Das Wichtigste in Kürze
* Die SV Sparkassenversicherung verzeichnete 2024 starke Lebensversicherungsabschlüsse. * Elementarschäden durch Unwetter in Baden-Württemberg belasten die Versicherer.
Mannheim. Die SV Sparkassenversicherung hat im vergangenen Jahr rund 100 Millionen Euro verdient. Allerdings belasten die Elementarschäden durch Unwetter die Bilanz. Vorstandschef Andreas Jahn fordert von der Politik mehr Prävention.
Herr Jahn, im Schnitt hat jeder Deutsche sechs Versicherungen. Wie viele Policen haben Sie denn?
Andreas Jahn: Exakt 20. Ich weiß das so genau, weil ich kürzlich eine Wette mit einem Sparkassen-Vorstand gemacht habe. Der meinte, er hätte mehr Versicherungen. Leider hat er gewonnen.
Versicherungen haben nicht gerade den besten Ruf. Sie verlangen hohe Beiträge und knausern bei der Schadensregulierung. Ich nehme mal an, dass Sie das so nicht stehen lassen wollen.
Jahn: Das hört man immer an den Stammtischen. Es stimmt in der Tat, dass einige Menschen so über Versicherungen denken, seltsamerweise aber nicht über ihren eigenen Versicherungsvertreter. Das passt aber von der Logik her nicht zusammen, offensichtlich handelt es sich um Vorurteile, denn die meisten Leute vertrauen ihren Versicherungsvertretern. Sie wissen, dass es da jemanden gibt, der ihnen hilft, wenn ein Schaden aufgetreten ist und sich darum kümmert, dass alles schnell abgewickelt wird und sie dann ihr Geld bekommen. Die Vorurteile gegen die Branche haben also nichts mit der Wirklichkeit zu tun.
Wirklich nicht?
Jahn: Nein, das wissen wir auch deshalb, weil wir unsere Kundinnen und Kunden regelmäßig befragen. Die Zufriedenheit mit unserer Branche und der SV Sparkassenversicherung ist recht hoch.
Zumindest schließen Ihre Kunden viele Lebensversicherungen bei Ihnen ab, Sie haben 2024 das beste Neugeschäft seit 20 Jahren gemacht.
Jahn: Ja, nur 2004 lief es besser, aber das war ein Ausnahmejahr, weil seit 2005 nur noch die Hälfte der Lebensversicherung steuerfrei ist. Viele haben deshalb damals eine neue Lebensversicherung abgeschlossen, um sich noch den vollen Steuervorteil zu sichern.
Wie hoch ist denn die Gesamtverzinsung?
Jahn: Die liegt für dieses Jahr bei 3,25 Prozent. Damit schneiden wir im Vergleich zur Konkurrenz recht gut ab.
Und wie hoch ist die Rendite - zum Beispiel im Vergleich mit einem Aktienfonds?
Jahn: Einen solchen Vergleich halte ich für nicht sachgerecht. Eine Lebensversicherung ist anders als ein Aktienfonds ja keine reine Geldanlage. Sie deckt zusätzlich Risiken wie den Hinterbliebenenschutz ab. Das kostet auch etwas. Die Lebensversicherung ist so betrachtet eher eine Rentenversicherung, die einen gewissen Lebensstandard im Alter sichern soll. Und da muss jeder mit Blick auf die eigene gesetzliche Rente für sich selbst ausrechnen, wie hoch dann die Lücke im Vergleich zum früheren Erwerbseinkommen ist. Da gibt es natürlich große Unterschiede.
Zum Beispiel?
Jahn: Wer zum Beispiel eine Immobilie hat und die dann beim Renteneintritt abbezahlt hat, braucht im Ruhestand vielleicht nicht ganz so viel Geld wie im Erwerbsleben. Wer aber noch eine Weltreise machen will, hat einen höheren Bedarf. Ich persönlich würde deshalb als zusätzliche Altersvorsorge eine private Lebens- oder Rentenversicherung abschließen, weil sich bei dieser zumindest der Mindestwert sicher kalkulieren lässt.
Warum überrascht mich das jetzt nicht?
Jahn: Bedenken Sie: Lebenslange Ausgaben erfordern lebenslange Einnahmen. Und wer dann noch Reserven hat, kann zusätzlich beispielsweise auch in ETF-Anlagen investieren. Es gibt aber auch fondsgebundene Rentenversicherungen, die steuerlich häufig attraktiver sind als das Besparen eines ETF-Fonds. Und wer weniger Geld hat und auf eine ergänzende Rente angewiesen ist, sollte eher auf Nummer sicher gehen.
Mit einem Elementarschadenaufwand von knapp 400 Millionen Euro war 2024 nach Ihren Angaben das viertschlechteste Jahr der Unternehmensgeschichte.
Jahn: Ja, allein die großen Unwetter in Baden-Württemberg haben in den Monaten Mai bis August einen Schadenaufwand von 233 Millionen Euro verursacht. Auch dieses Jahr wird auf der Schadenseite herausfordernd bleiben. Im Südwesten ist ja fast jedes zweite Gebäude bei uns versichert. Die Elementarschäden beschäftigen uns deshalb mehr als andere Versicherer. Und daran wird sich angesichts der Klimaänderung und den Extremwetterereignissen wenig ändern.
Andreas Jahn
Andreas Jahn wurde 1968 in Leverkusen geboren.
Er ist seit 2012 bei der SV Sparkassenversicherung und übernahm damals das Ressort Vertrieb. Seit 2018 ist er Vorstandschef.
Der öffentliche Regionalversicherer mit Sitz in Stuttgart ist in Baden-Württemberg, Hessen, Thüringen und Teilen von Rheinland-Pfalz tätig. Am Standort Mannheim sind 592 Beschäftigte tätig. was
Auch bei der Kraftfahrzeugversicherung mussten Sie bei der Schadenregulierung tief in die Tasche greifen.
Jahn: Ja, das stimmt, aber das war bei allen Autoversicherungen so. Sie haben im vergangenen Jahr einen Verlust von über zwei Milliarden Euro eingefahren. 2023 waren es sogar 3,5 Milliarden Euro. Ich arbeite jetzt schon seit 1987 in dieser Branche, einen solchen Einbruch hat es aber noch nie gegeben. Dazu muss man wissen: Mit der Kfz-Versicherung verdient man ohnehin nicht viel, das ist für manche Versicherer eher ein Türöffner-Produkt für junge Leute, die eben eine Versicherung brauchen, wenn sie mit 18 ihr erstes Auto haben. Wobei man da auch sagen muss, dass heutzutage nicht jeder junge Mensch ein Auto hat. Meine Töchter haben keines und leihen sich manchmal meines aus.
Das Geld verdienen Sie mit den anderen Versicherungen.
Jahn: Eben. Aber noch mal zurück zum Thema. Dass wir Verluste bei der Kfz-Versicherung gemacht haben, liegt nicht daran, dass die Zahl der Unfälle gestiegen ist, sondern weil die Schäden immer teurer werden. Die Kosten für die Reparaturen sind drastisch gestiegen. Wir bekommen Rechnungen von Werkstätten, die verlangen für Lackierarbeiten einen Stundenlohn von 500 Euro.
Das kann doch gar nicht sein.
Jahn: Doch. Es gibt da eine regelrechte Schadeninflation. Die Lohnkosten sind gestiegen, die Ersatzteile werden teurer, es gibt Lieferengpässe. Das nimmt kein Ende. Wir suchen deshalb auch Vertragswerkstätten, die genauso gut reparieren, dafür aber 30 Prozent billiger sind. Dann müssen wir von den Kunden auch nicht so hohe Beiträge verlangen.
Und wie ist es bei den Elementarschäden?
Jahn: Die nehmen drastisch zu. Das führt wie bei der Kfz-Versicherung dazu, dass die Prämien steigen oder die Kunden bereit sein müssen, einen Teil des Risikos durch Selbstbehalte selbst zu übernehmen. Hier haben wir deshalb als Branche auch eine Bitte an die Politik, die immer wieder reflexartig eine Versicherungspflicht ins Spiel bringt. Wir sollten endlich auch mal über Prävention reden. Denn eine Versicherungspflicht löst ja das Problem nicht, sondern wälzt es auf die Versicherungen ab, die verlangen dann höhere Prämien, die die Kunden bezahlen müssen. Nur ein Beispiel: In Deutschland wurden seit dem Jahr 2000 über 32.000 Neubauten in Überschwemmungsgebieten errichtet. Nach meiner Meinung darf die Politik das nicht mehr zulassen. Auch die zunehmende Oberflächenversiegelung ist bei Hochwasser ein Riesenproblem.
Der Ruf nach einer gesetzlichen Lösung rührt natürlich auch daher, dass Hauseigentümer in Hochwasser-Risikogebieten ihr Objekt gar nicht mehr versichern können, weil die Versicherungen sich weigern.
Rabe: Natürlich stoßen wir da an Grenzen, dies ist jedoch ein Phänomen, das wirklich selten auftritt. Sehen Sie: Es gibt in Deutschland 22,2 Millionen Wohngebäude, die alle in Hochwassergefährdungsklassen eingestuft sind. In Klasse 1 kostet die Überschwemmungsversicherung weniger als zehn Euro im Monat, weil da in der Regel nichts passiert. Es gibt aber auch Regionen, in denen es schwierig ist, sich versichern zu lassen, weil eben sehr oft ein heftiger Schaden auftritt. Das sind aber nur ungefähr 0,4 Prozent aller Gebäude. Wenn nun beispielsweise regelmäßig alle drei Jahre ein Schaden von 30.000 Euro eintritt, müsste der Versicherungsnehmer ja eine Prämie in Höhe von 10.000 Euro pro Jahr bezahlen. Wer könnte sich das dann leisten? Natürlich lässt sich für fast alles eine Lösung finden. Nur: Ich bin oft im Dialog mit den Kollegen aus der Schweiz. Die haben ein ganz anderes Risikobewusstsein als wir in Deutschland. Dort würde man im Ahrtal nicht einfach jedes Gebäude dort wieder errichten, wo es vorher stand. Weil sie nämlich schon erahnen, dass dort irgendwann erneut eine solche Katastrophe auftreten kann.
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