Konzert

Planet Ears in Mannheim: Joss Turnbull und Stefan Fraunberger in der Alten Feuerwache

Die Musiker Joss Turnbull und Stefan Fraunberger spielen in der Alten Feuerwache Mannheim auf den klassischen iranischen Instrumenten  - und schaffen mit elektronischen Effekten ganz neue Klangwelten

Von 
Martin Vögele
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Santur-Spieler Stefan Fraunberger (l.) und Perkussionist Joss Turnbull beim Konzert im Studio der Alten Feuerwache Mannheim. © Martin Vögele

Mannheim. Die Musiker Joss Turnbull und Stefan Fraunberger spielen auf den klassischen iranischen Instrumenten Tombak und Santur im Studio der Alten Feuerwache Mannheim. Dabei erschaffen sie mithilfe elektronischer Effekte ganz neue Tonwelten.

Turnbull und Fraunberger spielen Auftakt-Konzert des Festivals Planet Ears

Es ist ein bisschen, als würden sie aus den Klangfäden der Vergangenheit ein Gegenwartsbild weben. Oder als würden ihre Tonschöpfungen, wenn man sich diese um einen Zeitstrahl geschlungen denkt, zugleich Impulse in beide Richtungen aussenden.

Die beiden spielen ein Konzert, das von Planet Ears präsentiert wird, dem Festival für weltweite Gegenwartskultur, das die Feuerwache und das Mannheimer Kulturamt gemeinsam ausrichten. Auf einem Festival, dem „Irtijal“ für experimentelle Musik, hatten sich die beiden Klangkünstler auch 2019 in der libanesischen Hauptstadt Beirut kennengelernt, wie Turnbull zur Begrüßung erzählt.

Das Duo spielt zwei iranische Instrumente: die Santur und die Tombak

Fraunberger spielt die Santur, ein iranisches Instrument aus der Hackbrett-Familie. Turnbull spielt die Tombak, eine Kelchtrommel und ebenfalls ein klassisches Instrument der persischen Kunst- und Volksmusik. Der Abend markiere eine Premiere, an der die beiden erstmals gemeinsam in der Kombination dieser beiden Instrumente musizieren, „die traditionell eine ganz alte Geschichte teilen“ und ein „typisches, klassisches iranisches Duo“ sind, so der Perkussionist.

Aber man ahnt (und wer den Planet-Ears-Intimus Turnbull kennt, weiß), allzu klassisch, sprich: konventionell, wird es bei der einstündigen Improvisation nicht zugehen. Die Instrumente der beiden mögen lange Zeit vor jeder Elektrifizierung erfunden worden sein. Aber sie haben eine ganze Batterie von Effektgeräten und Sound-Steuereinheiten in Stellung gebracht, die gleichsam zu Türen in die tonale Mehrdimensionalität werden.

Düstere Dynamik und irisierende Farben: Fraunberger und Turnbull experimentieren

Die anfängliche Weite der Stille, wird behutsam mit ersten Regungen gefüllt, mit der ersten metallisch schimmernden Saitenvibration der Santur, in deren Nachhall sich spröde Trommelschläge aufrichten. Schwingungen der Instrumente werden im Experimentalraum eingefroren, überlagern sich in gleißenden, irisierenden Farben. Bald hören wir schleifende Redundanz-Rotationen, flirrende Automatengeräusche und zuckende perkussive Sounds.

Aus wiedergewonnener Stille heraus beginnen Fraunbergers Santur-Töne wie Regen zu fallen, bilden einen ästhetischen Schleier, der indes von Irritationen, kleinen atonalen Sprüngen durchsetzt ist (es erinnert an den Soundtrack zu einem Film von Schreckensmeister Dario Argento).

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Turnbulls Trommel schabt und tänzelt, erzeugt in gemeinsamem Spiel eine wundersame düstere Dynamik, die schließlich, fast lawinenartig, in einen geradewegs orchestral geweiteten Klangschlund hinein stürzt, von hämmernden Kapriolen begleitet. Dann irgendwann schichtet das Hackbrett hohe Wogen auf, Turnbulls Finger zeichnen wirbelnde Muster auf die Tombak, und während aus elektronisch erweckten Tiefen malmende Bässe grollen, stiebt obenauf eine schäumende Gischtkrone hinaus ins Offene.

Es ist nicht in jedem Moment leicht zugänglich, was Fraunberger und Turnbull hier kreieren. Aber ein lohnenswertes künstlerisches Erlebnis, ihnen dabei zu folgen.

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