Mannheim. Eigentlich ist Manfred Mann’s Earth Band ja „nur“ eine Coverband. Denn praktisch alle ihre Hits wurden von anderen Künstlern geschrieben. Aber die Frage ist immer, was man daraus macht. Und das ist im Fall des 83-jährigen Bandleaders und seinen Mitmusikern eben etwas ganz Besonderes, weshalb das Capitol beim Gastspiel der Truppe ausverkauft ist.
Manfred Mann's Earth Band: Der Zettel mit dem Refrain
Wie immer versteckt sich der Meister der schwarzen und weißen Tasten hinter einem breitkrempigen Hut, der sein Gesicht oft verschattet, und seinem voluminösen Keyboard-Turm. Gegen Ende hin geht er fast ein wenig aus sich heraus und kommt bei „Blinded by the Light“ ans Front-Mikro. Mit einem Zettel, auf dem der Refrain zum Mitsingen steht. Ob das nun ein Joke ist, weil er nach mehreren Jahrzehnten den immer noch nicht kennt oder eben eher auf sein Keyboard fixiert ist, bleibt sein Geheimnis. Dass er aber der Chef ist, macht er mehr als einmal mit bestimmenden Handbewegungen deutlich, wenn der eine oder andere Break ansteht.
In der ersten Hälfte kommen eher unbekanntere Songs zu ihrem Recht. Das merkt man auch an der Reaktion des Publikums. Das ist natürlich immer sehr gut drauf. Denn die meisten sind mit der Band aufgewachsen und kennen sie gefühlt schon seit Jahrzehnten. „Captain Bobby Stout“, „Don’t Kill It Carol“ und „Martha’s Madman“ sind solide Rock-Kunst.
Die lebt von den zwei Gegenparts auf der Bühne. Rechts Manfred Mann mit seinem Sammelsurium an Keyboard, Orgel, E-Piano und Synthesizer, links Gitarrist Mick Rogers. Wenn er, neben dem Bandleader das letzte verbliebene Gründungsmitglied der Earth Band aus dem Jahr 1971, loslegt, gibt es kein Halten mehr.
Bei „Blinded by the Light“ geht im Publikum die Post ab
Seine filigranen, melodischen Soli holen im Publikum alle ab. Wenn sich dann noch Rogers und Mann gegenseitig die Bälle zuspielen, schäumt die Stimmung über. Das ist deutlich im zweiten Teil des Sets zu spüren. „Father of Day, Father of Night“ von Bob Dylan leitet über dem Mitklatsch-Song „For You“ aus der Feder von Bruce Springsteen. Spätestens jetzt sind auch die Letzten wach. Denn sie wissen, was kommt: „Blinded by the Light“, ebenfalls von Springsteen, und „Davy’s on the Road Again“ von John Simon. Einfach perfekt, damit alle auf den Emporen-Stühlen stehen und im Parkett die Post abgeht.
Nach dem „Pretty Flamingo“, dem einzigen eigenen Stück, wird beim „Do-Wah-Diddy“ aus dem Capitol ein einziger großer Chor. Weil’s so schön war, gibt es noch mal „For You“ zu hören, ehe dann der krönende Abschluss kommt, auf den alle gewartet haben: „Quinn the Eskimo (The Mighty Quinn)“ aus der Feder von Bob Dylan.
Die Augen im Publikum leuchten, die eingerosteten Gelenke werden wieder geschmeidig, die Stimmen sind bestens geölt: Besser könnte ein Konzert nicht enden. Auf dieser Begeisterungs-Welle surft auch die Band. Mick Rogers macht bald die 78 voll. Drummer John Lingwood ist auch schon 73, Bassist Steve Kinch wird bald 70. „Youngster“ der Truppe ist Sänger Robert Hart mit seinen 65 Jahren. Nach über 100 Minuten gehen die Senioren von der Bühne und haben gezeigt, dass Rockmusik scheinbar die beste Medizin gegen das Altern ist. Mit nur zwölf Songs haben sie den Auftritt bestritten.
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