Gesundheit

Stiftung Warentest: Kinder brauchen keine Nahrungsergänzungsmittel

Stiftung Warentest warnt vor Nahrungsergänzungsmitteln für den Nachwuchs. Eine gesunde Ernährung reiche für die Entwicklung aus.

Von 
Wolfgang Mulke
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Nahrungsergänzungsmittel für Kinder sehen oft aus wie Gummibärchen. Stiftung Warentest hat 18 Präparate untersucht. © Christin Klose/dpa-tmn

Berlin. Der fröhliche Fisch trägt einen Doktorhut und lacht die Kundschaft an. Seine Werbebotschaft richtet sich an Eltern. Die Packung enthält Geleeteilchen mit Erdbeergeschmack, vor allem aber mit Omega-3-Fettsäuren. Auf der Verpackung eines anderen Nahrungsergänzungsmittels jongliert ein Comic-Bär mit „Erdbärchen“, die vor allem verschiedene Vitamine enthalten. Sie sind wie Süßigkeiten aufgemacht und schmecken mitunter auch so. Die Stiftung Warentest hat 18 Präparate unter die Lupe genommen und ist zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen: „Überflüssig sind alle.“

Am Anfang steht die Sorge vieler Eltern, ihrem Kind könnte es an Nährstoffen mangeln. Oder es steht im Schulstress und das mitten in der Erkältungszeit. „Welche Eltern würden ihrem Kind nicht helfen wollen?“, fragt die Ernährungsexpertin der Stiftung, Nicole Merbach. Da greifen viele Mütter oder Väter ins Regal mit Nahrungsergänzungsmitteln für Kinder. „Besonders beliebt sind Bärchen“, weiß Merbach.

Nur ein Produkt war frei von Mängeln

Das Ergebnis der Untersuchung ist nach Einschätzung des Studienleiters Holger Brackemann „alarmierend“. Nur ein Produkt war frei von Mängeln. 15 Hersteller überschritten die empfohlenen Mengen an Zusatzstoffen. Von fünf Produkten raten die Tester ganz ab: Easyvit Fishoil Multi, Doppelherz System Omega-3 Family, Orthomol Junior C Plus, Centrum Kids Multi Vitamin Gummies sowie Hübner Multivital Kids. Hauptgrund für die Warnung vor diesen Präparaten ist ein viel zu hoher Gehalt an Vitamin A.

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„Kinder sollten besser gar kein Vitamin A extra nehmen“, raten die Experten. Denn ein Überschuss reichert sich im Körper an. Zu viel davon kann zu Kopfschmerzen, Haut-, Knochen- und Leberproblemen führen.

Nur ein Anbieter hielt sich beim Test an die Mengenempfehlungen und die Regeln für Werbung, Deklaration und Warnhinweise. Dabei handelt es sich um Abtei Kinder Vitamin D3. Dabei können Kinder den Bedarf an diesem Vitamin auch ohne zusätzliche Mittel decken, indem sie Zeit im Freien verbringen. Empfohlen wird eine Extraaufnahme auch allenfalls bis zum 2. Geburtstag.

Eine gesunde Ernährung ist bei Kindern völlig ausreichend. © picture alliance/dpa

Trotz der häufigen Kritik von Fachleuten an Nahrungsergänzungsmitteln boomt die Branche. „Fünf Prozent der Kinder bekommen Nahrungsergänzungsmittel“, sagt Brackemann. Das hat das Robert-Koch-Institut in einer Studie ermittelt. So sind auch die auf Kinder zugeschnittenen Produkte ein Milliardengeschäft. Laut Stiftung kann ein Präparat auf ein Jahr gerechnet schon mal 600 Euro vom Familienbudget verschlingen. "Die Hersteller verkaufen Eltern Produkte, die Kinder nicht brauchen, und ignorieren weitgehend wissenschaftliche Empfehlungen zum Schutz der Gesundheit", kritisiert die Stiftung.

Dabei hilft der Industrie eine mangelnde Regulierung dieses Marktes. Weder gibt es feste Obergrenzen für bestimmte Inhaltsstoffe, noch müssen die Präparate zugelassen werden. Nahrungsergänzungsmittel darf jeder auf den Markt bringen. Es sind rechtlich betrachtet Lebensmittel. Die Verbraucherzentralen fordern daher ein verpflichtendes Zulassungsverfahren für diese Pillen und Bärchen.

Werbung für Energydrinks in der Kritik

Auch auf einem andern Gebiet muss sich die Industrie Kritik gefallen lassen. Die Verbraucherorganisation Foodwatch prangert Werbeaktivitäten der Hersteller von Energydrinks an. Unternehmen wie Red Bull, Monster und Rockstar würden entgegen eigener Aussagen systematisch bei Minderjährigen werben, etwa durch TikTok-Influencer oder Sponsoring von Events rund um Computerspiele und Sportveranstaltungen.

Einer Studie des Münchner Uniklinikums zufolge trinken Kinder bereits mit etwa neun Jahren den ersten Energydrink. Regelmäßig greift demnach jeder vierte Minderjährige zum aufputschenden Koffeingetränk. Eine Folge kann ein erhöhter Blutdruck sein, der das Auftreten von Herzrhythmusstörungen begünstigt.

Verschiedene Energy-Drinks der Discounter Aldi, Lidl und Edeka. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

„Obwohl der Konsum stetig ansteigt, verhindert in Deutschland die Industrie mit geschicktem Lobbying hier bisher jede Regulierung“, kritisiert Foodwatch. Die Organisation fordert ein Verkaufsverbot der Energydrinks bis zu einer Altersgrenze von 18 Jahren.

Das Problem hat die angehende Koalition aus Union und SPD anscheinend erkannt. Wie aus den Vorschlägen für einen Koalitionsvertrag hervorgeht, sollen die Koffeingetränke erst ab einem Alter von 16 Jahren freigegeben werden.

Korrespondent

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