Mannheim. Wer kennt das nicht? Die Familie trifft sich, zwischen drei Essen in fünf Stunden wird Jägermeister als Magenkleister gereicht. Der Tinder-Lover der Schwester hat selbiger das Konto leergeräumt, und als hätten dem vegan lebenden Bruder die Marotten der Sippe nicht schon genug auf den Magen geschlagen, packt ihm Muttern zum Abschied auch noch Schweinebauch mit brauner Soße in die Tupperdose.
Ein Heimspiel für den Wahl-Mannheimer Rainer Schacht
„Familienfest“ heißt das neue Programm der Feisten, das so liebevoll-bissig und pointenreich ist wie der titelgebende neue Song des Duos. Das Gastspiel im voll besetzten Capitol ist fast ein Heimspiel für die beiden gebürtigen Göttinger, schließlich lebt der Multiinstrumentalist Rainer Schacht in Mannheim. Entsprechend enthusiastisch feiert das Publikum die beiden Musik-Comedians vom ersten Song an, grüßt schon bei „Wir sagen Hallo“ textsicher zurück.
Die zwischenmenschlichen Absurditäten des Alltags
Geschichten aus der Mitte des Lebens und der Gesellschaft sowie die zwischenmenschlichen Absurditäten des Alltags ziehen sich durch die Texte der Feisten. Man sei ja nun in einem Alter, wo man Familie erst so richtig zu schätzen wisse, bekennt Sänger Mathias „C“ Zeh. Mit dem Verhältnis zum eigenen Körper verhält es sich offenbar umgekehrt: Der sei - über die Jahre nicht gerade pfleglich behandelt - „vom Tempel zur Einzimmerwohnung ohne Balkon“ geschrumpft. Die großteils lebenserfahrenen Zuschauer wissen, wovon das Duo singt - nicht nur bei hervorragend gealterten Klassikern wie dem „Junggesellenabschied über 50“ oder „Mit Andrea bei IKEA“, wo das Möbelhaus zur Stiftung Warentest für den Beziehungsstatus wird, sondern auch, wenn es um jene „Tage“ geht, die aus der Gattin ein Monster machen. Den Bonustrack zum Thema Wechseljahre gibt’s direkt im Anschluss.
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Ähnlich trocken und reich an Wortspielen ist „Beifahrer“ zum Kommunikationsverhalten von Mann und Frau im Auto. Rainer Schacht hatte das Thema mal für seine (nie geschriebene) Bachelorarbeit an der Uni Göttingen in Erwägung gezogen. Im Song übernimmt er den Part der Gattin, deren ungefragter Sprachdurchfall den Gatten am Steuer so in Rage bringt, dass er ihr in formvollendeter Höflichkeit nahelegt, doch in Erwägung zu ziehen, einfach „die Fresse“ zu halten. Dass sie das tut, ist am Ende aber auch nicht recht. Emotionen äußerten sich bei Männern und Frauen nun mal unterschiedlich, erklärt C. „Gefühle von Frauen sind wie die Farben eines Regenbogens, die von Männern eher wie ein Vierfarbkuli.“
Den Kreuzfahrt-Trend nimmt das Duo ebenso aufs Korn wie die typische Bätschela-Karriere. Auch die Not mit der Notdurft ist Thema: Wenn Sanifair die Piesel-Preise an den Autobahnraststätten von 70 Cent auf einen Euro erhöht, bleibt eine Line-Dance-Einlage die einzige Option, ein Unglück zu verhindern.
James Bond durch den Wolf gedreht
Gesanglich wie musikalisch brillant ist auch die Liebeserklärung an den deutschen Schlager - zum Refrain des Bernd-Clüver-Hits „Der Junge mit der Mundharmonika“. Und an „007“, das gesungene Drehbuch, das das Genre Action-Film in immer neuen aberwitzigen gedanklichen Wendungen durch den Wolf dreht. Zwei Zugaben erklatscht sich das Publikum - und darf sich jetzt schon auf den 16. Oktober freuen, wenn das Musik-Comedy-Duo zum nächsten Mal im Capitol auftritt. Möglicherweise kommen dann auch ein paar „Mitgenommene“: Alle, die nicht freiwillig im Saal saßen, belohnten die Feisten für ihr Durchhalten mit einer ans Zwerchfell gehenden Hommage.
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