Ludwigshafen. Es klingt ziemlich technisch und könnte doch ein bahnbrechender Schritt für eine ganze Branche werden: BASF hat am Mittwoch die weltweit ersten großtechnischen, elektrisch beheizten Steamcracker-Öfen im Werk Ludwigshafen eingeweiht. Für BASF-Chef Martin Brudermüller ist klar: Diese Schlüsseltechnologie könne helfen, „die Treibhausgasemissionen in der chemischen Industrie deutlich zu reduzieren“. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Projekt:
Was macht ein Steamcracker überhaupt?
Vereinfacht erklärt, ist der Steamcracker ein riesiger Ofen, in dem Rohbenzin mit Hilfe von Wasserdampf erhitzt und aufgespalten wird. Dabei entstehen Olefine und Aromate. Dafür werden Temperaturen von bis zu 850 Grad benötigt. Bisher wurden diese Temperaturen durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe erreicht. Die Vorprodukte aus den Crackern sind für viele Prozesse am Standort Ludwigshafen unentbehrlich.
Ethylen und Propylen etwa werden für die Herstellung von Kunststoffen, Lacken, Pflanzenschutzmitteln oder Vitaminen gebraucht. In Ludwigshafen stehen zwei Steamcracker, sie bilden das Herzstück des Werks. Ein Cracker besteht aus acht bis zehn Öfen.
Warum spielen Steamcracker eine zentrale Rolle auf dem Weg zu einer CO2-armen Chemieproduktion?
Weil ihr Betrieb riesige Mengen am Klimagas CO2 freisetzt, da er einer der energieintensivsten Prozesse der chemischen Industrie ist. Wird dieser Ausstoß begrenzt, hat das also eine sehr große Wirkung. Auch bei der BASF sind Steamcracker die größte einzelne Emissionsquelle von Kohlendioxid. Die weltweit fünf Steamcracker stoßen jährlich 3,5 Millionen Tonnen an Treibhausgasen aus - von 22 Millionen Tonnen insgesamt bei BASF. Ein Großteil des CO2 fällt bisher beim Heizen der Cracker mit Erdgas an. Durch die Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien anstelle von Erdgas lässt sich der CO2-Ausstoß eines Steamcrackers laut BASF um mindestens 90 Prozent reduzieren.
Wieso wird die neue Anlage als Pionierprojekt bezeichnet?
Es ist die weltweit erste Demonstrationsanlage für elektrisch beheizte Steamcracker-Öfen, genannt eFurnace, überhaupt. Das Besondere an dem Ludwigshafener Projekt ist, dass es keine Versuchsanlage unter Laborbedingungen ist. Die Anlage wird im laufenden Betrieb erprobt, sie wurde in einen der beiden bestehenden Steamcracker eingebaut. Es ist, als ob ein Bypass gelegt und am offenen Herzen operiert wird. Der Prototyp ist um den Faktor zehn kleiner als Anlagen im industriellen Maßstab. Der nächste Schritt wäre bereits eine Skalierung auf industriellen Maßstab.
Weil das Projekt so komplex ist, hat BASF den saudi-arabischen Petrochemiekonzern Sabic und Linde Engineering ins Boot geholt. Bei der Einweihung kommen die Chefs der drei Unternehmen regelrecht ins Schwärmen. Bahnbrechend sei die Innovation, ein kühner Schritt und ein Beweis, dass die grüne Transformation nur durch Zusammenarbeit gelinge.
Und wie funktioniert die neue Technologie?
Eingebaut wurden zwei Öfen mit sechs Megawatt elektrischer Leistung. In den beiden Demonstrationsöfen werden unterschiedliche Beheizungskonzepte getestet, ein direktes und eine indirektes.
In den kommenden Monaten werden nun im regulären Betrieb Daten und Erfahrungen für die die Anwendung im großen Maßstab gesammelt. Zum Beispiel wolle man herausfinden, „wie hoch die Lebensdauer der Komponenten in der Anlage ist“, erklärt Klaus-Dieter Mohl, der für die Steamcracker in Ludwigshafen verantwortlich ist.
Wie teuer ist das Projekt insgesamt?
Die Gesamtinvestitionen liegen bei 70 Millionen Euro. Das Bundeswirtschaftsministerium fördert das Projekt mit 14,8 Millionen Euro.
Wann können die ersten Öfen im industriellen Maßstab gebaut und eingesetzt werden?
Dafür gibt es noch keinen offiziellen Zeitplan. Allerdings soll die eFurnace-Vermarktung an Kunden in der Chemieindustrie schon Ende des Jahres starten, erklärt Rainer Kemper von Linde. Dafür reichten die 2,5 Jahre Entwicklungs- und Bauzeit und ein paar Monate Erfahrungen im laufenden Betrieb aus. Für die Vermarktung ist Linde zuständig, das Interesse sei groß, so Kemper. Bei der Kundschaft gebe es keine Beschränkung, auch Wettbewerber könnten einen Ofen kaufen.
Wie stehen die Chancen, dass die beiden Steamcracker in Ludwigshafen bald rein elektrisch betrieben werden?
So schnell geht das nicht, die neue Technologie ist ja noch in der Erprobung. Selbst wenn alles klappt, wird eher nach und nach, Ofen für Ofen, umgebaut. Das größte Problem ist aber, dass es nicht genügend Strom aus erneuerbaren Energien gibt. Ein einziger Steamcracker bräuchte schon die Leistung eines großen Windparks, erklärt Michael Reitz, der das Projekt bei BASF leitet. Die Umstellung könnte also nur nach Verfügbarkeit der Strommengen kommen. Viel hängt auch vom künftigen Energiepreis ab. Ist der grüne Strom an anderen Standorten günstiger, haben diese bessere Chancen als das Stammwerk.
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