Heidelberg. Frau Volmer, Herr Wilhelm, warum engagieren Sie sich bei Fridays for Future mit Protesten gegen Heidelberg Materials?
Joshua Wilhelm: Wir sehen natürlich schon, dass wir Zement brauchen und dass bei dessen Herstellung zwangsläufig CO2 freigesetzt wird. Wir sehen aber auch Raum für Veränderungen, der nicht genutzt wird. Dazu gehört, dass der Konzern die Menschenrechtsverletzungen, zum Beispiel in Indonesien und Togo, nicht beendet. In Indonesien hält der Konzern trotz massiver Proteste der lokalen Bevölkerung am geplanten Kalksteinabbau in einem Karstgebirge fest, obwohl ein Gutachten davor warnt, da dies die Wasserversorgung der Region gefährde.
Statt die Zementproduktion auszubauen, müsste Heidelberg Materials auf die Vermeidung von Emissionen durch weniger Zement und mehr alternative Baustoffe setzen. Dass der Konzern in seinem norwegischen Werk in Brevik die Abscheidung und Speicherung von CO2 testet, ist eine gute Sache. Aber diese CCS-Technologie ist nicht skalierbar. Es ist einfach nicht genug, was Heidelberg Materials tut.
Aber Heidelberg Materials bezeichnet gerade das Projekt in Norwegen als Durchbruch im Kampf gegen CO2-Emissionen in der Zementherstellung. Und die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS) ist aus Unternehmenssicht nötig, um das CO2-Problem in den Griff zu bekommen.
Nele Volmer: Das sehen wir nicht so. Heidelberg Materials macht einfach munter weiter und setzt nur ein bisschen CCS obendrauf. Dieses eine CCS-Werk in Brevik wird weniger als ein Prozent des Gesamtausstoßes des Unternehmens herausfiltern. Das ist nicht sonderlich viel. Es müssten also viel mehr CCS-Anlagen gebaut werden. Das geht aber nicht so einfach. CCS ist eine wichtige und gute Technologie, aber sie ist sehr energieintensiv - und dafür gibt es momentan nicht genügend grüne Energie. Auch die Speicherung von CO2 im großen Stil ist noch nicht zu 100 Prozent geklärt.
Aber es gibt doch schon Speichermöglichkeiten. Das Kohlendioxid aus Brevik soll in leeren Gasfeldern in der Nordsee gespeichert werden.
Wilhelm: Ja, da gibt es bereits ein paar Speicherorte. Doch das kann nicht die Priorität sein. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sagen, wir müssen an allererster Stelle überlegen, wie wir den CO2-Ausstoß reduzieren. Erst für das, was dann übrig bleibt, sind dann solche Technologien wie CCS sinnvoll.
CO2 fällt bei der Herstellung von Zement, bei der Aufspaltung des Klinkers, an - dafür gibt es kaum Alternativen. Wie wollen Sie das Problem lösen?
Volmer: Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Ja, wir brauchen Wohnungen und Häuser - uns ist aber ganz wichtig: Sanierung geht vor Neubau. Dadurch lässt sich viel CO2 einsparen. Relevant ist auch die effiziente Nutzung von Wohnraum. In Deutschland steigt die Wohnfläche pro Kopf immer weiter an, dazu kommen viele Leerstände. Das sind strukturelle Themen, die die ganze Gesellschaft angehen muss.
Darauf könnte Heidelberg Materials-Chef Dominik von Achten sagen, dass er für diese Probleme nicht verantwortlich ist …
Volmer: Das ist er auch nicht. Aber der Vorstand will weiter neue Zementwerke bauen und noch mehr Zement produzieren. Das ist für ein profitorientiertes Unternehmen selbstverständlich, aber eben problematisch für Umwelt und Gesellschaft. Und es gibt ja auch Möglichkeiten, weniger Beton am Bau einzusetzen, etwa mit Hohldecken oder gradiertem, also leichterem Beton. Und Heidelberg Materials setzt auch schon kalzinierten Ton als Ersatzstoff für Zement ein. Aber das sind bisher nur kleine Beiträge, um CO2 einzusparen. Das müsste viel mehr werden.
Fridays for Future - Globale Bewegung
- Nele Volmer (26) und Joshua Wilhelm (20) sind beide seit zwei Jahren bei Fridays for Future aktiv. Volmer ist Doktorandin in Physik, Wilhelm Student der Volkswirtschaftslehre.
- Fridays for Future Heidelberg ist Teil der globalen Fridays-for Future-Bewegung, die sich für die Bekämpfung der Klimakrise und die Einhaltung des im Pariser Klimaabkommen vereinbarten 1,5-Grad-Ziels einsetzt.
Heidelberg Materials will bis 2050 CO2-neutral werden. Damit sieht der Vorstandsvorsitzende den Konzern als Pionier der Branche in Sachen Klimaschutz. Nehmen Sie ihm das ab?
Volmer: Nein, für uns ist er nicht glaubwürdig. Wir glauben, dass sein Plan nicht funktioniert. Der Ansatz ist der falsche. Es muss darum gehen, weniger Zement und Beton zu produzieren. Grüner Beton ist einfach nicht realistisch - er ist eine Lüge. Zement kann nicht CO2-frei produziert werden. Zementproduktion wie bisher und ein bisschen Kompensation durch CCS - das ist wie Fliegen und zehn Euro als Klima-Ausgleich zahlen.
Wilhelm: Wir wollen auch, dass Heidelberg Materials genauer hinschaut, wie die Baustoffe produziert werden. Da geht es um Menschenrechte und eine faire Bezahlung von Arbeiterinnen und Arbeitern weltweit. Darüber müssen wir auch reden.
Es gab doch bei der Hauptversammlung ein Gespräch mit Fridays-for-Future-Aktivisten und Dominik von Achten sowie Aufsichtsratschef Bernd Scheifele. Wie lief das aus Ihrer Sicht?
Volmer: Wir beide waren nicht dabei, aber haben genau berichtet bekommen, wie es ablief. Unsere Leute haben eine ganz andere Wahrnehmung als Herr von Achten. Das war kein Austausch, kein echtes Gespräch von beiden Seiten, wie er es geschildert hat. Es gab nur ein Angebot, dass wir uns doch das CCS-Werk in Norwegen anschauen sollten. Es wäre schön, wenn es ein echtes Gesprächsangebot gäbe. Wir wären gerne bereit, mit Herrn von Achten zu sprechen und beratend zur Seite zu stehen auf dem Weg zur Dekarbonisierung.
Nach Norwegen wollen Sie aber nicht?
Wilhelm: Eher nicht, das wäre eine weite Reise, eventuell sogar mit Flug. Es wäre sicher interessant, sich das Werk anzuschauen. Aber an unserer grundsätzlichen Meinung würde es nichts ändern.
Was halten Sie von der Namensänderung vor rund einem Jahr - von HeidelbergCement zu Heidelberg Materials? Es gab auch Vorwürfe, dass man damit Greenwashing betreibt, sich also grüner machen will, als man tatsächlich ist.
Volmer: Ja, das ist Greenwashing. Für uns ändert der Name nichts. Wir werden auch weiter Kritik an dem Unternehmen üben und Protestaktionen gegen Menschenrechtsverletzungen und Klimazerstörung planen.
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