Mannheim. Nach den ersten 100 Tagen der neuen Bundesregierung dämmert es den Unternehmen in Deutschland, dass in der Wirtschaft auch nach dem Regierungswechsel nicht alles plötzlich super läuft. Dies belegt die Umfrage der Universität Mannheim, die in ihrem German Business Panel die Unternehmen in regelmäßigen Abständen befragt.
So stufen die Betriebe die wirtschaftspolitischen Inhalte, welche die Bündnispartner im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, eher als mau ein. Auf einer Skala von 0 (sehr unzufrieden) bis zehn (sehr zufrieden) liegt die durchschnittliche Bewertung bei 3,6. Von Aufbruchstimmung kann also überhaupt keine Rede sein.
Höchste Priorität: Senkung der Einkommensteuer
„Die Unternehmen zweifeln nicht am Zeitplan an sich, sondern an der Realisierung unter den gegebenen Rahmenbedingungen – etwa bei der Gegenfinanzierung, rechtlichen Abstimmungen und der praktischen Umsetzung zwischen Bund und Ländern“, sagt Dirk Simons von der Universität Mannheim. Besonders kritisch äußern sich demnach die Land- und Forstwirtschaft sowie das Gesundheits- und Sozialwesen. Dagegen fallen die Branchen Verkehr, verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe mit einer positiveren Bewertung auf.
Die höchste Priorität hat für die Entscheidungsträger in der Wirtschaft die Senkung der Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen. Im Gegensatz zur Reform der Körperschaftsteuer ist diese Maßnahme im Koalitionsvertrag nur vage für die Mitte der Legislaturperiode angekündigt. Da die Kassen trotz der gigantischen Schuldenpakete eher leer sind, kann es gut sein, dass daraus am Ende gar nichts wird. „Durch die Senkung der Einkommensteuer erhoffen sich die Unternehmen, dass auch Einzelunternehmen und Personengesellschaften entlastet werden, dass die Binnennachfrage anzieht und sich damit die Auftragslage stabilisiert“, sagt Simons‘ Kollege Davud Rostam-Afschar.
Mit 71,2 Prozent sehen sich fast drei Viertel der Unternehmen direkt vom Handelskonflikt betroffen. Allerdings äußert sich die Belastung vor allem in Form von Unsicherheit: 61,5 Prozent dieser Betriebe fühlen sich durch eine unklare Nachfrageentwicklung beeinträchtigt. „Solche Unsicherheiten schlagen sich erfahrungsgemäß in konkreten Entscheidungen nieder – von Investitionsstopps über Preisaufschläge bis hin zum Verzicht auf Neueinstellungen“, sagt Simons. Ob das beschlossene EU‑Zollabkommen solche Reaktionen abmildert, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.
Auf den Plätzen zwei und drei der Wunschliste der Wirtschaft liegen die Senkung der Stromsteuer und die Digitalisierung der Finanzverwaltung. „Wenn Vorgänge wie Steuererklärungen, Umsatzsteuervoranmeldungen oder Erstattungsprozesse vollständig digital erfasst und automatisiert weiterverarbeitet werden, sparen Unternehmen Zeit und Verwaltungskosten“, so Rostam-Afschar.
Die GBP-Daten zeigen zudem, wie stark außenpolitische Spannungen den wirtschaftlichen Aufwärtstrend der ersten 100 Merz-Tage trübten: Direkt nach der Wahl hellte sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft spürbar auf. Der Handelskonflikt mit den USA führte zwischenzeitlich jedoch zu einem deutlichen Rückgang der Wachstumserwartungen. Mit dem jüngsten Zollabkommen sind die Konjunkturerwartungen wieder leicht gestiegen und liegen derzeit bei 0,6 Prozent für die nächsten zwölf Monate und bei 1,7 Prozent für die kommenden fünf Jahre.
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