Mannheim. Deutschland rüstet gewaltig auf – davon profitieren natürlich auch Unternehmen wie der Düsseldorfer Konzern Rheinmetall, der nicht nur Schützenpanzer, sondern auch Laserkanonen und Aufklärungsdrohnen verkauft. Weil die Bundesregierung die Verteidigungsausgaben im gigantischen Ausmaß erhöhen will, sehen die Börsianer in der Rheinmetall-Aktie eine Anlage mit extrem guter Perspektive. Seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs 2022 hat sich der Kurswert verzigfacht und seit Februar 2025 verdoppelt.
Aber Achtung: Die Aktie ist gegenwärtig ziemlich volatil, der Kurs steigt oder fällt – je nachdem, wie die Anleger die Chancen auf einen Frieden in der Ukraine vor und nach den zahlreichen Gipfeltreffen in der jüngsten Zeit einschätzen. Langfristig rechnen die Experten jedenfalls eher mit hohen Umsätzen und Gewinnen, die sich dementsprechend auf die Kurse auswirken müssten.
Imagewandel: Rheinmetall bei Studierenden als Arbeitgeber beliebt
Damit einher geht aber auch ein gewisser Imagezuwachs. Unternehmen, die die Bundeswehr hochrüsten, müssen sich dafür nicht mehr schämen, wie vielleicht in früheren Zeiten bei einer gewissen Klientel. „Wir investieren nicht in die Verteidigung, um Krieg zu führen, sondern um ihn zu verhindern“, verteidigt Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die Aufrüstung der Bundeswehr. In seinen jüngeren Jahren setzte er sich aktiv in der Friedensbewegung gegen die Stationierung der Pershing-II-Raketen ein. Der alte Spruch „Schwerter zu Pflugscharen“ passt nicht mehr in eine Zeit, in der Russlands Präsident Wladimir Putin den Frieden in Europa bedroht.
Wahrscheinlich auch deshalb ist Rheinmetall – das Unternehmen hat in Baden-Württemberg auch Standorte in Stockach, Oberndorf und Neckarsulm – inzwischen als Arbeitgeber bei den Studierenden beliebter geworden. Im Ranking des Beratungsunternehmens Universum stieg der Konzern bei den Ingenieurwissenschaften um sieben Plätze auf Position acht, im IT-Ranking verbesserte er sich sogar um 19 Plätze.
Aber nicht nur die traditionelle Rüstungsindustrie hat Dollarzeichen in den Augen, denn die Verteidigungsausgaben sind nach der Verfassungsänderung im Prinzip nach oben offen. Viele wittern das große Geschäft oder wenigstens ein zusätzliches wie Heidelberger Druckmaschinen. Das Unternehmen – geplagt von wirtschaftlichen Sorgen – will an seinem Stammsitz in Wiesloch künftig auch Komponenten für die Rüstungsindustrie bauen. In Zusammenarbeit mit Vincorion, einem Anbieter von Energiesystemen für zivile und militärische Zwecke.
Hoffnungen macht sich ebenfalls der Lkw-Hersteller Daimler Truck, der auch einen Standort in Mannheim hat. Bisher war der Konzern im Rüstungswesen ein Winzling. Das Militärgeschäft mit Speziallastwagen brachte weniger als ein Prozent des Umsatzes ein. Das soll sich ändern. „Wir erwarten, dass die Nachfrage in den kommenden Jahren steigen wird“, so ein Sprecher.
Forscher der Universität Mannheim dämpfen Hoffnungen
Kurz vor der Sommerpause hat das Kabinett einen Gesetzentwurf zur beschleunigten Planung und Beschaffung für die Bundeswehr vorgelegt. Er soll die Grundlage für die geplante Aufrüstung bilden. Dass Unternehmen mit dem Rüstungsgeschäft das große Geld verdienen wollen, ist die eine Seite. Ökonomen, Politiker und Lobbyisten vertreten aber auch die Ansicht, dass die zusätzlichen Ausgaben für die Verteidigung der deutschen Wirtschaft einen wichtigen Wachstumsimpuls geben würden. In einer Studie der Universität Mannheim fassen die Autoren Tom Krebs und Patrick Kaczmarczyk deren Argumente so zusammen: Demnach steigert die staatliche Nachfrage nach Rüstungsgütern die gesamtwirtschaftliche Produktion und schafft damit mehr Wachstum. Kurzum: Was gut ist für die deutsche Rüstungsindustrie, ist auch gut für die Beschäftigten und schafft Wohlstand in Deutschland.
Aber stimmt das wirklich? Die Studie aus Mannheim liefert da eher ernüchternde Ergebnisse. „Aus ökonomischer Sicht ist die geplante Militarisierung der deutschen Wirtschaft eine risikoreiche Wette mit niedriger gesamtwirtschaftlicher Rendite“, lautet das Fazit des Wirtschaftswissenschaftlers Krebs. Und worauf basiert diese Aussage? Die Wissenschaftler haben sich dazu den Fiskalmultiplikator angeschaut. Dieser misst, wie stark zusätzliche Staatsausgaben das Bruttoinlandsprodukt erhöhen. Er liegt bei Militärausgaben in Deutschland demnach bei maximal 0,5 Prozent. Anders ausgedrückt: Jeder Euro, den der Staat für die Verteidigung ausgibt, führt im besten Fall zu 50 Cent an zusätzlicher wirtschaftlicher Aktivität. Dagegen könnten öffentliche Investitionen in Infrastruktur, Bildung oder Kinderbetreuung das Vier- bis Sechsfache an zusätzlicher Wertschöpfung erzeugen.
Rüstungsindustrie stark ausgelastet, Vergabepraxis undurchsichtig
Die Autoren führen die schwache Wirkung unter anderem auf strukturelle Besonderheiten der deutschen Rüstungsindustrie zurück. Diese sei bereits stark ausgelastet und es herrsche durch das undurchsichtige Vergabeverfahren kaum Wettbewerb. „Jeder zusätzliche Euro an staatlichen Aufträgen wird also die Preise der Rüstungsgüter und die Gewinne der Rüstungsunternehmen merklich anheben und somit den Effekt auf die Produktion verringern“, heißt es in der Studie. Krebs und Kaczmarczyk gehen auch auf den gestiegenen Aktienkurs von Rheinmetall ein, der nach ihrer Auffassung belegt, wie hoch die Gewinnerwartungen der Investoren sind. „Diese können nur mit entsprechenden Preissteigerungen verwirklicht werden“, heißt es in der Studie.
„Nun sagen einige Politiker und Ökonomen, dass wir alles haben können: mehr Panzer und Gewehre, mehr Strom- und Schienennetze, mehr Windräder und Elektroautos und mehr Ganztagsbetreuung von Kindern und Pflegebedürftigen. Das ist jedoch eine etwas naive Sicht auf ökonomische Realitäten“, so die Autoren. Der Dauerstreit der Koalition in Berlin übers Geld belegt, wie richtig die Mannheimer Ökonomen da liegen. Sie verweisen auf die schon angekündigten Kürzungen im Sozial- und Klimabereich: „Wenn Neueinstellungen in der Industrie fast nur noch im Rüstungsbereich stattfinden, weil der Staat viele neue Rüstungsaufträge vergibt, aber kein Geld für saubere Energien vorhanden ist, dann wird die Produktion von Windrädern und Elektrofahrzeigen automatisch verschwinden.“
Aufrüstung mit Schulden
Der Krieg in der Ukraine und die Neuausrichtung der US-Außenpolitik haben eine Aufrüstungsdynamik in Europa ausgelöst.
Die neue Bundesregierung will die Verteidigungsausgaben auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erhöhen. Außerdem sollen weitere 1,5 Prozent für militärisch notwendige Infrastrukturprojekte ausgegeben werden.
Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatte die Verpflichtung zum Fünf-Prozent-Ziel bereits bei seinem Besuch bei US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus bekräftigt. Auf dem Nato-Gipfel im Juni in Den Haag beschlossen die Mitgliedstaaten ihre Verteidigungsausgaben bis spätestens 2035 auf fünf Prozent zu erhöhen. Dies ist eine deutliche Steigerung gegenüber dem bisherigen Ziel von zwei Prozent.
Der größte Teil der zusätzlichen Staatsausgaben für das Militär soll über die Aufnahme neuer Schulden finanziert werden. was
Ob das so eintreten wird, ist natürlich Spekulation. Klar ist aber, dass es mit Blick auf den Rüstungsetat heftige Debatten geben wird, wenn die Kürzungen in anderen Bereichen überhandnehmen sollten. Obwohl die Verteidigungsausgaben mit Schulden finanziert und die Tilgung weit in die Zukunft verschoben werden sollen, muss der Bund für die Zinsen aufkommen. Das wird eine Menge Geld kosten und die Spielräume im Etat begrenzen.
Soll sich der Staat an Rüstungskonzernen beteiligen?
Die Mannheimer Wirtschaftswissenschaftler schließen zwar auf lange Sicht positive Effekte durch die Aufrüstung nicht aus. Zum Beispiel, wenn militärische Forschung technologische Entwicklungen in der zivilen Wirtschaft anstößt. Dafür gibt es bisher aber nach ihrer Darstellung keine empirischen Belege. Deshalb plädieren Krebs und Kaczmarcyk für eine grundlegende Reform des Vergaberechts im Rüstungsbereich. Allerdings haben sich schon viele politischen Entscheidungsträger daran die Zähne ausgebissen. Als Alternative schlagen die Ökonomen eine direkte staatliche Beteiligung an zentralen Rüstungsunternehmen vor. Auf diese Weise könnten – so die Forscher – öffentliche Mittel gezielter eingesetzt und eine bessere Kontrolle über die Mittelverwendung erreicht werden. Fragt sich nur, wie realistisch dieser Vorschlag ist. In der Welt der Ökonomie genießt der Staat nicht unbedingt den Ruf, dass er als Unternehmer mit Geld besonders gut umgehen kann.
Übrigens: Tom Krebs und Patrick Kaczmarczyk wissen natürlich, dass Deutschland und Europa ihre Verteidigungsfähigkeit erhöhen müssen. Sir warnen aber vor einer übertriebenen Euphorie und fordern eine kluge Verteilung der Mittel, die eben nicht wie Manna vom Himmel fallen.
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