohnsitz des Druidenpriesters an höchster Stelle des Plateaus zum Prätorium (Amtssitz) des römischen Befehlshabers.“ Er berichtet über römische Funde: eine Kupfermünze aus der Zeit um 350 nach Christus, Keramik und Werkzeuge sowie mittelalterliche Scherben. Spätere Forschen finden daneben auch vorgeschichtliche Tonscherben. Das von ihm entdeckte 490 Meter lange Teilstück des großen Walls unterhalb des eigentlichen Drachenfelsens wertet Mehlis als Vorwerk zum Schutz des Westfelsens.
Einige der spätrömischen Anlagen wurden in der Karolingerzeit (751 bis 919 nach Christus) erneut genutzt, wovon auch Scherben vom Drachenfels zeugen. Als Standort dieser Wehranlage wird der Westfelsen genannt. Beweise dafür gibt es nicht.
So abseitig wie heute liegt der Drachenfels in der Antike übrigens nicht. Etliche alte Straßen verlaufen unterhalb des Berges. In keltischer Zeit beherrscht er sein Umland, später bietet er den Menschen der Region Zuflucht. Was aus ihnen geworden ist, ob sie ihren Feinden zum Opfer gefallen sind oder ob der Schutz des Berges ihr Überleben ermöglichte, das können nur Ausgrabungen klären.
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