SAP krempelt Vorstand um - Julia White und Scott Russell gehen

Nächster Paukenschlag bei SAP: Mitten im Konzernumbau verlassen nun auch zwei Vorstandsmitglieder den Konzern

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Alexander Jungert
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Blick auf das neue SAP Lab in München, hier arbeitet das Unternehmen mit der Technischen Universität München zusammen. © SAP SE

Walldorf. Erst vor wenigen Tagen hat sich Julia White mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der ganzen Welt getroffen. Es sei darum gegangen, „Teamerfolge zu feiern und auf unseren Erfolgen aufzubauen, während wir uns auf den Rest des Jahres vorbereiten“, schreibt die SAP-Marketingchefin auf dem Karrierenetzwerk Linkedin.

White nur noch bis Ende August bei SAP

White allerdings wird nur noch bis Ende August beim Walldorfer Softwarekonzern sein. Nach „reiflicher Überlegung“ habe sie sich mit dem Aufsichtsrat einvernehmlich darauf geeinigt, SAP zu verlassen, heißt es in einer internen Mail vom Dienstag, die dieser Redaktion vorliegt.

Whites Ressort soll aufgelöst und ihre Aufgaben sollen nach und nach auf bestehende Vorstandsbereiche verteilt werden. Das Spitzenmanagement von SAP besteht künftig also nur noch aus sieben statt acht Mitgliedern.

© SAP

Mit White geht auch Vertriebschef Scott Russell. Die Nachfolgesuche für ihn läuft bereits. So lange übernimmt Vorstandsvorsitzender Christian Klein Russells Aufgaben - und bekommt so ein Stückchen mehr Verantwortung. Zumindest für die nächsten Wochen.

© SAP

White und Russell waren im Frühjahr 2021 zum Softwarekonzern gekommen. „Wir danken Julia und Scott für alles, was sie für SAP getan haben und wünschen ihnen alles Gute für ihre nächsten Schritte“, erklärt Klein in der internen Mail an die Belegschaft. Worte, wie man sie bei Abschieden üblicherweise wählt.

Doch dahinter steckt mehr. Klein und der Aufsichtsrat stricken schon seit Längerem an der passenden Aufstellung im Top-Management. Mit Gina Vargiu-Breuer war Anfang dieses Jahres eine neue Arbeitsdirektorin gekommen. Zum April schuf SAP zudem ein neues Vorstandsressort „Customer Services & Delivery“. Geleitet wird es von Thomas Saueressig, der schon länger im Vorstand sitzt und ein Walldorfer Eigengewächs ist. Saueressig soll Kunden auf ihrem Weg in die Cloud begleiten und ihre Zufriedenheit steigern.

SAP-Chef Christian Klein beschwört neue Leistungskultur

Seit einigen Jahren richtet sich SAP verstärkt auf die Cloud aus, also auf Mietsoftware im Internet. Darunter fallen alle möglichen Anwendungen - für Finanzbuchhaltung, Beschaffung oder Reisekosten etwa. Für den Konzern bedeutet das regelmäßig wiederkehrende Erlöse. Zwar läuft der Cloud-Kurs rund und verbucht kräftige Zuwächse. Doch nach wie vor gibt es viele Kunden, die mit der Umstellung zögern.

Einsatz von KI wird vorangetrieben

Auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) wird vorangetrieben. Auf der jüngsten SAP-Kundenmesse Sapphire war sie das beherrschende Thema. KI-Chef Philipp Herzig berichtet mittlerweile direkt an Klein. Einer der Hoffnungsträger ist „Joule“, ein digitaler Assistent, den Kunden in natürlicher Sprache anweisen können. 

SAP habe das Ziel, der führende Anbieter von Unternehmenssoftware und Unternehmens-KI zu sein, hatte der Konzernchef zuletzt erklärt. Für SAP bedeutet das: Es bleibt kein Stein auf dem anderen. Weltweit werden momentan rund 10 000 Arbeitsplätze abgebaut, mehr als geplant. Damit will das Unternehmen Kosten sparen, profitabler und schneller werden.

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Klein zieht die Zügel an, beschwört eine neue Leistungskultur. Das Management will die Beschäftigten öfter im Büro sehen, mindestens drei Mal die Woche. In der Belegschaft sorgt das für Unruhe. Der Betriebsrat der SAP SE hat sich sogar juristisch gewehrt; ein Vergleich vor dem Mannheimer Arbeitsgericht sieht eine Einigungsstelle vor.

Hohes Interesse an Vorruhestand- und Freiwilligenprogrammen

Wie sehr es hinter den Kulissen brodelt, zeigt die kürzlich bekannt gewordene Mitarbeiterumfrage. Nur noch etwas mehr als jeder zweite Beschäftigte vertraut dem Vorstand (56 Prozent) - ein sattes Minus von zwölf Prozentpunkten gegenüber 2023. Dass SAP hierzulande von dem hohen Interesse am Vorruhestand- und Freiwilligenprogramm überrannt worden ist, spricht Bände. Auffällig ist, dass neben Angehörigen der Altersgruppe ab 55 auch viele jüngere Kolleginnen und Kollegen SAP verlassen wollen.

Der Umbau macht nun vor dem Spitzenmanagement nicht halt. White weg, Russell weg, Aufgabenverteilung neu geregelt, Vorstand gestrafft. Der nächste Knall in Walldorf. „Die Änderungen werden die Transformation des Unternehmens weiter beschleunigen“, gibt sich SAP in einer Pressemitteilung selbstbewusst. Und Pekka Ala-Pietilä, Vorsitzender des Aufsichtsrats, erklärt, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen sei, „um die nächste Wachstumsphase einzuläuten“.

Betriebsrat: Beschäftigte brauchen ausreichend Zeit

Es scheint nicht wenige zu geben, die unter dem massiven Veränderungstempo in Walldorf ächzen. Hier und da ist zu hören: Klar, SAP geht es finanziell gut, SAP ist und bleibt ein großer Name. Nur ist der Konzern stark mit sich selbst beschäftigt.

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„Wir hoffen, dass die Verkleinerung des SAP-Vorstands einen Schritt in Effizienz, Innovation und Wachstum darstellt“, erklärt Eberhard Schick, Betriebsratsvorsitzender der SAP SE. „Wir würden es begrüßen, wenn die neuen Strukturen möglichst langfristig stabil bleiben. Als Betriebsrat wollen wir, dass die Beschäftigten bei SAP Zeit bekommen, um sich auf diese Veränderungen einzustellen.“

Am Ende der internen Mail lässt Konzernchef Christian Klein seine Vision anklingen. „Dies ist ein wichtiges Jahr für SAP. Ich danke Euch für Euren wertvollen Beitrag zur kontinuierlichen Transformation und zum Erfolg von SAP. Gemeinsam bauen wir die SAP von morgen. Beste Grüße, Christian.“

Redaktion berichtet aus der regionalen Wirtschaft

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