„Ich habe mich in den Club und die Stadt verliebt“

Christoph Ullmann hat viele Jahre das Gesicht der Adler Mannheim geprägt. Beim Abschiedsspiel mit seinem langjährigen Weggefährten Marcus Kink werden am 10. November die Trikots unter das Dach der SAP Arena gezogen

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Das Trikot von Ronny Arendt (r.) hängt schon unter dem Dach der SAP Arena. Die Jerseys von Christoph Ullmann (l.) und Marcus Kink werden folgen. © Sörli Binder

Christoph, was ist das Erste, das Ihnen beim Rückblick auf Ihre lange Karriere einfällt?

Christoph Ullmann: Ich bin stolz auf das, was passiert ist, was ich erleben und wen ich kennenlernen durfte. Meine Karriere war doch ziemlich erfolgreich. Bis auf den kleinen Stolperer hintenraus, bin ich auch ziemlich gesund aus der Sache herausgekommen. Ich habe in meiner Karriere nur für drei Clubs gespielt und kann rückblickend sagen, dass ich immer die richtige Entscheidung getroffen habe.

Sie bereuen nicht, nie im europäischen Ausland gespielt zu haben?

Ullmann: Ganz und gar nicht. Ich bin in Waldkraiburg ausgebildet worden und dann ziemlich früh nach Köln. In dieser Zeit habe ich mich stark in Köln verliebt und habe insgesamt fünf Jahre für die Haie gespielt. Für meine persönliche Entwicklung war das gut. Augsburg zum Schluss hat mir auch viel Spaß gemacht – vor allem die Saison, in der wir Dritter in der Hauptrunde wurden und uns für die Champions Hockey League qualifiziert haben. Hauptbestandteil meiner Karriere waren aber die Adler. Es war sehr schön, dass ich auch noch zwei Jahre im Friedrichspark erleben durfte. Ich habe die ganze Tradition und Historie mitgenommen. Ich habe damals mitten in der City gelebt, jetzt wohne ich mit meiner Familie am Stadtrand. Ich habe mich nicht nur in den Club, sondern auch in die Stadt verliebt. Ich bin hier hängengeblieben und fühle mich pudelwohl.

Sie haben den kleinen Stolperstein am Ende Ihrer Karriere erwähnt. War das das Schlimmste, was Sie in Ihrer Profikarriere erlebt haben? Oder gab es etwas, das noch schwieriger zu verdauen war?

Ullmann: Von der Verletzung weiß ich Gott sei Dank gar nicht so viel. Medial ist da zwar viel auf mich eingeprasselt, aber ich bin sehr schnell wieder zurückgekommen. Insofern waren die beiden Knie-Operationen viel dramatischer, weil sie langwieriger waren. Du musstest erst wieder lernen, deinem Körper zu vertrauen. Aber noch einmal: Von dem Check beim Spiel in Düsseldorf weiß ich nicht mehr ganz so viel. Nach einer Nacht im Uniklinikum bin ich wieder nach Hause gefahren. Ich habe schnell grünes Licht für ein Comeback bekommen. Es ist wohl gut, dass ich davon nicht mehr viel weiß.

Was war das Schönste? Die DEL-Meisterschaften?

Ullmann: Das ist das, was dir sofort einfällt. Du spielst, um zu gewinnen. Wenn du Meisterschaften gewinnst, ist das etwas Besonderes, weil du weißt, dass du das lange in Erinnerung behalten wirst. Im Friedrichspark haben wir ein Finale verloren, dann hatten wir eine katastrophale erste Saison in der SAP Arena, als wir die Play-offs verpasst haben. Im Jahr darauf sind wir hier Meister geworden. Ich glaube, wir haben damals unter Greg Poss nur sieben Spiele in der Hauptrunde verloren. Das war aber auch keine einfache Zeit, ich war damals 23 und musste sehr viel lernen. Über allem steht der Erfolg, wir haben als Mannschaft gelernt, dass es einzig ums Team geht.

Welche Lehre hat Ihnen das Eishockey für Ihr tägliches Leben gebracht?

Ullmann: Nichts ist so wie ein Mannschaftsgefüge, wie ein Kabinenmiteinander. Das hast du im Büro und im Alltag nicht. Wenn du irgendwo mit 0:6 verlierst, raffst du dich auf dem Heimweg als Mannschaft wieder auf und sprichst dir gut zu. Zwei Tage später hast du meist schon die Chance, das vergessenzumachen. Wie du Siege gemeinsam feierst, aber auch die tägliche Arbeit, das Schwitzen, das Bejubelt- oder Ausgepfiffenwerden – so etwas hast du im Alltag gar nicht. Gemeinsam für eine Sache zu arbeiten und zum richtigen Zeitpunkt die beste Leistung abrufen zu können, hat richtig Spaß gemacht. Im Leben danach ist das schwer zu kopieren.

Christoph Ullmann

  • Christoph Ullmann wurde am 19. Mai 1983 in Altötting geboren.
  • Das Eishockeyspielen erlernte der Stürmer beim EHC Waldkraiburg, seine ersten Spiele in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) absolvierte er in der Saison 2001/02 für die Kölner Haie.
  • In der DEL spielte Ullmann nur für drei Clubs: Köln, Mannheim und Augsburg. Mit den Adlern feierte der heute 40-Jährige zwei Meisterschaften (2007/2015).
  • Seinen größten Erfolg mit der Nationalmannschaft feierte Ullmann 2010 mit Platz vier bei der Heim-WM. Nach seiner Karriere blieb der zweifache Familienvater dem Eishockey verbunden.

Wie ist Ihr letztes Profispiel abgelaufen?

Ullmann: Das war Ende Januar 2020 im Curt-Frenzel-Stadion, Heimspiel gegen Straubing. Im ersten Drittel ist mir bei einer Offensivbewegung einer ins Knie gefahren. Ich habe mir das Innenband gerissen. Ich bin mit der Pausensirene in die Kabine, habe es dann noch einmal versucht und bin auf dem Eis ein, zwei Bögen gefahren, aber es hat nicht mehr funktioniert. Wir lagen mit Augsburg so ungefähr auf dem zehnten Platz, es lief alles auf die Pre-Play-offs hinaus. Mitte März haben wir die Saison auch auf dem zehnten Platz abgeschlossen, aber ich war ganz weit davon entfernt, eingreifen zu können. Dann wurde die Saison wegen der Corona-Pandemie abgebrochen. Das war es dann für mich. Das war nicht so einfach. Als ich zum Heimspiel gegen Straubing fuhr, wusste ich ja nicht, dass es mein letztes Spiel sein würde. Das hat einige Zeit gedauert, das zu verdauen.

Nach dem Ende Ihrer Profikarriere sind Sie direkt in die Pandemie reingefallen. Wie war es, nach den vielen Jahren mit einer Mannschaft plötzlich soziale Kontakte einschränken zu müssen?

Ullmann: Das war tatsächlich rückblickend sehr, sehr schön, weil wir erstmal nur uns vier hatten. Das war eine schöne Zeit, weil wir über ganz viele Sachen sprechen konnten. Wir haben viel zusammen gekocht. Jeder kann sich erinnern, was für einen wunderschönen Frühling wir hatten. Wir saßen ganz viel im Garten. In dem Sinne war 100 auf 0 für mich ganz angenehm, weil wir eine hochwertige Zeit als Familie hatten.

Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Begegnung mit Marcus Kink?

Ullmann: Ja, ich war 18, er 17. Wir sind uns zum ersten Mal in Köln über den Weg gelaufen. Wir haben unter Hans Zach zusammen gespielt, bevor ich nach Mannheim gewechselt bin. Wir haben mit Markus Jocher, einem anderen Garmischer, in Köln auch im gleichen Haus gewohnt, haben uns sehr gut verstanden. Im Training musste ich mich mit Marcus ziemlich duellieren, weil uns der Hans oft gesagt hat, dass nur einer von uns spielen würde. Wir hatten da oft einen Zweikampf zu führen, das stand aber nicht zwischen uns. Als ich dann in Mannheim war, haben wir telefoniert und ich habe ihm gesagt, dass er auch nach Mannheim kommen solle, weil es hier so schön ist. Ein Jahr später ist er mir tatsächlich zu den Adlern gefolgt.

Was ist Marcus für ein Mensch und Spieler?

Ullmann: Er ist ein sehr ehrgeiziger und verbissener Typ, der unglaublich hart gearbeitet hat. Für ihn war es hier ja auch am Anfang nicht ganz so einfach, er hat ja eine Zeit in Heilbronn gespielt. Er hat aber immer an sich geglaubt und dafür gearbeitet, ins Adler-Team zu kommen. Als Kapitän war er später einer, der die Kabine gut im Griff hatte. Er hat alle wie ein Rudelführer mitgezogen, aber auch auf den Tisch gehauen, wenn es unruhig lief. Er hat sich immer vor die Mannschaft gestellt. Unter ihm zu spielen, hat gut funktioniert, weil du dich auf ihn verlassen konntest.

Sie haben bei den Adlern einige Clubrekorde aufgestellt, die nun Matthias Plachta nach und nach gebrochen hat. Wie beurteilen Sie das?

Ullmann: Ich freue mich, dass wir uns so gut kennen. Ich war dabei, als er mit Marc El-Sayed damals zu uns hochgekommen ist. Ich freue mich, dass er mit seiner Loyalität auf diesem Weg so erfolgreich ist. Es war super, dass ich beim Spiel gegen München, als er meinen Tore-Rekord geknackt hat, dabei war und ihm gleich gratulieren konnte.

Welche Bedeutung hatte für Sie Ihre erste Unterschrift unter einem Adler-Vertrag?

Ullmann: Emotional hat mir das sehr viel bedeutet. Ich hatte ja lange in Köln gespielt, dann kam das Gespräch mit den Adlern. Es war nicht leicht, Köln zu verlassen, weil ich sehr an der Stadt hing und dort viele Freunde hatte. Für mich war aber klar, dass ich mich mit einer Ausbildung beschäftigen muss, wenn ich mich nicht in Mannheim durchsetze. Ich habe im Sommer wie ein Geisteskranker trainiert und alles auf die Karte Eishockey gesetzt, weil mein Abschlusszeugnis nicht das beste war.

Hat es eine Alternative zu Mannheim gegeben?

Ullmann: Sportlich wäre sie Nürnberg gewesen, ich wäre fast bei den Ice Tigers gelandet. Der Vorteil wäre die nähere Distanz zum Elternhaus gewesen. Geschäftlich war ich zuletzt einige Male in Nürnberg und habe mir überlegt, wie es dort wohl gewesen wäre. Ich bin aber unglaublich froh, wenn ich wieder das Stadtschild von Mannheim lese. Das Schicksal hat es sehr gut mit mir gemeint.

Wie hat sich das Eishockey in Ihrer Karriere verändert?

Ullmann: Extremst. Als ich früher in die Kabine gekommen bin, waren vielleicht zwei Jungs richtig fit. Die anderen haben gesagt, dass sie im Sommer nur beim Angeln waren. Sie haben die Zeit genossen weil wir doch jetzt sechs Wochen Zeit hätten, bis die Saison losgeht. Wenn du die Körper gesehen hast, hättest du niemals gesagt, dass das Profispieler sind. Heute ist jeder bis in die Haarspitzen durchtrainiert. Das Spiel ist schneller und härter geworden. Früher war es nicht so schnell, da hat ein Hauptschiedsrichter gereicht, heute brauchst du zwei.

Wie haben Sie den Sprung in die Karriere nach der Karriere gemeistert?

Ullmann: Ganz gut, ich arbeite viel fürs Fernsehen und bin in der Spielerberatungsbranche im Eishockey tätig. Ich freue mich auch, den Adler-Podcast zu machen. Alle Themen, die mich im täglichen Leben beschäftigen, haben weiter mit Eishockey zu tun. Mir macht es unglaublich viel Spaß. Der Abschied von der Profikarriere ist nicht so einfach, weil du das Miteinander nicht mehr hast. Das Härteste für mich war es, mich zu strukturieren. Früher wusstest du. Ich bin um 8.30 Uhr in der Kabine, um 10 Uhr beginnt das Training, am Freitag kommt Straubing, am Sonntag sind wir in Wolfsburg. Jetzt sitzt du erstmal da und fragst dich: Wie geht es jetzt los? Wo bin ich am Wochenende? Da musste ich mir einige Leitplanken setzen.

Gibt es auch etwas, dem Sie gar nicht nachtrauern?

Ullmann: Das tägliche Training, da bin ich tatsächlich froh. Man wird ja immer älter, da merkt man die Knochen, den Körper. Mit 35 Jahren im Mannschaftsbus mit all den jungen Burschen und die Themen, die sie diskutieren. Da war ich schon froh, dass es Kopfhörer gibt, die die Hintergrundgeräusche unterdrücken.

Würden Sie jetzt noch einmal gerne 17 oder 18 sein und durchstarten?

Ullmann: Ich bin niemand, der in Illusionen lebt, sondern froh, wie es gekommen ist. Wenn ich heute nochmal starten würde, hätte ich den Friedrichspark nicht erlebt.

Mit welchen Gefühlen gehen Sie in Ihr Abschiedsspiel?

Ullmann: Ich erwische mich immer öfter bei dem Gedanken, dass es ja bald so weit ist. Ich habe schon überlegt, ob ich nochmal einen Athletiktrainer engagiere, aber der Eventcharakter steht bei dem Spiel im Vordergrund. Ich freue mich unglaublich darauf – vor allem auch darauf, mit meinem Sohn in einer Reihe zu spielen. Ich bin nicht nur der Papa, sondern auch sein größter Fan. Ich sehe, welche Liebe und Leidenschaft er da reinsteckt. Das macht mich unglaublich stolz. Ich fahre jeden Tag an der Arena vorbei, wenn ich Lennox in die Schule fahre. Ich schaue jedes Mal zur Arena runter und freue mich. Es war nie ein Weg zur Arbeit, sondern eine Abfahrt ins Glück.

Was ist Ihr Lieblingsfleck in Mannheim?

Ullmann: Den Tausch vom Kölner Dom zum Wasserturm, den ich damals gemacht habe, finde ich unglaublich schön. Ich bin gerne in der City, fahre auch mit den Kindern oft am Wasserturm vorbei. Das ist ein Ort, der mir sehr gut gefällt. Der Rosengarten, die Arkaden – das ist einfach wunderschön.

Welches waren Ihre besten Mit- und Gegenspieler?

Ullmann: Mit Marcus habe ich einfach viel erlebt. Wir haben uns beim KEC kennengelernt, haben ein Jahr zusammen im Friedrichspark gespielt. Dann die Zeit bei den Adlern. Wir sind nicht nur in der Kabine gut miteinander ausgekommen, sondern auch neben der Eisfläche. Auch Yannic Seidenberg muss ich da nennen. Wir haben uns dermaßen angefreundet und auch heute noch Kontakt. Gleiches gilt für Danny aus den Birken. Wir haben in Mannheim in unmittelbarer Nähe zum Friedrichspark nebeneinander gewohnt und viel zusammen erlebt. Mit denen drei hat es am meisten Spaß gemacht. Auch bei den Gegenspielern muss ich Yannic nennen. Aus meiner Sicht war der Wechsel vom Stürmer zum Verteidiger absolut richtig. Als Verteidiger hat er Olympia-Silber gewonnen, war dreimal Meister und Play-off-MVP – davor ziehe ich den Hut. Es war nie angenehm, gegen ihn zu spielen, weil er das als Verteidiger so gut gelesen hat. Teilweise hat er auch dreckig gespielt. Ich wusste aber, dass wir uns vor und nach dem Spiel wieder drücken.

Und wer war der beste Trainer?

Ullmann: Du hast viele Trainer gehabt, die fachlich unglaublich gut waren, dafür aber menschlich nicht. Ich habe auch Trainer erlebt, bei denen es genau andersherum war. Geoff Ward in unserer Meistersaison 2014/15 war menschlich einwandfrei und fachlich unglaublich gut. Im Nachgang muss ich auch sagen, dass Hans Zach einer war, der wie kein anderer die Kabine im Griff hatte. Natürlich hat seine taktische Vorgabe nichts mehr mit dem modernen Eishockey zu tun, aber er hat es immer verstanden, eine Kabine zu managen. Er hat nie erlaubt, dass einer einen Höhenflug gekriegt hat. Er hat aber auch niemanden, der nicht gut drauf war, fallengelassen. Es war hart und laut für ihn zu spielen, aber dennoch schön.

Wie stellen sich die Mannschaften beim Abschiedsspiel zusammen?

Ullmann: Marcus und ich haben uns darauf geeinigt, dass wir versuchen, einige Jungs der Meistermannschaften von 2007 und 2015 zusammenzubringen. Marcus hat einige von seiner Olympia-Truppe eingeladen. Bei mir sind Spieler von der erfolgreichen Heim-WM 2010 dabei. Aber wie gesagt: Dass mein Sohn mitspielt, bedeutet mir auch viel.

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