Welche allgemeinen Entwicklungen sind im stationären Einzelhandel zu beobachten?
Mannheim. Der Trend geht weg von großen Handelsflächen, und das gilt nicht nur für Mannheim. Am deutlichsten lässt sich das im ganzen Land an den ehemaligen Kaufhof- und Karstadt-Kaufhäusern festmachen, die nach zwei Insolvenzverfahren des Galeria-Konzerns geschlossen wurden. Fast überall sollen die Flächen anders genutzt werden. Weil das mit einem Umbau meist nicht zu erreichen ist, werden die Kaufhäuser abgerissen, wie auch in Mannheim in N 7. Außerdem verkleinern viele Unternehmen ihre Verkaufsflächen. In Mannheim haben C&A, Peek & Cloppenburg und Saturn davon Gebrauch gemacht. Diese Entscheidungen bestätigen den schon etwas länger andauernden Trend, dass Handelsflächen über dem ersten Obergeschoss zunehmend als unattraktiv gelten. Entwicklungen wie noch vor ein paar Jahren, als in O 7 und P 7 Bürogebäude umgebaut wurden, weil die Nachfrage nach Retailflächen über mehrere Geschosse sehr hoch war, sind vorbei.

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Was beeinflusst eigentlich die Höhe der Handelsmieten – und gelten die gleichen Gesetze wie auf dem Wohnungsmarkt?
Das Prinzip Angebot und Nachfrage gilt zwar auch auf dem Markt der Gewerbeimmobilien, trotzdem bestimmen hauptsächlich andere Einflüsse den Preis. „Je kleiner die Fläche ist, desto mehr kann ich als Vermieter pro Quadratmeter verlangen“, erklärt Konstantinos Krikelis, Prokurist und Director Office Leasing beim Immobilienvermarkter Jones Lang LaSalle (JLL). „Entscheidend ist allerdings die Lage.“
Was sind die besten Lagen in Mannheim?
Bestand die Toplage, die sogenannte 1a-Lage, früher im „L“ der Fußgängerzonen – also von der Kurpfalzbrücke über die Breite Straße, Paradeplatz und Planken bis zum Wasserturm – hat sich die Spitzenlage deutlich verlagert. Sie konzentriert sich nun auf den Bereich zwischen Strohmarkt und Wasserturm auf den Planken sowie die Seitenstraßen Richtung Kunststraße und Fressgasse. Für die Breite Straße spricht Krikelis „nicht mehr von einer 1a- oder 1b-Lage“, auch wenn dort einiges versucht werde, um die Lage aufzuwerten. Als Beispiele nennt er K 1 oder den Hotelneubau in T 1.
Wie ist das Preisniveau in der Mannheimer Innenstadt, und wie hat es sich zuletzt entwickelt?
Vor der Corona-Pandemie kannten die Ladenmieten nur eine Richtung: steil nach oben. „Ist der Einzelhändler mitgegangen, wurden Verträge verlängert. Wenn nicht, gab es eine kurze Marktansprache, und Ersatz war schnell gefunden. Die Liste war lang, jeder wollte auf die Planken“, erinnert sich der Experte. Zuletzt seien Spitzenmieten von 150 bis 160 Euro pro Quadratmeter registriert worden. Vor der Corona-Pandemie seien in der Toplage zwischen Wasserturm und Strohmarkt sogar 180 Euro gefordert worden. Diese Zeiten sind vorbei. „Wir liegen jetzt bei etwa 120 Euro“, sagt Krikelis. „Der Rückgang gilt analog für die 1b- und 2a-Lagen.“ Doch mit dem Abwärtstrend wollen sich einige Vermieter offenbar noch nicht abfinden. Der Redaktion sind kleine Läden mit Flächen unter 100 Quadratmetern in der Fressgasse bekannt, für die auch vor einem Jahr noch fast 180 Euro pro Quadratmeter aufgerufen wurden.
Welche Flächengröße ist besonders gefragt, und wo gibt es einen Mangel?
„Grundsätzlich sind kleinere Läden gefragter“, weiß der Immobilienfachmann. „Für 2000 bis 3000 Quadratmeter gibt es keine Nachfrage. Viele Gastronomieketten, die in die City wollen, ergreifen jetzt die Chance und bekommen auch etwas.“ Viele kleinere Läden in den Seitenstraßen stünden jetzt zur Vermietung. „Es kommt zu Verschiebungen innerhalb der City, weil Händler sich verbessern wollen.“
Welchen Einfluss hatte die Corona-Pandemie?
„Seit Corona hat sich die Situation eher verschlechtert“, sagt Krikelis. Als Beispiele nennt er die Modehäuser C&A und Peek & Cloppenburg, die ihre Verkaufsflächen deutlich verkleinert haben, „um die Kaufhäuser in etwas teureren Lagen wirtschaftlich betreiben zu können“. Inzwischen laufe man über die Planken und stelle fest, dass Läden leerstehen. „Das war vorher nicht der Fall.“ Die Pandemie hat, nicht nur in Mannheim, vormals übliche Verfahren außer Kraft gesetzt. Früher seien Läden noch weit vor Ablauf des Mietvertrags vermietet worden. „Als Passant haben Sie keinen Leerstand feststellen können.“ Wenn sich, wie jüngst, Insolvenzen bei den Mietern häufen und Verträge auf diese Weise abrupt enden, fehlt den Vermietern die Planbarkeit. „Wenn etwa eine Pizzeria in eine 1a-Lage drängt, ist das ein klassischer Trend, der mit Corona zusammenhängt. Es gibt aber auch ein Umdenken bei Vermietern, die bewusst Flächen leerstehen lassen, um eine größere, zusammenhängende Fläche zu schaffen und vielleicht einen Filialisten zu gewinnen.“
Auf den Planken fallen immer mehr Leerstände auf. Was sind die Gründe?
Viele Handelsketten – insbesondere im Bereich Textil und Schuhe – machen Verluste und müssen sparen. Auf der anderen Seite haben einige Vermieter immer noch Preisvorstellungen wie aus Zeiten vor der Pandemie. Wenn die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben ist, schließen die Händler eben ihre Läden. So hatte es etwa Tchibo kommuniziert. Geox musste ebenfalls sparen und ist nur noch in wenigen deutschen Innenstädten vertreten. Hinzu kommen Insolvenzen wie jüngst Schlemmermeyer oder Hallhuber. Bei Sidestep war es eine unternehmerische Entscheidung, alle Filialen zu schließen. „Wir haben momentan, auf die Innenstadt bezogen, ein Überangebot an Flächen im Vergleich zur Nachfrage“, erklärt Konstantinos Krikelis.
Ist Mannheim nicht mehr attraktiv – oder warum stehen die Interessenten nicht mehr Schlange?
Zu den zuvor genannten Gründen kommt hinzu, dass einige Unternehmen ihre Mehrfachstandorte aufgegeben haben, wodurch Flächen frei geworden sind. Durch Optimierungen bei der Lage – Krikelis nennt als Beispiel die Drogeriemarktkette dm – seien Unternehmen immer näher an die Toplage herangerückt. Ein weiterer Grund: „Es gibt wenig neue Marken, die Richtung Mannheim expandieren wollen.“ In Q 6/Q 7 oder in der ÖVA-Passage seien zudem neue Flächen geschaffen und neue Konzepte dorthin gelockt worden. Und er gibt zu bedenken: „Die Planken sind nicht die Frankfurter Zeil oder die Stuttgarter Königstraße, wo sich immer wieder mal Konzepte neu beweisen wollen.“ Beispiele für neue Marken und Konzepte in Mannheim waren zuletzt Sally’s Welt in Q 6/Q 7, Elbenwald oder Monki. „Mannheim ist immer noch ein Magnet. Vielleicht müssen Timing und Konzept für die richtige Fläche passen.“
Gab es eine solch rasante Veränderung schon einmal?
„Ich denke nicht, dass es den Trend schon mal gab“, gibt Krikelis zu. „Aber er war absehbar und wurde durch Corona noch mal beschleunigt. Mit dem Bau von Q 6/Q 7, der größten innerstädtischen Entwicklung Mannheims, ist sehr viel Retailfläche auf den Markt gekommen. Es ist nicht nur eine Reduktion, sondern auch eine Verlagerung.“
Wie kann die hohe Qualität des Handels gehalten werden?
Der Immobilienexperte appelliert an die Eigentümer: „Wichtig ist, dass wir die Attraktivität weiter hochhalten und vielleicht das eine oder andere neuere Konzept nach Mannheim bekommen. Das sollte das Ziel sein – und nicht einfach die Fläche mit einem Gastronomen oder Ein-Euro-Geschäft zu füllen, um den eigenen Cashflow zu sichern. Da kann man auch als Vermieter Einfluss nehmen, etwa, wie die Schaufenster beklebt sind oder wie die Öffnungszeiten eines Ladens sind.“
Was macht die Innenstadt insgesamt attraktiv?
Einzelhändler und deren Verbände betonen immer wieder, dass sich der Innenstadthandel vom Onlinegeschäft abheben und etwas bieten muss, womit das Internet nicht mithalten kann – Kunst, Ausstellungen, Musik oder Genuss. Als „gutes Beispiel“ bezeichnet Krikelis Aktionen wie zuletzt die Messe „Automobil“, verschiedene Aktionen des Südlandhauses, von Engelhorn in der Weihnachtszeit oder Veranstaltungen wie „Wein und Genuss“. So werde das Einkaufen mit einem Erlebnis verbunden. „Es gibt den einen oder anderen, der so etwas bietet, grundlegend bietet das die Stadt nicht.“
Ist Mannheim eine teure Stadt für Einzelhändler?
Trotz eines Rückgangs von rund 30 Prozent bei den Mieten bezeichnet der JLL-Experte Mannheim als „grundsätzlich teuer“. Das habe auch damit zu tun, dass das Angebot in den Toplagen gering sei. Einige Unternehmen schreckt das jedoch nicht ab: „Wenn wir mit Interessenten sprechen, die in die 1a-Lage wollen, nennen sie konkrete Straßenzüge und sagen: ,Nur dort suchen wir was und nicht woanders‘.“
Auch in Mannheim wurden Läden verkleinert. Wie viel Fläche ist da aufgegeben worden?
„Das ist der Trend, den wir auch in anderen Großstädten feststellen. Die Warenhäuser gehen zurück und werden nicht mehr wie ursprünglich genutzt“, sagt der Immobilienexperte. Addiert man die Flächen, die Kaufhof in N 7, P&C, C&A und Saturn aufgegeben haben, kommt man auf mehr als 20 000 Quadratmeter Handelsfläche, die nicht mehr existiert.
Geben die Entwicklungen Anlass zur Sorge um die Zukunft der Mannheimer Innenstadt?
Krikelis beruhigt: „Das sehe ich aktuell nicht. Vielleicht sieht die Welt in drei bis vier Jahren schon wieder anders aus. Jeder Leerstand ist eine Chance, für neue Konzepte oder zur Umkonzeption.“ Als positive Beispiele nennt er den Wechsel von Esprit zu Rituals in O 3 oder gegenüber von Pizza Hut zu mehreren kleinen Shops. „Solange weiter investiert wird, mache ich mir keine Sorgen über die Innenstadt.“ Große Investitionen stehen rund um die Kapuzinerplanken in O 6 und N 7 an.
Wie steht Mannheim im Vergleich mit der Region da?
In allen Städten der Metropolregion ist das Preisniveau nach JLL-Angaben rückläufig. Die höchsten Mieten sind in Mannheim zu zahlen. Heidelberg liegt bei der Spitzenmiete bei ca. 100 Euro pro Quadratmeter. „In Ludwigshafen hat die Rhein-Galerie viel absorbiert“, so der Experte. „Eine klassische 1a-Lage gibt es dort nicht mehr, das war mal die Bismarckstraße mit 80 bis 90 Euro pro Quadratmeter. Jetzt liegen die Spitzenmieten bei etwa 25 Euro.“ Insgesamt gebe es mit Rhein-Neckar-Zentrum, Rhein-Galerie und Mannheimer Innenstadt ein großes Angebot.
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Bergsträßer Anzeiger Plus-Artikel Kommentar Der Wandel im Einzelhandel ist auch eine Chance