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Warum ist das ZEW Mannheim so erfolgreich?

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim hat in den vergangenen Jahren enorm an Bedeutunng gewonnen. Und zwar nicht nur in Deutschland

Von 
Walter Serif
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Der damalige ZEW-Chef Wolfgang Franz 2012 bei der Überreichung der Gutachtens der Wirtschaftsweisen an Bundeskanzlerin Angela Merkel. © Michael Kappeler/dpa

Mannheim. „Bitte zum ZEW!“ Der Taxifahrer versteht nur Bahnhof und schaut ratlos den Reporter an, der nicht wie üblich sein Rad für die kurze Strecke nach L7,1 in der Mannheimer Innenstadt nehmen kann. Es gießt nämlich in Strömen. Dass der Taxifahrer das „ZEW - Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung“ - so die offizielle Bezeichnung - nicht kennt, liegt wohl daran, dass noch keiner seiner Gäste es ihm als Zieladresse genannt hat.

Sogar Angela Merkel ließ sich nach Mannheim locken

Das ZEW mag für die Mannheimerinnen und Mannheimer ein - wie es auf Neudeutsch heißt - „Hidden Champion“ sein. Doch in der Fachwelt ist das ZEW alles andere als eine unbekannte Größe. Im Gegenteil: Das ZEW hat sich seit seiner Gründung 1991 zu einem der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in Deutschland und Europa gemausert. Auf einem anderen Blatt steht, ob Heinz König, der damals gemeinsam mit Ernst O. Schulze das Institut ins Laufen brachte, diese Erfolgsgeschichte bereits antizipierte.

Gegründet wurde das ZEW auf Initiative der baden-württembergischen Landesregierung, der Wirtschaft und der Universität Mannheim. Die Anfangsjahre waren schwierig. König und Schulze - das ZEW wird traditionell von einem wissenschaftlichen und kaufmännischen Direktor geleitet - mussten erst einmal kleine Brötchen backen. Mit 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie fünf studentischen Hilfskräften ging es los. Ihre Arbeitsgebiete umfassten die Themen Finanzmärkte, Arbeitsmärkte, Industrieökonomik, Unternehmensbesteuerung und Umweltökonomik.

ZEW erhält viele Forschungsgelder und Aufträge von Ministerien

„Die empirische Mikroökonomie war ein Markenzeichen des ZEW bei seiner Gründung 1991 und ein erheblicher Wettbewerbsvorteil unter meinem Vorgänger Hein König. Wenn Sie Analysen der Privathaushalte oder der Unternehmen machen wollen, brauchen sie bestimmte Techniken. Da hatten wir als ZEW ein Alleinstellungsmerkmal“, sagt Wolfgang Franz, unter dessen Ägide sich das ZEW zur vollen Blüte entwickelte. Sein Nach-Nachfolger Achim Wambach - Clemens Fuest blieb nur ein paar Jahre - betont, dass mittlerweile alle Forschungsbereiche ihre „eigenen Alleinstellungsmerkmale“ haben. Das wird auch honoriert. „Deshalb bekommen wir auch viele Forschungsgelder und Aufträge von Ministerien“, sagt Wambach.

Achim Wambach und Claudia von Schuttenbach – hier mit Landesministerin Petra Olschowski (M.) – bilden seit März 2024 die Doppelsitze beim ZEW. © ZEW

Anders als die anderen Wirtschaftsinstitute betreibt das ZEW keine klassische Konjunkturforschung. Warum? „Weil es die anderen schon tun. Da braucht es nicht auch noch eine Konjunkturprognose vom ZEW“, sagt Franz. Allerdings liefern die Forscher seit dem Gründungsjahr mit ihren ZEW-Konjunkturerwartungen einen Frühindikator für die wirtschaftliche Lage. Die Basis dafür bildet der ZEW-Finanzmarkttest - eine monatliche Befragung von Experten von Banken, Versicherungen und Finanzabteilungen ausgewählter Großunternehmen nach ihren Einschätzungen und Prognosen wichtiger internationaler Finanzmarktdaten.

Doch zurück zu den Anfängen. 1992 forscht das ZEW in einer Etage des Iduna-Hochhauses in der Nähe des Mannheimer Hauptbahnhofs. Bis 1996 ist es zusammen mit dem HUK-Gebäude das Zuhause für viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Danach bezieht das ZEW den Neubau im Quadrat L7,1 und rückt näher an die Universität.

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1993 veranstaltet das ZEW erstmals die Vortragsreihe „Wirtschaftspolitik aus erster Hand“, damals noch im Rittersaal des Mannheimer Schlosses. Promis aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft treten auf und stellen sich anschließend der Diskussion. 2008 landete das ZEW da einen besonderen Coup. Wolfgang Franz war es gelungen, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Mannheim zu locken. „Sie hat damals das erste Konjunkturprogramm verkündet. Das Fernsehen war auch da. Ich habe dafür gesorgt, dass das ZEW-Schild am Rednerpult recht hoch war, damit es jeder sehen konnte“, sagt Franz und macht einen kleinen Scherz: „Der Hörsaal war knallvoll, wir hätten Eintritt verlangen sollen.“

Doppelspitze mit Achim Wambach und Claudia von Schuttenbach

Wolfgang Franz leitete das ZEW von 1997 bis 2013. 1994 wurde er in den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung berufen, dadurch wuchs auch der Bekanntheitsgrad des ZEW. Franz blieb bis 1999 Wirtschaftsweiser. Daanch musste er das Beratergremium nach heftiger Kritik der Gewerkschaften wieder verlassen. 2003 gelang ihm aber ein überraschendes Comeback - diesmal auf dem Ticket der Arbeitgeber. Franz saß bis 2013 im Sachverständigenrat, vier Jahre sogar als Vorsitzender.

2016 übernahm Achim Wambach das Steuer und bildete gemeinsam mit Thomas Kohl, der 2004 Schulze als kaufmännischer Geschäftsführer abgelöst hatte, die Doppelspitze. Seit März 2024 hat Wambach eine neue Partnerin an seiner Seite: Claudia von Schuttenbach - die frühere Kanzlerin der Hochschule Mannheim - hat den Stab von Kohl übernommen, der in den Ruhestand gegangen ist.

Stets gute Noten bei der wissenschaftlichen Evaluierung

Während die dritte Generation - so das alte Sprichwort - oft alles in den Sand setzt, sieht es nicht so aus, als würde das ZEW unter der aktuellen Führung aus der Erfolgsspur geraten. „Das ZEW hat bei den sehr strengen Evaluierungen der Leibniz-Gemeinschaft, die alle sieben Jahre stattfinden, immer sehr gut abgeschnitten. Das ist für uns schon ein Gradmesser. Da schauen unsere Geldgeber darauf“, sagt Wambach, der sich um die Zukunft des ZEW keine Sorgen macht.

Zu den Geldgebern gehört auch der Förderkreis des ZEW, dem knapp 150 regionale und überregionale Unternehmen angehören. Außerdem auch bekannte Führungsfiguren wie Fuchs-Vorstand Ralph Rheinboldt, der Vorsitzender des Förderkreises ist. Dessen Jahresbudget beläuft sich auf einen sechsstelligen Betrag. Auch in der Wissenschaft gilt eben das alte Motto: ohne Moos nichts los.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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