Aufklärung, große Auswahl an zugänglichen und sicheren Verhütungsmitteln können die Anzahl an ungewollten Schwangerschaften reduzieren. Dennoch kann es trotzdem zu ungewollten Schwangerschaften kommen. Frauen haben in Deutschland dann das Recht darauf, bis zur vollendeten zwölften Woche nach der Befruchtung diese abzubrechen. Dabei müssen jedoch vorher viele Dinge beachtet und eingehalten werden, wie beispielsweise eine Schwangerschaftskonfliktberatung.
Die entsprechenden Gesetze sind jedoch stark veraltet und erfordern eine Reform. Erste Schritte soll die Abschaffung des Paragrafen 219a*, der die Werbung für den Abbruch einer Schwangerschaft thematisiert, darstellen. Um mehr über Schwangerschaftsabbrüche zu erfahren, hat die BAnane-Jugendredaktion ein Interview mit Katharina Rohmert von pro familia geführt.
Wie informieren und beraten Sie bei pro familia über Schwangerschaftsabbrüche?
Katharina Rohmert: Zunächst wird gefragt, was die Klienten wissen möchten und was sie gegebenenfalls bereits recherchiert haben oder schon wissen. Zudem wird sich darüber erkundigt, was und ob die Gynäkologen schon beraten haben, dies ist jedoch meistens nicht viel. Es wird gefragt, ob die Entscheidung schon feststehe oder ob es Ambivalenzen gibt. Soziale Unterstützungsmöglichkeiten werden beraten, Infomaterial ausgehändigt bei Bedarf. Die Möglichkeiten der Methoden werden genau beschrieben und Vor - und Nachteile erörtert. Adressen regionaler Anbieterinnen und Anbieter werden besprochen und ausgehändigt, Modalitäten in den Praxen besprochen.Vor dem Abbruch wird eine Blutabnahme gemacht, zur Bestimmung der Blutgruppe. Des Weiteren wird über eine Kostenübernahme durch das Land Hessen mit Antragstellung bei der Krankenkasse erklärt. Die Gesetzeslage wird besprochen und der Beratungsschein wird ausgehändigt, wichtig dabei ist die drei Tage Wartezeit zwischen Beratung und Abbruch. Außerdem werden mögliche Verhütungsmittel nach dem Eingriff erörtert.
Eine Beratung ist grundsätzlich in Präsenz, mit Begleitung, mit Dolmetscherinnen und Dolmetschern, per Telefon oder Video möglich.
Wie sehen Sie Schwangerschaftsabbrüche und deren Werbung beziehungsweise Informationen dazu, da Sie auch medizinische Referentin sind, aus medizinischer Sicht?
Katharina Rohmert: Es gibt ein Recht der Menschen auf Information zu allen Fragen der reproduktiven Gesundheit, dazu zählt auch ein Schwangerschaftsabbruch. Es muss in einem modernen Gesundheitssystem eine Selbstverständlichkeit sein, niederschwellig, umfassend, verlässlich und evidenzbasiert zu informieren – ohne thematische Ausnahmen. Der Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs (§219a StGB) stellt einen unzulässigen Eingriff in die Berufs- und Meinungsfreiheit der Ärzte und Ärztinnen dar.
Die Ärzte und Ärztinnen spielen im Rahmen des Sicherstellungsauftrags der Länder zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen eine zentrale Rolle. Einen Versorgungsauftrag zu erfüllen, darüber nicht informieren zu dürfen oder andernfalls sich strafbar zu machen, ist nicht vereinbar. Es ging nie um Werbung beim §219a StGB, Gerichtsverfahren zu Verstößen gegen Werbung im eigentlichen Sinn gab es nicht. Stattdessen wurden Informationen von Ärzten und Ärztinnen unter Strafe gestellt.
Was halten Sie davon, dass Paragraf 219a abgeschafft werden soll? Sind diese Gesetze noch zeitgemäß?
Katharina Rohmert: Pro familia begrüßt das Vorhaben zur Abschaffung des §219a StGB ausdrücklich. Allein dies kann Rechtssicherheit für Ärzte und Ärztinnen herbeiführen und uneingeschränktes Recht auf informationelle und reproduktive Selbstbestimmung für betroffene Frauen sicherstellen.
Sollte ebenso jeder Gynäkologe über Schwangerschaftsabbrüche informieren und diese auch anbieten?
Katharina Rohmert: Jeder Gynäkologe und jede Gynäkologin sollte sachlich und fachlich korrekt über Schwangerschaftsabbrüche informieren. Falschinformationen wie beispielsweise „10 Prozent der Frauen können nach Schwangerschaftsabbruch keine Kinder mehr bekommen“, ist grob fahrlässig und sollte in jedem Fall unbedingt vermieden werden.
Es wäre wünschenswert, wenn mehr Ärzte und Ärztinnen Schwangerschaftsabbrüche in ihrer Weiterbildung lernen würden und diese auch anbieten würden. Insbesondere der medikamentöse Schwangerschaftsabbruch lässt sich doch gut in den Praxisalltag integrieren. Deutsche Leitlinien für Schwangerschaftsabbrüche werden gerade erstellt, dies ist seit Langem notwendig. Längst gibt es die WHO-Leitlinien oder sehr gute englische Leitlinien, in Deutschland bisher Fehlanzeige!
Ist eine Reform oder sogar Abschaffung des Paragrafen 218** notwendig?
Katharina Rohmert: Das ist dringend notwendig. Wir wünschen uns eine Reform des Schwangerschafts-Konfliktgesetzes hin zu einem umfassenden „Gesetz für sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte“, auf der Basis internationaler Vereinbarungen.
Das Recht auf Beratung muss natürlich erhalten bleiben, ebenso wie eine flächendeckende Versorgung mit Beratungsstellen.
Svenja Thomas
*Paragraf 219a Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft
**Paragraf 218 Schwangerschaftsabbruch
Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/bananeweb_artikel,-bananeweb-pro-familia-bensheim-ein-recht-auf-information-zum-schwangerschaftsabbruch-_arid,1915845.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.profamilia.de/angebote-vor-ort/hessen/bensheim/