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Winfried Kretschmann erklärt, warum der Südwesten Batterieland werden soll

Die Mannheimer Vortragsreihe „Wirtschaftspolitik aus erster Hand“ war zu Gast in Stuttgart. Ministerpräsident Kretschmann sprach über die Innovationskraft in Baden-Württemberg.

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Walter Serif
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Stargast Winfried Kretschmann bei der ZEW-Vortragsreihe „Wirtschaftspolitik aus erster Hand“. © Max Kovalenko

Das Wichtigste in Kürze

  • Ministerpräsident Kretschmann sieht Innovationskraft als Schlüssel für Baden-Württembergs Wirtschaftszukunft.
  • Kretschmann betont die Bedeutung neuer Technologien und Branchen in Stuttgart.
  • Er fördert auch die Verteidigungsbranche im Land.

Stuttgart. Die Vortragsreihe „Wirtschaftspolitik aus erster Hand“ gehört schon seit vielen Jahren zu den Highlights des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Immer wieder holt sich das Institut Promis aus Politik und Wirtschaft ins Haus. Und wenn das ZEW die Chance hat, einen Hochkaräter wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) für sich zu gewinnen, dann setzen sich Präsident Achim Wambach und seine Leute auch mal in den Zug und verlegen die Veranstaltung nach Stuttgart in die Zentrale der BW-Bank am Kleinen Schlossplatz.

Zwar schwebt Kretschmann als Landesvater in gewisser Weise über den Dingen, gleichwohl verkneift er sich nicht den ein oder anderen Seitenhieb auf den neuen Kanzler Friedrich Merz und Schwarz-Rot. „Ohne die Grünen hätte es diese Schuldenpakete nicht gegeben und dann hätte die Ampel weitermachen können“, betont Kretschmann die Verdienste seiner Partei. Das liegt selbstredend nicht daran, dass die Baden-Württemberger 2026 seinen Nachfolger wählen.

Doppelte Zeitenwende: Putin im Osten, Trump im Westen

Natürlich hofft Kretschmann, dass die Koalition den Karren nicht an die Wand fährt. Immerhin – zitiert er den früheren Grünen-Außenminister Joschka Fischer – steht Deutschland vor einer doppelten Zeitenwende. „Putin im Osten und Trump im Westen, das trifft es genau“, so Kretschmann. Und dies wiederum belegt für ihn, dass derzeit „alles von der Politik abhängt.“ Da muss der Ökonom Wambach kurz einschreiten. „Wir sollten die Macht der Finanzmärkte nicht unterschätzen. Trump hat ja bei seinem Zoll-Zickzackkurs immer auf die Börsen gehört“, sagt er.

Kretschmann widerspricht nicht und kommt wieder auf Merz zurück. „Wenn man im Wahlkampf große Töne gespuckt hat, dann landet man da, wo er jetzt gelandet ist“, formuliert er es in seinem unnachahmlichen Duktus. Doch bitte keine Depri-Stimmung, immerhin sitzen im Publikum auch Schülerinnen und Schüler des Albert-Magnus-Gymnasiums, die später im Beruf in die Hände spucken und das Bruttoinlandsprodukt steigern sollen. „Das Gute bei Merz ist ja: Er hat jetzt alle Fehler gemacht, die man machen kann, bevor er Kanzler geworden ist. Jetzt sind wir mal zuversichtlich, dass die Koalition in die Gänge kommt“, sagt Kretschmann. Aber: „Wenn diese Regierung scheitert, dann gute Nacht um sechs.“

Müssen wir alle mehr arbeiten?

Anders als Merz versteht es Kretschmann jedenfalls, die Botschaft besser unters Volk zu bringen. Dass die Deutschen insgesamt mehr arbeiten müssen, wenn sie ihren Wohlstand behalten wollen, das sieht Kretschmann genauso. Merz erweckt mit seinen Äußerungen aber den Eindruck, dass er die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für Faulenzer hält, die nur ihre Work-Life-Balance und die Vier-Tage-Woche im Kopf hätten.

Kretschmann geht da geschickter vor. Weniger arbeiten bei vollem Lohnausgleich? „Das geht nur, wenn wir Produkte machen, die andere nicht können. Da müssen wir dann aber schon besser sein.“ Und weil es daran gegenwärtig hapert, müssen die Deutschen natürlich „nicht weniger, sondern mehr arbeiten. Aber das gilt nur für die, die es auch können.“ Wer Kinder erzieht oder Familienangehörige pflegt, kann nicht fünf Tage die Woche Vollzeit ackern. Kretschmann weiß das. Und sagt es auch. Damit versachlicht er die Debatte.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (l.) und ZEW-Chef Achim Wambach bei ihrem gemeinsamen Auftritt in Stuttgart. © Max Kovalenko

ZEW-Chef Wambach will aber jetzt wissen, wie Kretschmann die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg sieht. „Sie sagen ja nie, das hat die alte Regierung in Stuttgart falsch gemacht – kein Wunder, Sie sind schon seit 14 Jahren im Amt“, lockt Wambach den Ministerpräsidenten und verweist auf den hohen Industrieanteil, der den Südwesten „gewaltig unter Druck“ setzt. Ein Problem: „Beim Auto stecken wir im tiefsten Umbruch seit 130 Jahren. Jeder vierte Neuwagen auf dem Weltmarkt hat einen elektrischen oder einen hybriden Antrieb, deshalb haben wir jetzt Probleme. Wir dürfen jetzt nicht die Pferde wechseln und müssen Batterieland werden im Südwesten“, sagt Kretschmann.

Baden-Württemberg braucht dennoch seiner Ansicht nach neue Standbeine. „Weltweit ist die Nachfrage nach Autos um vier Prozent zurückgegangen. Wir müssen unsere Wirtschaft breiter aufstellen und neue Felder erschließen“, sagt er.

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Wambach verweist darauf, dass die Voraussetzungen dafür nicht ganz so schlecht sind. „Baden-Württemberg ist bei Forschung und Entwicklung an der Spitze und verfügt über eine große Innovationskraft“, sagt er. Das sieht Kretschmann auch so: „Von der Innovationskraft hängt in der Wirtschaft am Ende alles ab, und die beginnt im Kopf“, sagt er, warnt aber auch: „Nicht wenige meinen, dass die Zukunft in der Vergangenheit liegt. Wir brauchen einen positiven Hang zur Veränderung. Innovation bleibt unser Lebenselixier.“

Und dann zählt Kretschmann auf, was er in den vergangenen Jahren alles gemacht hat. Das Thema Windräder hat er zur Chefsache erklärt und die Genehmigungszeiten von sieben Jahren auf vier Monate gesenkt. Wirklich? Zumindest war das im Landkreis Hohenlohe so. Die Entwicklung der Gesundheitswirtschaft, Luft- und Raumfahrt, Quantentechnologie, GreenTech – überall hat der Ministerpräsident mitgemischt. Dass er auf KI setzt, versteht sich von selbst. „Künstliche Intelligenz ist wie eine neue Dampfmaschine.“

Das renommierte belgische Institut Imec will im künftigen Ki-Innovationspark (Ipai) mit Autobauern und Autozulieferern an Autochips forschen. Das hat Kretschmann natürlich auch für den Südwesten gewonnen. „Wenn sich so ein Unternehmen hier ansiedeln will, müssen Sie als Ministerpräsident alles stehen und liegen lassen“, sagt er.

Doch damit nicht genug. Derzeit kümmert sich Kretschmann auch aktiv um die Sicherheits- und Verteidigungsbranche im Land, die sich Aufträge aus dem Sondervermögen Verteidigung sichern soll. Passt das zu einem Grünen-Politiker, der sich doch für den Frieden einsetzen muss? „Wir investieren nicht, um Krieg zu führen, sondern um ihn zu verhindern“, lautet da seine Antwort. Kretschmann wirkt nicht wie ein Politiker, der die letzten Monate seiner Amtszeit austrudeln lässt.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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