Wohnungsnot

Warum aus Büros nicht einfach Wohnzimmer werden können

In vielen Großstädten stehen massenhaft Büroflächen leer. Sie in Wohnraum oder Schulen umzuwandeln, klingt verlockend - hat aber mehrere Haken

Von 
Sabine Rößing
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Frankfurt will einen Bürokomplex im Stadtteil Hausen künftig als Schule nutzen – ein teures und mühsames Vorhaben. © Frank Rumpenhorst/dpa

Frankfurt. Ausgerechnet am ehrgeizigsten Projekt scheiden sich die Geister: Weil Frankfurt dringend Raum braucht für Schulen, hat die Stadt einen fast 46 000 Quadratmeter großen und beinahe komplett verglasten Bürokomplex angemietet. Die Lateral Towers im Stadtteil Hausen beherbergten bis 2010 die Deutsche Börse, seit 2013 die Commerzbank. Dass jetzt die Stadt zum Zuge kommt, hat vermutlich auch damit zu tun, dass solvente Immobilienentwickler für Großprojekte in diesen Tagen nicht gerade Schlange stehen. Anders als auf dem angespannten Wohnungsmarkt ist die Nachfrage nach Büroflächen komplett eingebrochen. In der Bankenmetropole stehe aktuell beinahe jeder zehnte Quadratmeter Bürofläche leer, melden Makler verzweifelt.

„Viele Eigentümer beschäftigen sich mit diesem Thema“

Und Frankfurt hat dieses Problem beileibe nicht allein. Vor allem größere Städte und Ballungsräume haben mehr oder weniger an beiden Enden zu kämpfen: Während Wohnraum so knapp ist wie selten zuvor, finden sich konjunkturbedingt für Büros und Gewerbeflächen immer weniger Interessenten.

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Der ungebrochene Trend zum Homeoffice, die Krise im Einzelhandel, teure Sanierungsauflagen, hohe Finanzierungskosten, sinkende Gebäudebewertungen und politische Unsicherheit: Der Markt für Gewerbeimmobilien befindet sich im Dauer-Abschwung. Der Immobiliendienstleister Jones Lang LaSalle zählte Ende 2023 so wenige Transaktionen wie seit 14 Jahren nicht mehr. „Büro-Leerstände steigen weiter an und vor allem für schlecht ausgestattete, ältere Büros nimmt der Druck auf die Eigentümer zu, in die Flächen zu investieren, sagt Helge Scheunemann von JLL Deutschland.

Weil gleichzeitig Wohnungen fehlen, ließe sich aus der Not eine Tugend machen und Büro- in Wohnraum oder soziale Infrastruktur umwandeln. „Viele Eigentümer und Immobilien-Entwickler beschäftigen sich mit diesem Thema, deutlich mehr als noch vor zwei oder drei Jahren“, beobachtet Scheunemann.

Auch nach Ansicht der Bundesregierung ist die Umwidmung eine fördernswerte Idee. Geplant ist laut Bundesministerium für Wohnen und Stadtentwicklung (BMWSB), für geeignete Gewerbeimmobilien ein zusätzliches KfW-Förderprogramm aufzulegen. Das Ministerium sieht ein Potenzial von bis zu 235 000 neuen Wohneinheiten.

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Allerdings wird die angekündigte KfW-Förderung erst ab dem nächsten Jahr kommen. Zwar könne die Umwandlung von Büro in Wohnraum schon jetzt bezuschusst werden, erklärt eine Sprecherin. Unterstützt werde bislang aber ausschließlich die Energieeffizienz. Die künftige Förderung solle dann auch den hohen Planungsaufwand im Hinblick auf die Einhaltung von baurechtlichen Vorschriften und Brandschutzvorgaben mitabdecken.

Balkone sind nur schwer anzubringen

Und diese Auflagen haben es in sich: Oft stehen Bürogebäude nämlich in Gebieten, die laut Flächennutzungsplan als Gewerbegebiet ausgewiesen sind und nicht einfach als Wohnraum ausgeflaggt werden dürfen. „Die Änderung eines Bebauungsplans kann sehr lange dauern, wir sprechen hier teilweise von Jahren“, betont Scheunemann.

Außerdem werden Bürogebäude eben nicht dafür entworfen, eines Tages als Wohnhaus oder Schule zu dienen: Technische Ausstattungen und Versorgungseinrichtungen sind ausgelegt auf eine gewerbliche Nutzung: Balkone sind nur schwer anzubringen, die Wasserversorgung ist oft unterdimensioniert, Leitungsschächte sind nicht für viele individuelle Wohnungen ausgelegt. Schallschutzauflagen und Brandschutz erfordern Umbauten.

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Oft fehlt zudem eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, an Schulen, Grünanlagen oder Einkaufsmöglichkeiten. Dennoch geht JLL davon aus, dass die durchschnittlichen Umbaukosten für die Umnutzung von Büroflächen im Durchschnitt deutlich niedriger ausfallen als für einen Neubau.

In der Mainmetropole stehen derweil die städtischen Kassenprüfer Kopf. Die ehemaligen Gebäude der Deutschen Börse seien überteuert, verbrauchten zu viel Energie und seien für Schulzwecke ungeeignet, kritisiert das städtische Revisionsamt. Allein für die Miete sind rund 13,2 Millionen Euro jährlich fällig, bei einer Laufzeit von 30 Jahren. Doch die Stadt hat keine Wahl: Man brauche in den kommenden Jahren mehr als 20 neue Schulen, argumentiert die Bildungsdezernentin Sylvia Weber (SPD).

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