Mannheim. Der Streit in der Ampelkoalition über die Schuldenbremse belastet die Haushaltsverhandlungen, die nach den bisherigen Plänen von SPD, Grünen und FDP noch in diesem Monat abgeschlossen werden sollen. Ob das klappt, steht aber in den Sternen. Denn die Partner sorgen immer wieder öffentlich für Unruhe. Zum Beispiel SPD-Chef Lars Klingbeil. Er nervte die Liberalen am Montag in einem Interview mit der klaren Forderung, dass die Bundesregierung die Schuldenbremse erneut aussetzen soll.
Schuldenfinanzierung kein Tabu, es kommt auf die Verwendung an
Klingbeils Begründung: Wenn die Bundesregierung einen Sparhaushalt verabschiedet, wird das Wachstum abgewürgt. Und einen Grund für das Aussetzen der Schuldenbremse gebe es ja mit dem Krieg in der Ukraine. „Ich will nicht, dass wir wirtschaftliches Wachstum gegen Rente oder gegen die Unterstützung für die Ukraine stellen“, so Klingbeils Botschaft via „Süddeutsche Zeitung“. Die FDP stellt sich aber eisern auf den Standpunkt: Man muss mit dem Geld auskommen, das man hat.
Und was ist, wenn die Bundesregierung zum Beispiel zusätzliches Geld für den Ausbau des Schienennetzes braucht? Dann, so Finanzminister Christian Lindner (FDP), müsse man halt das Deutschlandticket, das gegenwärtig 49 Euro kostet, teurer machen.
Auf den ersten Blick ist die Forderung nach einer Aussetzung der Schuldenbremse natürlich plausibel. „Grundsätzlich kann die Schuldenfinanzierung öffentlicher Investitionen in die Infrastruktur, die ökologische und digitale Transformationen aus ökonomischer Sicht durchaus begründet werden“, heißt es in einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim.
ZEW hat Zweifel an Verwendungszweck von zusätzlichen Schulden
Zusätzliche Verschuldungsspielräume müssten dann aber auch tatsächlich für zusätzliche öffentliche Investitionen genutzt werden. Und daran hat das ZEW so seine Zweifel. Mit Unterstützung der Strube Stiftung kommt eine Studie nämlich zu einem eher ernüchternden Ergebnis: Demnach würden zusätzliche Schulden eher zu Ausgaben im Konsumbereich im jeweiligen Haushaltsjahr statt zu nachhaltigen Investitionen führen.
Und wie kommt das ZEW zu diesem Befund? Die Wissenschaftler haben die finanziellen Spielräume im Bundeshaushalt untersucht und ermittelt, wofür das Geld ausgegeben wurde. „Zwischen 2015 und 2019 wurden rund 39,5 Milliarden Euro der zusätzlichen Haushaltsmittel für steigende konsumtive Ausgaben verwendet, während nur rund 13,2 Milliarden Euro für investive Ausgaben ausgegeben wurden. Dies entspricht einem Verhältnis von drei zu eins“, sagt ZEW-Experte Friedrich Heinemann.
Und was folgt daraus? „Eine Reform der Schuldenbremse, verknüpft mit einer nachweisbaren Erhöhung der Zukunftsquote, kann hier Abhilfe schaffen und eine stärkere Zukunftsorientierung der Ausgaben im Bundeshaushalt fördern“, sagt ZEW-Forscher Paul Steger.
Damit das Geld aber nicht wieder in den Konsum geht, sollen nach Ansicht von Heinemann „unabhängige Prüfgremien“ sicherstellen, dass größere finanzielle Spielräume für Investitionen und nicht für konsumtive Zwecke genutzt würden. Außerdem müsse - so der Haushaltsexperte - die Politik die ihr zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel stärker priorisieren oder für höhere Steuereinnahmen sorgen.
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