Ein anderer Wettbewerb ist immer auch eine Chance. Im imaginären Floskel-Handbuch des Profisports darf diese Formulierung natürlich nicht fehlen. Sie ist ein echter Klassiker - hinter dem die Hoffnung steckt, alle Probleme und Schwierigkeiten einfach abschütteln zu können. Wie auf Knopfdruck. Was in der Praxis selten klappt. Hin und wieder aber wirklich vorkommt.
Die Handballer der Rhein-Neckar Löwen wissen das. Und zwar aus eigener Erfahrung. Vor etwa einem Jahr reisten sie nach vier Bundesliga-Niederlagen in Folge als krasser Außenseiter zum Final Four um den DHB-Pokal und bemühten das Mantra vom anderen Wettbewerb, der eine Chance sei. Zwei Tage später fuhren sie tatsächlich mit der Trophäe nach Hause. Um übrigens danach noch einmal vier Liga-Niederlagen in Folge zu kassieren.
Späth: „Eines der wichtigsten Spiele des Jahres“
Gar acht von neun Partien verloren die Badener zuletzt in der Bundesliga. Eine Horrorserie. Doch nun müssen sie tatsächlich in einem anderen Wettbewerb ran. Und zwar in der European League, in der die Mannheimer noch dazu die zurückliegenden drei Begegnungen gewannen. Auf der internationalen Bühne läuft es also wesentlich besser. Warum auch immer.
Vor dem Play-off-Hinspiel an diesem Dienstag (20.45 Uhr/live bei Dyn) beim kroatischen Erstligisten RK Nexe Nasice ist das ein Mutmacher. Mehr aber auch nicht. Trainer Sebastian Hinze will sich entsprechend auch nicht darauf verlassen, dass nun plötzlich alles besser wird. Zu sehr haben ihn in den vergangenen Wochen die vielen desolaten Auftritte seiner Mannschaft entsetzt. Ja sogar erschüttert, erschreckt. Weil sich immer und immer wieder ein kollektiver Kollaps an den nächsten reiht.
Rückspiel am 2. April im Heidelberger SNP Dome
„Es wiederholt sich. Wir haben immer unsere zehn Minuten“, sagt Hinze und verzichtet auf eine Fortsetzung des Satzes. Eben diese könnte sich aber in etwa so anhören: „In denen wir unerklärliche Dinge tun.“ Oder so: „In denen wir das ganze Spiel wegwerfen.“ Oder so: „In denen wir die komplette Kontrolle verlieren.“ Passt alles.
Häufig sieht es in diesen Phasen sogar so aus, als hätten sich da ein paar Jungs zufällig getroffen und spontan beschlossen, ein bisschen Handball zu spielen. Weil einfach nichts zusammenpasst. Das würde Hinze zwar niemals so sagen. Aber den Eindruck kann man gewinnen, wenn ohne Not die Pässe reihenweise ins Aus oder zum Gegner geworfen werden.
In Kroatien sollten die Löwen derartige Aussetzer besser unterlassen, wenn sie sich eine ordentliche Ausgangslage für das Rückspiel am 2. April im Heidelberger SNP Dome verschaffen wollen. „Wir müssen stabil bleiben“, sagt Hinze. Und wiederholt, nein predigt, im Prinzip das, was er seit Monaten sagt.
Der nächste Gegner in der European League hieße Sporting Lissabon
Form und psychische Verfassung sprechen vor der Begegnung in Nasice auf keinen Fall für die Badener. Andererseits bekommen sie es auch nicht mit einem übermächtigen Rivalen zu tun. So ehrlich muss man sein. Möglicherweise sind die Löwen aber einmal mehr selbst ihr größter Gegner. Weil sie nicht bei sich bleiben. „Es ist keine einfache, aber eine machbare Aufgabe“, glaubt Rückraumspieler Philipp Ahouansou.
Keine Frage: Auf der internationalen Bühne ist noch einiges drin für die Löwen. Torwart David Späth spricht vor der Prüfung in Kroatien von einem „der wichtigsten Spiele des Jahres“, weil der Pokalsieger in diesem Wettbewerb „noch etwas reißen“ könne. Sollte er sich durchsetzen, hieße der Gegner im Viertelfinale Sporting Lissabon. Die Portugiesen besiegten Bundesliga-Spitzenreiter Füchse Berlin gleich zweimal und sicherten sich Platz eins in ihrer Hauptrundengruppe. Zur Belohnung müssen sie nicht in den Play-offs ran.
Kapitän Patrick Groetzki ist dennoch davon überzeugt, dass für sein Team auch gegen Sporting „etwas möglich“ wäre. Allerdings verbietet es sich angesichts der aktuellen Verfassung, so weit nach vorne zu schauen. Denn so sehr die European League eine Chance sein kann. Nicht selten zeigt sich selbst in einem anderen Wettbewerb die aktuelle Form. Und die ist bei den Löwen bedenklich schlecht. Wie sagt man so schön: Die Tabelle lügt nicht. Noch so eine Redewendung fürs Floskel-Handbuch. Doch auch an dieser Formulierung ist etwas dran.
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