Mannheim. Herr Schnabel, schlafen Sie nach dem Regierungswechsel besser?
Manfred Schnabel: Anders.
Was heißt anders?
Schnabel: Als klar wurde, dass die Ampel-Koalition die wirtschaftlichen Probleme in Deutschland eher verschärfen statt lösen würde, hat das schon die Stimmung gedrückt. Allein der Regierungswechsel jetzt ist aber noch keine Garantie, dass sich die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft verbessern.
Sie haben ja dann auch kein gutes Haar vor allem an den Grünen gelassen und sich an Wirtschaftsminister Robert Habeck abgearbeitet.
Schnabel: Doch nicht an Habeck persönlich und den Grünen generell!
Geschenkt.
Schnabel: Kritisiert habe ich eine Politik, die nicht auf die Gesamtwirtschaft abzielte, sondern auf die Förderung einzelner Unternehmen und Branchen. Das Northvolt-Drama zum Beispiel ...
... Habeck förderte den schwedischen Batteriehersteller, jetzt droht nach der Insolvenz ein Milliarden-Verlust von Steuergeldern ...
Schnabel: ... belegt, dass ich mit meiner Kritik richtig lag. Auch beim Lieferketten-Gesetz ist Habeck dann ja zurückgerudert. Und dass ich bei der Schuldenbremse eine klare Vorstellung habe, kann man zum Glück nachlesen.
Ich kann daher nur an die Politik appellieren, dass sie den Schuldenrahmen nicht voll ausschöpft
Sie sind ein glühender Verfechter der Schuldenbremse.
Schnabel: Na, ja. Auch wir haben eine Reform gefordert. Am Anfang müsste aber eine Aufgaben- und Ausgabenkritik des Staates stehen. Hand in Hand mit einer Grundgesetzänderung müssten also strukturelle Reformen greifen, die unsere Wettbewerbsfähigkeit verbessern.
Ist für Sie deshalb eine Welt zusammengebrochen, weil der Staat sich jetzt unter dem neuen Bundeskanzler Friedrich Merz mit einer Billion Euro verschulden will?
Schnabel: Die neuen Sonderschulden für Verteidigung und Infrastruktur, die per Grundgesetzänderung beschlossen wurden, sind Fakt. Dennoch halte ich die Art und Weise, wie das gemacht wurde, für falsch. Dieses Medikament enthält erhebliche Risiken und Nebenwirkungen. Dazu zählen steigende Zinssätze, höhere Tilgungslasten und negative Auswirkungen auf die europäischen Partner, die noch stärker verschuldet sind als wir und bisher von unserer guten Bonität profitieren. Ich kann daher nur an die Politik appellieren, dass sie den Schuldenrahmen nicht voll ausschöpft. Das Ankurbeln der Gelddruckmaschine kann den Boden für Inflation bereiten. Ich befürchte, dass die Sonderschulden nur ein Strohfeuer auslösen werden. Die strukturellen Probleme bleiben aber bestehen.
Was raten Sie denn der Politik im Umgang mit Donald Trump? Wie würden denn Sie mit ihm einen Deal abschließen?
Schnabel: Ich rate zu einer gewissen Gelassenheit. Eine Journalistin hat in der ersten Amtszeit von Trump sinngemäß gesagt: Man müsse Trump sehr ernst nehmen, aber nicht immer wörtlich. Siehe Panamakanal. Da hat er mit Annexion gedroht, herausgekommen ist ein Abkommen, das die Durchfahrtsgebühren reduziert hat. Auch Großbritannien hat jetzt mit Trump einen Deal abgeschlossen. Weitere werden folgen. Vor diesem Hintergrund finde ich die Strategie der EU richtig. Sie hat nicht die Tür zugeschlagen, sondern will mit Trump verhandeln. Die EU hat aber auch klargestellt, dass sie notfalls harte Gegenmaßnahmen ergreifen würde. Ich denke schon, dass diese Botschaften bei Trump ankommen.
Wie nervös sind denn die Unternehmen in der Metropolregion wegen der Zölle?
Schnabel: Da ist die Lage sehr unterschiedlich. Unternehmen, die in den USA bereits eine Produktion haben, sehen das zum Teil relativ gelassen. Ein wichtiger Faktor sind die Wertschöpfungsketten. Wenn die Zulieferer außerhalb der USA sitzen, können auch diese Unternehmen negativ betroffen sein. Wer von Deutschland aus oder aus anderen Ländern in die USA exportiert, den betreffen Zölle natürlich stark. Der Trend, dass immer mehr Unternehmen vor Ort für die lokalen Märkte produzieren, ist übrigens schon lange zu beobachten. Denken Sie an die Ludwigshafener BASF, die ihre Produktion in China weiter ausbaut. Ich sehe aber ein prinzipielles Problem, das über Zölle weit hinausgeht.
Erklären Sie es mir.
Schnabel: Die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland hat stark nachgelassen. Die Rahmenbedingungen haben sich massiv verschlechtert. Um die Jahrtausendwende waren wir schon einmal der kranke Mann Europas ...
... dann kamen die Schröder-Reformen ...
Schnabel: ... die haben uns in Rankings wie jenen des IMD aus Lausanne bis auf den sechsten Platz hochkatapultiert. Seit 2014 sind wir aber wieder im Abstieg. Während der Ampelzeit sind wir dann regelrecht abgestürzt und belegen jetzt nur noch den 24. Rang von 67 untersuchten Ländern. Und es geht hier nicht in erster Linie um marode Brücken, auf die sich jetzt alle irgendwie fokussieren. Bei der Infrastruktur liegen wir im Mittelfeld des Rankings. Gravierender sind unsere Defizite in den Bereichen Reformfähigkeit, Regulatorik, Arbeitsmarkt, Kosten sowie Steuern.
Und jetzt wird unter dem neuen Kanzler alles anders und besser?
Schnabel: Einerseits beinhaltet der Koalitionsvertrag wichtige und richtige Maßnahmen. Dazu zählen beispielsweise die Vereinbarungen zum Abbau von Regulatorik, die Senkung der Energiepreise oder die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Andererseits springt der Koalitionsvertrag viel zu kurz. Das gilt vor allem für die Arbeitskosten und den Arbeitsmarkt.
Manfred Schnabel
Manfred Schnabel (Jahrgang 1961) ist seit 2018 Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar .
Der gebürtige Mannheimer absolvierte eine Ausbildung als Bankkaufmann und studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität seiner Heimatstadt.
Schnabel ist Geschäftsführender Gesellschafter des Elektrogeräte-Händlers Expert Esch .
Außerdem sitzt er im Vorstand des Vereins Zukunft Metropolregion Rhein-Neckar (ZMRN ). was
Die SPD will den Mindestlohn auf 15 Euro erhöhen.
Schnabel: Ich will jetzt gar nicht über die Höhe des Mindestlohns diskutieren. Ich stelle mir aber schon die Frage, wer denn künftig den Mindestlohn festlegt: Die unabhängige Mindestlohnkommission oder der Staat? Mindestlöhne könnten so ein Dauer-Thema im Wahlkampf werden.
Die SPD argumentiert, dass die Höhe des Mindestlohns auch eine Frage des Respekts ist. Sind Sie da zu kaltherzig?
Schnabel: Es geht nicht in erster Linie um die Höhe, sondern um alle Faktoren, die Arbeit verteuern. Das betrifft alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber! Mal ein stark vereinfachtes Beispiel: Wenn ein Handwerker pro Stunde brutto 20 Euro verdient, dann hat er netto vielleicht 14 Euro in der Tasche. Die abgerechnete Stunde kostet dem Kunden insgesamt aber knapp 80 Euro. Diese große Differenz ergibt sich aus den Lohnnebenkosten, aus den betrieblichen Gemeinkosten und aus der Mehrwertsteuer. Da kommen also noch alle möglichen Kosten obendrauf: Krankheit und Urlaub, Schulungen, die ganzen Betriebsbeauftragten, Versicherungen, Rechts- und Beratungskosten, Fuhrparkkosten und so weiter.
Das kann doch keiner bezahlen.
Schnabel: So ist es! In der Beispielrechnung muss der gleiche Arbeitnehmer selbst rund sechs Stunden arbeiten, damit er sich eine Handwerkerstunde leisten kann. Und da sehe ich bei der neuen Bundesregierung keine Bereitschaft, etwas grundlegend zu ändern. Insbesondere die Lohnnebenkosten werden durch die Decke gehen, weil die Politik keinen Willen hat, unsere Sozialversicherungssysteme grundlegend zu reformieren. Und das belastet natürlich auch unsere 70.000 Unternehmen. Übrigens viel stärker als zum Beispiel die Energiekosten, unter denen nur einige massiv leiden.
Was sagen Sie zu den Steuerplänen?
Schnabel: Wir sind bei der Steuer- und Abgabenlast weltweit auf einem der letzten Plätze. Dieser Punkt ist ja mitverantwortlich für die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit. Auch hier gilt: Wir müssen so viel besser sein, wie wir teurer sind. Die Bundesregierung will nun eine degressive Abschreibung auf Ausrüstungsinvestitionen von 30 Prozent einführen. Das ist in der Tat ein gutes Instrument, aber leider hilft es vielen Unternehmen nicht.
Warum?
Schnabel: Zum einen sind da die Unternehmen, die aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen Verluste schreiben oder geschrieben haben. Zum anderen leiden derzeit viele Unternehmen, vor allem in der Industrie, unter zu geringer Kapazitätsauslastung. In dieser Situation machen Investitionen häufig keinen Sinn. Viele Unternehmen haben zudem Zweifel, ob die geplante Absenkung der Körperschaftssteuer 2028 wirklich kommt. Viel wichtiger wäre eine wirkliche Reform des Steuersystems.
Wie ist denn der Standort Metropolregion aufgestellt?
Schnabel: Der Exportanteil unserer Industrie ist sehr hoch. Das hat uns stark gemacht. Daraus ergeben sich jetzt aber Herausforderungen, wenn der internationale Warenaustausch unter Druck gerät. Ein riesiger Vorteil der Region ist der sehr gute Mix aus börsennotierten Konzernen, Hidden Champions und sehr wettbewerbsfähigen kleinen mittleren Unternehmen, häufig familiengeführt. Weitere Stärken: Wir sind ein hervorragender Hochschul- und Wissenschaftsstandort. Auch die Probleme mit der Energieversorgung haben wir vergleichsweise gut gelöst. Durch die BASF gehören wir zu einem der Standorte, die gut an das kommende Wasserstoffnetz angebunden werden. Ein auch häufig unterschätzter Vorteil: Wir haben eine gute und ausgewogene Altersstruktur der Bevölkerung. Das sind alles Faktoren, die uns ziemlich widerstandsfähig machen.
Klingt jetzt auf einmal alles viel optimistischer.
Schnabel: Wir haben auch allen Grund für Zuversicht! Denn insgesamt sind unsere Unternehmen gut aufgestellt. Aber das ändert nichts an den schlechten Rahmenbedingungen am Standort Deutschland. Einige Unternehmen verlagern aufgrund hoher Energiekosten Teile ihrer Produktion ins Ausland. Wenn aber die BASF in Ludwigshafen Industriearbeitsplätze abbaut, dann sind davon auch Zulieferer und Dienstleister betroffen. Das wiederum hat zum Beispiel Auswirkungen auf den lokalen Handel. Und selbst wenn die Region insgesamt noch gut aufgestellt ist, wurden auch hier einige Weichen falsch gestellt.
Was meinen Sie denn damit?
Schnabel: Nehmen Sie die Verkehrspolitik. Seit Jahren gibt es Probleme bei den rheinquerenden Verkehren. Hinzu kommen Straßensperrungen, Baustellen und Einschränkungen im öffentlichen Nahverkehr. Das hat zum Beispiel massive Auswirkungen auf die Mannheimer Innenstadtwirtschaft. Hier ist viel Kaufkraft abgeflossen, was erst jetzt in Leerständen sichtbar wird. Wir setzen nun darauf, dass der Mobilitätspakt Rhein-Neckar Wirkung zeigt und die Region von den zusätzlichen Mitteln des Bundes für Infrastruktur profitiert.
Herr Schnabel, letzte Frage: Wie sieht denn Ihre persönliche Lebensplanung aus?
Schnabel: Weiter jeden Tag mein Bestes geben!
IHK-Präsident wollen Sie bleiben?
Schnabel: Die Unterstützung aus den Unternehmen ist groß, die Zusammenarbeit mit dem IHK-Team macht große Freude und die Ergebnisse stimmen. Ein klares ja!
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