Mannheim. Man stelle sich einmal folgendes Szenario vor: Ein Handball-Bundesligist startet mit 0:6 Punkten in die neue Saison, anschließend stärkt der mächtige Präsident aber dem Trainer den Rücken, weil man „vom eingeschlagenen Weg überzeugt“ ist, bei seiner „Linie bleiben und nichts verändern“ will. Genau eine Woche später sitzt aber ein neuer Trainer auf der Bank, doch sein Vorgänger muss trotzdem nicht gehen, sondern wird zum Assistenten degradiert – und lässt das mit sich machen.
Der „FC Hollywood“ des Handballs
Das klingt natürlich erst einmal verrückt, doch es geschah im Herbst 2024 beim HC Erlangen, wo Martin Schwalb übernahm und Johannes Sellin verdrängte. Doch die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Zu ihr eine ganz besondere Pointe. Denn fünf Monate später folgte die Rolle rückwärts: Schwalb musste wieder gehen – und sein Nachfolger ist…Trommelwirbel…natürlich Sellin. Willkommen in der wundersamen Welt des HCErlangen, der sich längst als „FCHollywood“ einen Namen gemacht hat und trotz – oder gerade wegen all der Trainer-Rochaden – noch mitten im Bundesliga-Abstiegskampf steckt.
Am Donnerstag (19 Uhr/live bei Dyn) müssen die Rhein-Neckar Löwen bei den Franken antreten, die punktgleich mit der SGBBMBietigheim auf dem vorletzten Tabellenplatz liegen. Und das trotz eines durchaus namhaft besetzten Kaders, der in der Winterpause erneut verstärkt wurde. Aus Leipzig kam beispielsweise der isländische Nationalspieler Viggó Kristjánsson zum HCE, der seit Jahren von höheren Tabellenregionen träumt und mit durchaus beachtlichen Gehältern lockt. Eine Wohlfühloase, in der Präsident Carsten Bissel das Sagen hat.
Der Jurist ist übrigens der Schwiegervater des ehemaligen Fußball-Nationaltorwarts Manuel Neuer – und lässt selten Zweifel daran aufkommen, wer in Erlangen das Sagen hat. Nämlich er. So ganz nach dem Motto: Wer das Geld gibt, der entscheidet. Zuletzt entschied sich Bissel für sieben Trainerwechsel in fünf Jahren. Von den vielen Personalwechseln im Kader ganz zu schweigen. Dass der zum ThSV Eisenach verliehene Bundesliga-Torschützenkönig Manuel Zehnder deshalb im Sommer 2024 unter keinen Umständen zurück zu den Franken wollte und seinen Vertrag kündigte, passt ins Bild. Zehnder steht nach einem Rechtsstreit nun beim SCMagdeburg unter Vertrag.
„Überrascht“ sei er, gibt Löwen-Trainer Sebastian Hinze zu, dass die Franken „jetzt mit zehn Punkten dastehen. Näher bewerten möchte der 46-Jährige diese Tatsache aber nicht: „Das wäre unfair. Aber natürlich ist die Qualität im Kader besser als das, was der Tabellenplatz aussagt.“
Einmal mehr personelle Sorgen
Zuletzt stabilisierten sich die Erlanger immerhin ein wenig. In den zurückliegenden fünf Begegnungen sammelten die Franken vier Zähler, dem Pflichtsieg beim abgeschlagenen Tabellenletzten VfL Potsdam folgten zwei beachtliche Punktgewinne gegen Spitzenreiter Füchse Berlin und bei den heimstarken Eisenachern. „Die Ergebnisse und auch die Spielweise zeigen, dass der HCE zu seinen Grundtugenden zurückgekehrt ist“, sagt Hinze, der großen Respekt vor Winter-Zugang Kristjánsson hat: „Er gibt den Erlangenern im Angriff natürlich ein hohes spielerisches Element. Er ist ein verkappter Mittelmann, der sehr viel steuert. Es wird ein Schlüssel sein, dass wir ihn in den Griff bekommen.“
In personeller Hinsicht hat der Löwen-Trainer einmal mehr mit Problemen zu kämpfen, insbesondere der Rückraum stellt sich von allein auf. Nach seinen Schulteroperationen ist Halil Jaganjac weiterhin nur für die Abwehr eine Option, auch Sebastian Heymann wird ausschließlich in der Deckung helfen können. „Er hat nach wie vor Probleme am Ellbogen“, berichtet Hinze, der ohnehin auf seinen Topstar Ivan Martinovic verzichten und schon die ganze Saison über immer wieder improvisieren muss: „Das ist ein bisschen schade, weil wir in der Zusammenstellung des Kaders gute Dinge gemacht haben. Mit weniger Verletzungspech bei den Schlüsselspielern wäre in der Bundesliga eine deutlich bessere Rolle möglich gewesen.“
Davidsson wechselt zurück nach Schweden
Geklärt ist unterdessen die Zukunft von Noch-Löwe Gustav Davidsson. Der Vertrag des Rechtshänders wird beim zweifachen Meister nicht verlängert und er kehrt zurück zu Hammarby IF. Vor zwei Jahren war Davidsson vom schwedischen Traditionsverein nach Mannheim gewechselt, der große Durchbruch blieb ihm indes versagt. „Die Zeit in Deutschland war fantastisch. Ich habe viele Erfahrungen gesammelt“, sagt der 25-Jährige. So viel erlebt wie andere in Erlangen hat er allerdings nicht...
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/sport/vereine_artikel,-rhein-neckar-loewen-rhein-neckar-loewen-reisen-zu-manuel-neuers-schwiegervater-_arid,2301169.html