Walldorf. Für eine Pressemitteilung von SAP sind die Worte ungewöhnlich offen. Sie kommen von Technologie-Chef Jürgen Müller. Er tritt zum Ende dieses Monats zurück – wegen „unangemessenen Verhaltens“ auf einer Firmenveranstaltung. „Ich bedauere, dass ich unüberlegt gehandelt habe und entschuldige mich aufrichtig bei allen involvierten Personen“, erklärt Müller. Sein Verhalten habe in diesem Moment nicht die Werte bei SAP widergespiegelt. Für das Unternehmen sei es das Beste, wenn er zurücktrete. „Ich übernehme die volle Verantwortung.“
Was ist passiert? Von einer Konzernsprecherin heißt es auf Anfrage: kein Kommentar. Vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats, Pekka Ala-Pietilä, gibt es zum Abschied lediglich wohl klingende Worte in einer Mitteilung: „Wir danken Jürgen Müller für seine signifikanten Leistungen und wünschen ihm alles Gute für seine weitere Zukunft.“
Jürgen Müller seit 2013 bei SAP
Dass etwas Heftiges vorgefallen sein muss, steht außer Frage. Schließlich sieht sich Müller gezwungen, in aller Öffentlichkeit eine Entschuldigung abzugeben – und das gleich bei mehreren Personen. Nach Informationen dieser Redaktion hat sich der Vorfall schon vor einiger Zeit abgespielt und könnte mit der Kundenmesse SAP Sapphire in Barcelona zusammenhängen. Diese fand Mitte Juni statt. Seither soll die Compliance-Abteilung die Firmenveranstaltung aufgearbeitet haben. Auch der Aufsichtsrat wurde eingeschaltet.
Klar ist: Mit Müllers Leistung im operativen Geschäft hat der Abschied nichts zu tun. Der 42-Jährige wurde und wird wegen seiner Expertise geschätzt. Der Manager ist seit 2013 bei SAP und seit 2019 im Vorstand.
Hauptsächlich von Berlin und Potsdam aus verantwortet er die wichtige Business Technology Platform (BTP), über die sich SAP-Programme erweitern, Geschäftsprozesse automatisieren und Daten analysieren lassen. Erst im April wurde der Vertrag von Müller bis 2027 verlängert. Hasso Plattner, SAP-Mitgründer und damals noch Vorsitzender des Aufsichtsrats, lobte Müller, er habe BTP „als Plattform der Wahl für unsere Kunden etabliert“. Plattner und Müller kennen sich schon lange, zumal Müller am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam promovierte.
Der 42-Jährige gehört zu den Top-Verdienern im Softwarekonzern. Für das Jahr 2023 erhielt er laut Vergütungsbericht rund 3,65 Millionen Euro. Wie sich sein Abschied von SAP finanziell gestaltet, wird sich spätestens mit dem nächsten Vergütungsbericht im Frühjahr 2025 zeigen.
Vor allem mit Künstlicher Intelligenz hat Müller immer große Chancen verbunden. In einem Interview mit dieser Redaktion sagte er im März 2023: „Ohne Taschenrechner und Computer hätte es viele Erfindungen in der Welt nicht gegeben. Technologie kann gut und schlecht genutzt werden. Wir wollen sie natürlich gut nutzen. Am Ende passen sich Technologie und Mensch einander an.“ Zumindest bei SAP wird Müller diesen Prozess nicht mehr mitgestalten können.
Innerhalb kurzer Zeit hat SAP drei Vorstandsmitglieder verloren
Übergangsweise wird nun Konzernchef Christian Klein die Verantwortung für den größten Teil des Vorstandsbereichs Technologie und Innovation übernehmen. Operativ fängt Michael Ameling, der zuvor unter Müller arbeitete, das meiste auf. Die Teams für Sicherheit und Cloud Compliance wandern zu Thomas Saueressig.
Kurios: Bei SAP sind nun zwei Vorstandsposten vakant. Neben Müllers Ressort auch der Vertrieb, der bis vor Kurzem noch von Scott Russell geführt wurde. Er verließ SAP Ende August, ebenso Marketing-Chefin Julia White. Ihr Ressort wurde aufgelöst. Innerhalb weniger Wochen hat SAP damit gleich drei Vorstandsmitglieder verloren. Das macht die Nachfolgesuche noch anspruchsvoller.
Für Konzernchef Klein ist das keine gute Nachricht, zumal sich SAP selbst mitten in einem beispiellosen Umbau befindet. Die Walldorfer wollen sich verstärkt auf KI ausrichten. Weltweit sollen dafür Tausende Stellen abgebaut werden. Es scheint also nicht wenige zu geben, die unter dem massiven Veränderungstempo in Walldorf ächzen – und lieber woanders arbeiten möchten. Wie sehr es hinter den Kulissen brodelt, zeigt eine Mitarbeiterumfrage. Nur noch etwas mehr als jeder zweite Beschäftigte vertraut dem Vorstand (56 Prozent) – ein deutliches Minus von zwölf Prozentpunkten gegenüber 2023.
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Bergsträßer Anzeiger Plus-Artikel Kommentar Wieder ein Wechsel im Vorstand - SAP im Chaos