Mannheim/Viernheim/Ludwigshafen
Joachim Will: Shopping-Center sind in den vergangenen Jahren sehr stark unter Druck geraten. Die lange Erfolgsgeschichte dieser Vertriebsform hat in Deutschland und Europa deutliche Bremsspuren bekommen. Neuplanungen von Einkaufscentern gibt fast keine mehr. Und in vielen bestehenden Centern stehen zunehmend Läden leer. Es gibt eine ganze Reihe von Häusern, in denen deutliche Krisenzeichen erkennbar sind.
Was sind die Gründe?
Will: Einer der Hauptgründe ist sicher, dass der Online-Handel in den vergangenen Jahren enorme Marktanteile gewonnen hat. Aber das Internet setzt ja nicht nur die Shopping-Center, sondern auch den sonstigen stationären Handel unter Druck. Eines der Kernsegmente vor allem der innerstädtischen Shoppingcenter ist ja die Mode. Gerade der Modehandel ist verstärkt in Richtung Online abgewandert - noch befeuert durch die Corona-Zeit, als Geschäfte lange schließen mussten. Zwischenzeitlich werden in Deutschland fast 40 Prozent der Kaufkraft für Modeartikel bei Internet-Shops ausgegeben. Diese Kaufkraft fehlt dann anderswo. Die Einkaufszentren versuchen seit Jahren mit verschiedensten Mitteln, auf diese Entwicklung zu reagieren.
Was lassen sich die Shopping-Center denn alles einfallen?
Will: Viele bauen den Gastronomiebereich sehr stark aus. Ein vielzitiertes Schlagwort lautet ja: Food ist das neue Fashion. Nur dieses Schlagwort täuscht darüber hinweg, dass sich die wegfallenden Modeflächen niemals adäquat durch Gastro-Angebote ersetzen lassen.
Wie schlimm sind die Leerstände inzwischen?
Will: Das zu beziffern ist schwierig. Es gibt nach wie vor Shopping-Center, bei denen es gut läuft, die kein Problem mit Leerständen haben. Aber es gibt auch die andere Seite. Wir kennen viele Center, welchen es nicht mehr gelingt, die leerstehenden Flächen nachzuvermieten, egal welche Mietpreise aufgerufen werden. Da stehen zwischenzeitlich ganze Verkaufsebenen leer. Hinzu kommt, dass Mehrgeschossigkeit inzwischen ein enormes Problem ist.
Was heißt das?
Will: Häuser mit mehr als zwei Verkaufsebenen sind häufig nicht mehr marktfähig. Das betrifft den ganzen Handel und zeigt sich aktuell bei den Galeria-Kaufhof-Warenhäusern. Und gerade auch Shopping-Malls in den Innenstädten haben mehrere Einkaufsebenen. Aber solche Flächenkonzepte funktionieren einfach nicht mehr. Und die Malls müssen jetzt überlegen, was sie mit den Flächen in oberen Geschossen machen. Das ist häufig schon baulich nicht so einfach. Man denkt zum Beispiel über Ärztezentren nach, über Büros, Co-Working-Flächen, Fitness-Center sogar über Kindergärten. Die Fantasie ist fast grenzenlos. Diese Flächen lassen einfach nicht mehr an Händler vermieten - selbst zu günstigsten Konditionen nicht. Und da gibt es keine Patentrezepte.
Gibt es denn überhaupt noch Standorte, wo es gut läuft?
Will: Natürlich gibt es die. Da fällt mir der City-Park in Kiel, der Strelapark in Stralsund oder der City-Park in Lübeck ein. Die sind alle in unserem Shopping-Center-Report vorne dabei. Das Ranking basiert auf der Rückmeldung von Mietern in den Zentren zur Zufriedenheit mit den Erträgen, die in ihren dortigen Shops erwirtschaftet werden.
Wie sieht es denn mit den Einkaufszentren in der Region aus, wie stehen die da?
Will: In der Region schneidet das Rhein-Neckar-Zentrum in Viernheim am besten ab. Es hat über die vergangenen zehn Jahre immer gut performt, ist stabil auf einem hohen Niveau. Im aktuellen Report hat es Platz 22 unter allen deutschen Einkaufszentren mit der Durchschnittsnote 2-. Davon träumen viele andere! Das Rhein-Neckar-Zentrum funktioniert offensichtlich - und das seit Jahren.
Schauen wir nach Mannheim, wie hat Q6 Q7 in der Innenstadt abgeschnitten?
Will: Es ist ja noch ein junges Center, wir bewerten das Q6 Q7 seit 2018. Es hatte einen schwierigen Start, scheint sich aber langsam nach oben zu entwickeln. Es hat aber als Durchschnittsnote immer noch eine 3-. In unserer Einschätzung bedeutet das, dass nach wie vor ein leichtes Grummeln unter den Mietern zu vernehmen ist.
Fehlt noch die Rhein-Galerie in Ludwigshafen.
Will: Die zeigt aus Mietersicht erhebliche Schwankungen über die Jahre. Wir haben die Rhein-Galerie seit 2012 in der Bewertung, aktuell hat sie eine 3-, schneidet bei genauer Betrachtung sogar etwas schlechter ab als das Q6 Q7. Uns überrascht, dass die Rhein-Galerie nicht von der Schließung des Rathaus-Centers profitiert hat. Dabei lag die Vermutung ja nahe, dass sich die Kunden zur Rhein-Galerie umorientieren, wenn das benachbarte Center zumacht.
Woran liegt das?
Will: Das Grundproblem von Ludwigshafen ist, dass es mit der Mannheimer Innenstadt einen starken Konkurrenten direkt auf der anderen Rheinseite hat. Ein ähnliches Problem hat zum Beispiel auch Neu-Ulm mit Ulm. Es spielt auch noch anderes Phänomen mit rein: City-nahe Center, bei denen die Innenstadt ein starker Einzelhandelsstandort ist, haben meist enorme Probleme sich gegen diese innerstädtischen Geschäftslagen zu positionieren. Zum Bespiel das Luisen-Forum in der Wiesbadener Innenstadt, da gehen viele Menschen nur durch, um die Parkplätze des Centers zu nutzen.
Spürt Q6 Q7, das es ja sehr zentral liegt, auch die starke CKonkurrenz des City-Handels?
Will: Auf jeden Fall, die Mannheimer Innenstadt setzt Q6 Q7 unter Druck, obwohl das Center gleichzeitig Teil der Innenstadt ist. Dabei ist Q6 Q7 gestalterisch gut gemacht. Höchstens bei der Anbindung der Tiefgarage hapert es, da sind die Center-Eingänge schwer zu finden.
Joachim Will
- Dr. Joachim Will ist Geschäftsführer der ecostra GmbH, einer Unternehmensberatung für Handel, Kommunen und Immobilienwirtschaft.
- Er lehrt zudem an der International Real Estate Business School.
Also haben es Center auf der grünen Wiese leichter.
Will: Da haben viele Center - wenn überhaupt - nur zwei Stockwerke, das ist schon mal ein Vorteil. Dann haben die meisten ein starkes Lebensmittelangebot. Beides zeichnet alle jene Shopping-Center aus, die derzeit in unserem Ranking vorne stehen. In der Regel sind es auch ältere Center, die im Markt bereits seit vielen Jahren etabliert sind und somit als „gelernte Standorte“ bezeichnet werden können. Die neuen Center punkten zwar mit schöner Architektur und Innengestaltung, kommen aber an diese alten Einkaufsmaschinen nicht ran. Und die sind nicht schön, das sind meist „alte Eimer“. Aber sie treffen mit ihrem Angebot häufig genau die Nachfrage der Bevölkerung in ihrer Umgebung. Aber auch auf der grünen Wiese gibt es Gegenbeispiele.
Haben Sie eines?
Will: Das Loop 5 bei Darmstadt ist ein äußerst problematisches Center, trotz der enormen Fläche von fast 60 000 m², trotz Autobahn-Anbindung und ausreichend kostenlosen Parkplätzen. Die einzige Erklärung dafür ist, dass dieses Center an dem Ort keiner mehr gebraucht hat.
Das Rhein-Neckar-Zentrum sucht nach dem Weggang von Bauhaus eine Alternative. Geplant ist ein großes Freizeitzentrum. Eine gute Idee?
Will: Ein Baumarkt hinterlässt natürlich riesige Flächen, eine Nutzung mit Sport- und Freizeitanlagen liegt deshalb nahe, weil die auch große Flächen belegen. Aber da muss man schauen, wie sich so ein Format in ein Gesamtkonzept integrieren lassen. Es ist nicht einfach, solche Flächen neu zu belegen. Das zeigt sich auch bei früheren Galeria-Kaufhof-Filialen. Überhaupt ziehen die in unserem Report befragten Filialisten inzwischen lieber in gute Innenstadt-Lagen als in Einkaufszentren.
Ein neuer Trend?
Will: Aber nur in Städten, deren innerstädtische Geschäftslagen eine hohe Aufenthaltsqualität und ein gutes Gastronomie-Angebot und somit eine Funktion als Destination und Treffpunkt für die Menschen haben. Diese soziale Komponente bei der Wahl der Einkaufsorte ist nach Corona viel wichtiger - hier fallen Shopping-Center zurück.
Gegen diesen Trend hat die Mannheimer Modegruppe jetzt ein Pop-up-Outlet in der Rhein-Galerie eröffnet. Wie finden Sie das?
Will: Aus Sicht von Engelhorn ist dieser Schritt nachvollziehbar und zielführend. So kann Engelhorn sein Sortiment bereinigen, Restanten abschleusen und sein Angebot frisch halten. Gleichzeitig wird das Stammhaus nicht über die Maßen mit größeren Rabattaktionen belastet, was bei dem hochwertigen Sortiment einen nicht gewünschten Effekt haben kann. Dann besteht ja durchaus die Chance, so eine Duftmarke beim Pfälzer Publikum zu setzen. Wobei ich dies nicht überbewerten würde, da diese Engelhorn sicherlich bereits kennen. Nicht zuletzt: Ich würde mal vermuten, dass der Betreiber der Rhein-Galerie für das Engelhorn-Pop-Up den roten Teppich ausgerollt hat, also mit äußerst günstigen Konditionen für die Fläche. Ich wäre sogar nicht überrascht, wenn Engelhorn dort nur die Betriebskosten zahlen müsste und - falls es nicht funktioniert - ist der Laden schnell wieder zu. Es ist ja ein Pop-Up.
Mit neuen Shopping-Center- Projekten ist also eher nicht zu rechnen?
Will: Nein, der Markt ist schon übersättigt. Da werden Flächen eher abschmelzen. Wir haben schon Shopping-Center, die komplett umgewandelt oder sogar abgerissen werden. Auch die Projektfinanzierung ist ein zunehmendes Problem. Die Banken halten sich sehr zurück. Dazu kommen noch die deutlich gestiegenen Kreditzinsen und Baukosten. Bis vor Kurzem waren Shopping-Center beliebte Anlageobjekte gerade für Finanzinvestoren. Aber jetzt werden viele nur noch mit spitzen Fingern angefasst.
Weil die Handelsbranche für Investoren nicht mehr attraktiv ist?
Will: Da schlägt auch durch, dass Investoren sehr viel stärker auf Nachhaltigkeit bei ihren Anlageobjekten achten. Einkaufszentren haben zum Beispiel durch die Notwendigkeit zur Beheizung oder Kühlung großer Mall-Flächen keinen so guten CO2-Fußabdruck.
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