Ludwigshafen. Wer vor einer dieser riesigen Anlagen im Ludwigshafener BASF-Werk steht und sich ganz klein vorkommt, kann sich das kaum vorstellen: Drei dieser hochkomplexen Produktionseinheiten sollen abgebaut, verschickt und irgendwo in der Welt wieder aufgebaut werden. Fragen und Antworten zu einem ganz besonderen Geschäft:
Was steckt hinter dem geplanten Verkauf der Ludwigshafener BASF-Anlagen?
Im Februar 2023 hatte der Chemiekonzern bekanntgegeben, dass er elf Anlagen in Ludwigshafen für immer schließen will. Dabei handelt es sich um Anlagen, die besonders viel Energie verbrauchen, zum Beispiel eine der beiden Ammoniak-Anlagen am Standort. Aufgrund der gestiegenen Energiepreise in Deutschland lohnt sich der Betrieb nicht mehr. Der Standort schreibt rote Zahlen und soll wieder profitabel werden.
Was passiert mit den stillgelegten Produktionseinheiten?
„Wir evaluieren verschiedene Ansätze für die Verwertung der Anlagen, die im Rahmen der Strukturmaßnahmen am Standort Ludwigshafen abgestellt werden“, sagt eine BASF-Sprecherin. Grundsätzlich sei es möglich, Anlagenteile in anderen BASF-Produktionsbereichen einzusetzen, Produktionsanlagen an andere BASF-Standorte zu verlagern, oder eben Anlagen oder Anlagenteile zu verkaufen. Anfang Mai hatte BASF bekanntgegeben, dass drei der elf zu schließenden Produktionsstätten verkauft werden sollen. Dabei geht es um die Ammoniak-, die Methanol- und die Melamin-Anlage. Für diese drei hat sich laut Sprecherin „ein Gesamtverkauf als wirtschaftlich attraktivster Ansatz herausgestellt“.
Wie geht so eine komplexe Transaktion vonstatten?
BASF hat eine Vereinbarung mit einem Unternehmen geschlossen, dass genau auf solche Geschäfte spezialisiert ist. Die US-Firma International Process Plants (IPP) übernimmt die weltweite Vermarktung. Über die finanziellen Details dieses Deals wurde Stillschweigen vereinbart. Die Anlagen könnten komplett umgesiedelt werden, hatte IPP erklärt. IPP wollte konkrete Fragen dieser Redaktion nicht beantworten. Auf der Webseite wirbt das Unternehmen aber damit, bereits 300 internationale Projekte in verschiedenen Branchen gemanagt zu haben, ob Verkauf, Ab- und Wiederaufbau von ganzen Anlagen oder Teilen.
Wer kauft so eine millionenschwere Anlage überhaupt?
Laut Vermarkter IPP sei das für Käufer interessant, die schneller und mit weniger Investitionen als bei Neuprojekten an Produktionsstätten kommen wollen. Eine Wiederverwertung ist doch deutlich zügiger als der komplette Neubau einer Anlage inklusive Planungs- und Genehmigungsprozessen. Dass ein direkter Wettbewerber die Hardware aus Ludwigshafen kauft, sieht man bei BASF ganz entspannt. Eine Wettbewerbssituation sei nicht zu befürchten: „BASF produziert Ammoniak am Standort Ludwigshafen primär für den eigenen Bedarf im Produktionsverbund“, erklärt die Sprecherin. Und da dort aufgrund der Umstrukturierungen weniger Ammoniak verbraucht werde, sei eine von zwei Ammoniakproduktionen geschlossen worden.
Wie stehen die Chancen für BASF, für die drei Anlagen einen Abnehmer zu finden - und zu welchem Preis?
Bei BASF gibt man sich optimistisch, dass sich ein geeigneter Käufer findet. Die Anlagen seien „umfänglich gewartet, kontinuierlich modernisiert und technisch voll funktionsfähig“, erklärt die Sprecherin. Die Ammoniak-Anlage wurde 1970 errichtet. Vermarkter IPP schwärmt von den erstklassigen, voll funktionsfähigen Einheiten, die noch bis 2023 in Betrieb waren. IPP wolle für diese hochwertigen Anlagen eine neue Heimat an Standorten finden, die zum Beispiel eine günstige Gasversorgung bieten - also irgendwo in der Welt. Welche Preise für die drei besonderen Verkaufsobjekte zu erwarten sind, wollte beide Seiten nicht verraten. Zum Vergleich: Beim Neubau von Produktionseinheiten fallen - je nach Größe und Innovationsgrad - Investitionen in Höhe von etwa einem zweistelligen Millionenbetrag bis hin zu einer Milliarde Euro an. Die TDI-Anlage etwa, die jetzt auch stillgelegt wird, hatte rund eine Milliarde Euro gekostet.
Was für ein Aufwand steckt hinter Auf- und Abbau?
Der Abbau einer Anlage ist im Vergleich zum Abriss komplexer und dauert mehrere Monate, erklärt die BASF-Sprecherin. Der Konzern habe durchaus Erfahrungen mit solchen Projekten. Möglicherweise holt sich BASF auch Unterstützung von der anderen Rheinseite: Der Mannheimer Industrie-Dienstleister Bilfinger kennt sich aus mit dem Geschäft. Bilfinger habe solche Umsiedlungen bereits von Automotive- über Pharma- bis zu Chemieanlagen umgesetzt, erklärt eine Bilfinger-Sprecherin. Man sei auch aktuell in Gesprächen mit einem Großkunden aus dem Chemieumfeld zu einem entsprechenden Auftrag in Mitteleuropa. Ob es dabei um BASF geht, verrät die Sprecherin aber nicht. Klar ist: Je größer die Anlage, desto komplexer und aufwendiger ist das Unterfangen. An jede Schraube, jede Mutter, jede Dichtung muss gedacht werden. „Man ist da schnell bei mehreren 100 000 Bauteilen oder mehr“, heißt es bei Bilfinger. Und häufig entsprechen auch die Bedingungen oder Anforderungen am Ankunftsort nicht eins zu eins denen des Ursprungsorts, weiß man bei Bilfinger. Das kann Modifikationen an der Anlage nötig machen.
Wie muss man sich einen solchen Umzug vorstellen?
Die Bilfinger-Sprecherin erklärt: „Demontage und Neumontage einer Anlage unterliegen höchsten Sicherheitsanforderungen, aber sie sind im Prinzip einem Umzug, wie wir ihn alle kennen, nicht unähnlich.“ Der Ablauf ist standardisiert: Bestandsaufnahme, Abbauen, Transport, Aufbauen - nur eben in anderen Dimensionen. Dies erfordere viel Industrieerfahrung und Fachleute aus den verschiedensten Gewerken, wie etwa der Mechanik oder Elektrotechnik. Zunächst macht ein Team von Technikern mit der Projektleitung eine Bestandsaufnahme der Anlage. Mit 3D-Scannern wird sämtliches in der Anlage verbautes Equipment erfasst, markiert und in Stücklisten und einem 3D-Layoutplan erfasst. Will der Kunde auch den gesamten Rohrleitungsbau abbauen, der die Anlagenteile miteinander verbindet, wird die Erfassung der Einzelteile noch mal komplexer.
Auf was kommt es beim Transport an?
Wenn die Anlage dokumentiert ist, müssen die Bilfinger-Fachleute vor der Demontage definieren, in welcher Reihenfolge welche Anlagenteile demontiert werden. Das hängt vom Transportmittel ab: Muss man das Ganze auf Lkw verladen oder gibt es einen werksinternen Hafenanschluss für einen Schiffstransport - wie bei BASF? Per Schiff sind ja viel größere Teile möglich. Dann erst geht es an die eigentliche Demontage, das Verladen in Transportkisten und die Beförderung. Am Ausgangsort muss dann alles in der richtigen Reihenfolge und nach Plan entsprechend remontiert werden.
Will BASF weitere Einheiten aus Ludwigshafen verkaufen?
Zum jetzigen Zeitpunkt gebe es keine Vereinbarungen über den Verkauf von Anlagen, sagt die BASF-Sprecherin. Allerdings soll Vorstandschef Markus Kamieth bis Jahresende ein „Zielbild“ des Stammwerks erstellen. Es soll schlanker und wieder profitabel werden. Dass weitere Anlagen stillgelegt werden, ist wahrscheinlich. Je nach Wirtschaftlichkeit könnten auch diese zum Verkauf stehen.
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