Das Wichtigste in Kürze
- Friedrich Heinemann sieht 2026 optimistisch, aber nicht als langfristigen Wachstumstrend.
- Die steuerlichen Anreize und Investitionsprogramme sollen kurzfristig das Wachstum fördern.
- Heinemann warnt vor steigenden Schulden und möglichen Inflationsrisiken
Mannheim. Herr Heinemann, die neue Bundesregierung will Deutschland mit ihrem Wachstumsbooster aus der Wirtschaftskrise führen. Teilen Sie diesen Optimismus?
Friedrich Heinemann: Ja, ich bin optimistisch, dass 2026 besser wird als dieses und das letzte Jahr. Es hat sich viel Nachholbedarf angestaut. Dadurch, dass jetzt so hohe schuldenfinanzierte Milliardenbeträge zur Verfügung stehen, kommt einfach mehr Druck in den Kessel. Das wiederum macht den Unternehmen Mut. Deshalb glaube ich schon, dass sich da eine kurzfristige positive Wachstumsdynamik entwickelt. Ich bezweifle allerdings, dass das jetzt die Wende zu dauerhaft höheren Wachstumsraten ist.
Sie glauben also wie die Bundesregierung, dass die Unternehmen wieder mehr Geld in die Hand nehmen werden, weil sie ihre Investitionen schneller und umfangreicher abschreiben können?
Heinemann: Ich glaube schon, dass diese Rechnung aufgeht, weil das Timing stimmt. Die Unternehmen haben ja viele Investitionspläne in der Schublade, die sie aus Verunsicherung in den vergangenen zwei Jahre zurückgestellt haben. Die allgemeine Stimmung hat sich aufgehellt, deshalb werden die Unternehmen mutiger. Die steuerlichen Anreize werden da eine gewisse Wirkung haben.
Das heißt, Sie vertreten auch die Meinung, dass Wirtschaftspolitik zu 50 Prozent Psychologie ist, wie das Ludwig Erhard ja mal formuliert hat.
Heinemann: Absolut, absolut. Wir alle, also nicht nur die Unternehmen, neigen ja nach dem Motto „Himmel hoch jauchzend zu Tode betrübt“ zu extremen Stimmungsschwankungen. Mal ist der Standort Deutschland ganz toll, mal ist er ganz schlecht. Das Investitionsprogramm der Bundesregierung ist so betrachtet auch ein Stimmungsbooster.
Es gibt aber Ökonomen, die meinen, dass Steuersenkungen effektiver wären als Abschreibungen. Die Körperschaftssteuer soll aber erst ab 2028 sinken und das auch noch über mehrere Jahre verteilt.
Heinemann: Zu diesen Ökonomen gehöre ich auch. Natürlich würden kräftige Steuersenkungen bei diesen hohen Sätzen viel mehr bringen, aber man muss realistisch sein. Ich bin ja auch einer von denen, die sagen, passt auf, dass das mit den Schulden nicht ganz aus dem Ruder läuft ...
... darüber reden wir nachher auch noch...
Heinemann: ... Der Reiz der Abschreibungen aus Sicht des Fiskus ist ja, dass ihm dadurch anders als bei Steuersenkungen die Einnahmen nicht dauerhaft verloren gehen. Die Unternehmen müssen jetzt zwar weniger Steuern zahlen, weil sie ihre Investitionen schneller abschreiben können. Wenn die Abschreibung dann durch ist, müssen sie auch wieder mehr Steuern zahlen.
Sie haben gesagt, der Staat hat kein Geld für Steuersenkungen. Für Geschenke ist aber noch Geld da. Die Bauern bekommen wieder ihren subventionierten Agrardiesel und die Restaurantbesucher profitieren von der niedrigeren Gastrosteuer, die ab 2026 wieder gelten soll.
Heinemann: Sie haben recht. Es wäre natürlich die allerbeste Strategie, wenn die Regierung jetzt auf ein mutiges Einsammeln von Subventionen setzen würde und keine neuen beschließen würde. Aber dann müssten eben auch die Menschen mitgehen. Und fragen Sie die Menschen, ob sie lieber 19 oder sieben Prozent Mehrwertsteuer für ihr Schnitzel bezahlen wollen.
Der Staat will eine Billion Euro in Verteidigung und Industrie stecken. Müsste das nicht ein neues Wirtschaftswunder auslösen?
Heinemann: Das glaube ich nicht. Ich habe eher die Befürchtung, dass die Inflation steigt. Es gibt da eine eindrucksvolle Studie des ifo-Instituts, wonach die Milliardeninvestitionen in die Bahn wenig Wirkung auf die Sanierung des Schienennetzes hatten. Sie haben aber zu drastischen Preiserhöhungen geführt. Was mich in diesem Zusammenhang ärgert: Der Bund hat die Zustimmung der Länder zum Schuldenpaket mit dem Wegfall der Zusätzlichkeitsregel erkauft. Das heißt die Bundesländer ....
Friedrich Heinemann
Friedrich Heinemann wurde 1964 in Düsseldorf geboren.
Er hat Volkswirtschaftslehre und Geschichte studiert in Münster, London und Mannheim .
Der Konjunktur- und Steuerexperte gehört praktisch zum Inventar am ZEW Mannheim . Er arbeitet seit mehreren Jahrzehnten an dem Wirtschaftsforschungsinstitut und leitet dort den Bereich Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft. was
.... die 100 Milliarden Euro bekommen ...
Heinemann: ... haben durchgesetzt, dass sie dieses Geld nicht mehr nur für zusätzliche Investitionen ausgeben dürfen. Jetzt sagen die Länder, sie müssten ja irgendwie auch die gestiegenen Sozialausgaben schultern und bräuchten die Mittel, damit die Investitionen nicht sinken. Im Umkehrschluss heißt das: Die Länder wollen ihre Sozialausgaben aus dem Sondervermögen finanzieren. Genau davor hat der frühere Finanzminister Christian Lindner gewarnt.
Zum Glück haben die Grünen durchgesetzt, dass der Bund die Sondervermögen nur für Investitionen und nicht für Steuergeschenke verwenden darf.
Heinemann: Ja, dafür muss man die Grünen loben. Und das steht ja jetzt anders als bei der Regelung für die Länder so im Grundgesetz.
Wir beide sind ja keine Verteidigungsexperten, die Politik hat ein Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 500 Milliarden Euro beschlossen. Niemand weiß aber richtig, ob das Geld jetzt vereinfacht ausgedrückt in Panzer oder in Drohnen investiert werden soll.
Heinemann: Ja, das ist generell nicht gut. Wir haben im vergangenen Jahr ein großes Gutachten zur Wirkungsorientierung des öffentlichen Haushalts gemacht. Die Angelsachsen vertreten die Position des Performance Budgeting, also der Leistungsbudgetierung. Die besagt, dass man eine Politik nicht alleine deshalb gut macht, weil man dafür viel Geld ausgibt, sondern man macht sie dann gut, wenn man die gesetzten Ziele möglichst wirtschaftlich erreicht. Das ist ja meine Kritik am Sondervermögen: Da steht ja nicht als Ziel drin: Wir wollen Deutschland wieder verteidigungsfähig machen, sondern wir wollen 500 Milliarden Euro ausgeben. Ob das Geld sinnvoll verwendet oder verpulvert wird, spielt offensichtlich nicht die entscheidende Rolle.
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil will bis 2029 rund 850 Milliarden Euro ausgeben. Da wird es mir schon ein bisschen mulmig.
Heinemann: Ja, das geht mir auch so. Ich schätze, dass sich die Zinskosten verdoppeln werden. Die Schulden selbst sind ja nicht das Problem, sondern die Zinsen, die daraus entstehen. Schulden kann der Bund immer wieder, wenn sie fällig werden, durch neue Anleihen ersetzen. Aber die laufenden Zinskosten schießen jetzt hoch. Überlegen Sie mal, wenn die von 29 auf 60 Milliarden Euro steigen, dann sind das bezogen auf das heutige Haushaltsvolumen schon etwa zwölf Prozent. Vertretbar ist das nur, wenn damit die Grundlage für stetiges Wachstum gelegt wird.
Gegenwärtig liegt die Staatsverschuldung bei rund 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Nach der Finanzkrise waren es sogar 80 Prozent. Müssen wir jetzt mit einem Anstieg in diese Richtung rechnen?
Heinemann: Mit 80 Prozent Staatsverschuldung könnte ich leben, aber das Problem ist, dass wir jetzt auf einen dauerhaft wachsenden Schuldenpfad gehen. Deutschland hat sich ja jetzt verpflichtet, künftig fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung zu stecken. Das meiste wird über Schulden finanziert. Von diesen Kosten kommen wir wahrscheinlich die nächsten Jahrzehnte nicht herunter. Dann gerät die Schuldenquote langsam außer Kontrolle. Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, wo das enden wird.
Wann wäre denn für Sie der kritische Punkt erreicht?
Heinemann: Die Stabilität der Eurozone hängt daran, dass es immer noch Länder gibt, die solide sind: Deutschland, Finnland, Schweden und auch die Niederlande. Aber das sind außer Deutschland ja alles kleine Länder. Wenn aber ein großes Land wie Deutschland sich dem Niveau Italiens annähert - also auf rund 130 Prozent geht, dann würden wir einen kritischen Punkt erreichen. Es gibt also schon noch viel Luft nach oben. Aber irgendwann muss dann auch Schluss sein.
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