Fußball-EM

Die österreichische Mission bleibt unvollendet

Als Geheimfavorit gehandelt, verabschiedeten sich die Österreicher bei der EM nun schon im Achtelfinale. Für Trainer Ralf Rangnick war das schwer zu begreifen. Er versucht, dennoch nach vorne zu schauen

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Frank Hellmann
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Zum Verzweifeln: Österreichs Trainer Ralf Rangnick (rechts) hadert mit dem EM-Aus gegen die Türkei. © Robert Michael/dpa

Wer in dieser verregneten Leipziger Nacht die hadernde rot-weiß-rote Gemeinschaft zu später Stunde auf der Eisenbahnstraße erlebte, bekam dieselbe Gefühlslage wie kurz zuvor vom Teamchef Ralf Rangnick aus der Arena am Sportforum übermittelt. Das Aus im EM-Achtelfinale gegen die Türkei (1:2) fühlte sich grotesk wie surreal an. „Es ist eine große Enttäuschung und Leere da. Ich kann es im Moment noch gar nicht richtig glauben, dass wir nach Hause fahren“, gestand der Lehrmeister.

Ausgerechnet in jenem Presseraum, in dem er oft genug als Projektleiter von RB Leipzig über den Fortschritt im Fußball räsoniert hatte, sollte er den Rückschritt analysieren. Das gelang nur mittelprächtig. Letztlich war seine Auswahl nicht in der Lage, erstmals in der Geschichte ein EM-Viertelfinale mit spielerischen Mitteln zu erreichen. Denn kämpferisch hatten die Türken dank ihrer leidenschaftlichen Fans ein bisschen mehr zu bieten.

Kapitän Arnautovic deutet Rücktritt aus der Nationalelf an

So ganz wahrhaben wollte das Rangnick jedoch nicht. Außer zwei „nicht gut verteidigten Standardsituationen“ und der Abschlussschwäche könne er seinen Spielern nichts vorwerfen. Das Kardinalproblem seines Kaders sind Qualitätsmängel ganz vorne und ganz hinten: Es fehlen ein Torjäger und ein Torwart von internationaler Klasse.

Der mit seinem Abschied aus der ÖFB-Auswahl kokettierende Kapitän Marko Arnautovic („Es kann sein, dass es das letzte Spiel für mich war“) hätte zwingend ausgewechselt gehört und der nie wirklich sicher wirkende Keeper Patrick Pentz scheute sich, seinen Luftraum zu beherrschen. Es wäre keine schlechte Idee gewesen, bei den Ecken von Arda Güler entschlossen herauszulaufen. So traf Merih Demiral nach einer kuriosen Fehlerkette bereits nach 57 Sekunden per Fuß und nach 59 Minuten per Kopf.

Fokus auf Nations League und WM-Qualifikation

Das frühe 0:1 war der Anfang vom Ende für die phasenweise ideenlose Rangnick-Elf. Der Schwabe tröstete sich damit, anders als viele arrivierte Nationen immerhin den Spaßfaktor bedient zu haben. „Es waren vier megaunterhaltsame Spiele. Es gab andere Spiele, wo ich Mühe hatte, mich wach zu halten.“

Der Nationaltrainer benannte die Nations League im Herbst - vor allem aber die WM-Qualifikation im nächsten Frühjahr - als lohnenswerte Ziele: „Wir sind im UEFA-Ranking im ersten Topf. Das gab es Jahrzehnte nicht mehr.“ Gleichwohl hatte sich Rangnick speziell für die EM in Deutschland insgeheim mehr erhofft - die Mission kommt unvollendet rüber. Viele Anhänger hatten das Halbfinale für möglich gehalten, da doch die Niederlande bereits in der Gruppenphase in Berlin besiegt worden waren.

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Nun an alter Wirkungsstätte an Grenzen zu stoßen, gefiel Mastermind Rangnick schon deshalb nicht, weil man denselben Gegner erst im Frühjahr in einem Testspiel mit 6:1 aus dem Ernst-Happel-Stadion gefegt hatte. Nun habe man wieder „so viele Torchancen“ gehabt, haderte Rangnick. „Das Torschussverhältnis war 21:6.“ Abgesehen von Gregoritschs Erfolgserlebnis (66.) standen aber stets ein Abwehrbein oder Torhüter Mert Günok im Weg, der in letzter Sekunde auch den Kopfball des danach auf dem Rasen weinenden Christoph Baumgartner von der Linie kratzte.

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