Ein paar frühere Helden der Rhein-Neckar Löwen können sich freuen. Zum Beispiel Andy Schmid. Der Schweizer leidet in der aktuellen Situation zwar mit seinem ehemaligen Verein. Doch wenn es bei seinem Ex-Club weiter so katastrophal läuft wie in den vergangenen Monaten, wird die schlechteste Saison der Vereinsgeschichte seit dem Aufstieg 2005 nicht mehr mit Schmids Namen verbunden sein.
Im Sommer 2022 war das der Fall, also ausgerechnet in jenem Jahr, als der Mittelmann die Mannheimer nach zwölf Jahren verließ und der Handball-Bundesligist eine enttäuschende Saison auf Platz zehn mit 30:38 Punkten beendete.
Aktuell steht der Pokalsieger bei 18:24 Zählern (zur gleichen Zeit in der Saison 2021/22 waren es 17:25) und präsentiert sich seit Dezember derart verunsichert, dass man den Abstiegskampf besser nicht gedanklich beiseiteschieben sollte. Zu klar fielen die jüngsten Niederlagen aus. Zu eindeutig wiederholte sich das Bild einer nicht gefestigten, in kritischen Phasen sogar kopflos agierenden Mannschaft. Auch gegen die SG Flensburg-Handewitt am Sonntag reichten bei der am Ende klaren 26:35-Niederlage wenige Minuten, um beim Schlusspfiff wie ein hoffnungslos unterlegener Sparringspartner dazustehen.
„Das ist ein Kack-Gefühl. Und es ist schwierig, damit umzugehen. Gefühlt haben wir nicht so hoch verloren. Aber dann schaust du auf den Videowürfel, siehst das Ergebnis und fragst dich: Wie ist das passiert?“, sagte Torwart David Späth, der die Antwort darauf gleich mitlieferte: „Fünf bis zehn Minuten sind es, die uns das Genick brechen.“ Wieder einmal. Alles wiederholt sich. So wie beim Silvesterklassiker „Dinner for One“. Nur mit dem fatalen Unterschied, dass es bei den Löwen nichts zu lachen gibt.
Nur Siege helfen den Rhein-Neckar Löwen aus der Krise
„Wir wissen, dass diese Phase kommt“, gab Späth zu. Soll heißen: Die Löwen sind eigentlich darauf vorbereitet, dass es irgendwann eine schwächere Periode geben wird. Das Problem ist nur: Die Situation gerät bei den Badenern dann gleich immer außer Kontrolle. Was sie zu einem besonders guten Fall für Angstforscher macht.
Andererseits: Mit Sportpsychologin Katharina Söhnlein gibt es sogar eine Fachkraft beim Bundesligisten, die helfen könnte. Offensichtlich ist ihr das bislang aber nicht gelungen. Was gewiss auch daran liegt, dass sich die Mannschaft das wichtigste Heilmittel nur selbst besorgen kann: Im Streben nach Sicherheit helfen am Ende nur Siege aus der Krise.
Löwe Späth: "Wir müssen gewinnen"
Die nächste Gelegenheit dafür bietet sich den Löwen bereits an diesem Dienstag (20.45 Uhr) in der Hauptrunde der European League. Dann trifft die Mannschaft von Trainer Sebastian Hinze im Heidelberger SNP Dome auf die TSV Hannover-Burgdorf, die sich gerade in einer ganz anderen mentalen Verfassung befindet als die taumelnden Mannheimer. Die Niedersachsen bezwangen am Sonntag den SC Magdeburg, der aktuell als bestes Team der Welt gilt. Unterschiedlicher könnten die Voraussetzungen also kaum sein.
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„Wir müssen gewinnen. Egal wie“, forderte Späth und meinte das nicht nur mit Blick auf die Ausgangslage, die im Europapokal nach der Blamage bei Górnik Zabrze gar nicht mehr so komfortabel ist. Sondern der Nationaltorwart hatte dabei auch das große Ganze im Sinn.
Milde Töne von Löwen-Trainer Hinze
Es geht um einen Stimmungsumschwung, um die ultimative Wende. Weshalb der 21-Jährige dafür plädierte, das Duell mit den Hannoveranern als „K.o.-Spiel“ anzugehen. Derartige Duelle stehen im Europapokal zwar eigentlich immer erst im März an. Doch mittlerweile haben sich die Löwen in eine so schwierige Situation manövriert, in der es für sie von nun an immer um alles geht. Um Punkte. Ums Weiterkommen. Ums Selbstvertrauen. Um die eigene Reputation. Um Wiedergutmachung. Vielleicht sogar bald um den Klassenerhalt.
Bislang behält man im Club die Ruhe. Hinze wurde vor der Begegnung gegen Flensburg zwar deutlicher in seiner Wortwahl und es ist vielleicht kein Zufall, dass Philipp Ahouansou und Andreas Holst Jensen gegen die Norddeutschen 60 Minuten lang zuschauten. Andererseits sah der Löwen-Trainer sein Team nach dem 26:35 keine neun Tore schlechter und schlug milde Töne an: „Wir haben Sachen gemacht, die eine Mannschaft machen muss, um da rauszukommen.“
Fünf, sechs Abschlüsse seien sicherlich „Quatsch gewesen“ und hätten zu dem klaren Resultat geführt, doch viel vorwerfen wollte der Trainer seinem Team nicht. Mit einer Ausnahme: „Wir sind aus dem Tempospiel nicht effektiv genug. Wir laufen, scheitern aber im Abschluss oder erlauben uns technische Fehler.“ Doch damit konnte er leben: „Denn das Tempospiel gehört zu unserer DNA. Wenn ich den Jungs das wegnehme, fangen wir neu an. Und das wollen wir nicht.“
Abstiegskampf auf der Alb
Wenn man mal vom Pflichterfolg im Pokal über den Zweitligisten TuSEM Essen absieht, sind die Löwen nun trotzdem bis zum Spiel gegen Hannover an diesem Dienstag seit genau 80 Tagen sieglos. Eine irre lange Zeit, in der man um die Welt reisen kann. Zumindest im Roman von Jules Verne.
Doch während solch eine Tour recht entspannend und vor allem schön sein kann, erleben die Badener gerade eher einen Horrortrip. Weit weg von den eigenen Zielen - und Ansprüchen. „Das ist der Status quo. Und mit dem müssen wir arbeiten“, so Spielmacher Juri Knorr, der die schwierige Situation annehmen will: „Wir dürfen nicht in Panik verfallen. Es war vielleicht klar, dass diese Saison nicht so einfach wird wie die vorangegangene. Ich hoffe, dass die Ruhe bewahrt und die Situation richtig eingeschätzt wird.“
Bislang gibt es keine Indizien für das Gegenteil. Doch mittlerweile haben die Badener sieben Spiele in Folge verloren. Eine schlimmere Serie gab es nur Ende 2003 und Anfang 2004. Also vor 20 Jahren. Damals verloren die Löwen zwölfmal in Folge und stiegen ab. Ganz so dramatisch sieht es zwar noch nicht aus. Aber eine weitere Niederlage am Samstag (20.30 Uhr) beim Tabellenletzten HBW Balingen-Weilsttten können sich die Mannheimer trotzdem nicht erlauben. Wenn man so will, steht auf der Schwäbischen Alb nämlich nicht nur ein K.o.-Spiel an. Es ist noch vor dem Frühjahrsbeginn das erste Finale.
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