Bergstraße. Zwar sorgte Katja Poensgen erst in der Saison 2001 mit einer sportlichen Topleistung für internationale Schlagzeilen, doch die Weichen hierfür wurden ein Jahr zuvor gestellt. Die damalige Wahl-Lorscherin unterschrieb nach Abschluss ihrer Einzelhandelskauffrau-Lehre nämlich als 23-Jährige ihren ersten Werksvertrag bei Aprilia, nachdem sie als einzige Frau in Europa schon sieben Jahre lang den Motorradrennsport auf hohem Niveau betrieben hatte; unter anderem wurde sie als ADAC-Juniorsportlerin des Jahres 1995 ausgezeichnet.
Und beim Großen Preis von Italien 2001 in Mugello schrieb Katja Poensgen dann Sportgeschichte, denn mit dem Erreichen des 14. Platzes war sie und ist sie bis heute die erste Motorradrennfahrerin überhaupt, die in der 250-ccm-Klasse Weltcuppunkte sammeln konnte. Ihre aktive Karriere, bei der sie auch noch auf Honda-Maschinen unterwegs war, endete schließlich 2004. Doch mit dem Motorsport ist die gebürtige Mindelheimerin immer noch eng verbunden.
So ist die 48-Jährige unter anderem als (Motorrad-)Markenbotschafterin sowie als Influencerin („Meine neue Leidenschaft“) auf Rennen und Events unterwegs, um „frischen Schwung in die eingerostete Branche zu bringen“. Überhaupt ist sie online auf den üblichen Social-Media-Kanälen stark vertreten, nachdem hier ihre Aktivitäten vor 16 Jahren mit den „IBM Webisoden“ begonnen hatten; zudem arbeitete sie damals für RTL bei den Moto-GP-Wettbewerben.
Fast wäre die Bayerin, die allerdings mit sieben Jahren an die Bergstraße kam und bis 1996 in Heppenheim aufwuchs, noch vom internationalen Motorsportverband FIM zur Trainerin der neugegründeten Frauen-Liga berufen worden, nachdem sie als FIM-Gast bei einem zunächst chaotischen (Abbruch-)Rennen bei der WM im italienischen Misano mit ihrer Erfahrung erfolgreich für Beruhigung im übernervösen Feld der Fahrerinnen gesorgt hatte. Doch trotz mehrerer Versuche unter den Beteiligten konnte man sich letztlich nicht auf dieses angedachte Poensgen-Engagement einigen.
Dass den Motorradrennsport „immer mehr Mädchen betreiben“, findet Katja Poensgen „toll. Und das sage ich wertfrei.“ Allerdings, so das ehemalige Bike-Ass, „muss sich jede primär mit Rundenzeiten und Physik befassen“. Sie glaubt nicht, „dass meine Erfolge so schnell eingeholt werden - auch bei den Männern -, denn die Gesellschaft bringt im Moment andere Sportarten und Typen hervor“.
Das Benzin hatte Katja Poensgen von Geburt im Blut, denn ihr Vater Bert war als Vertriebsleiter von Suzuki in Deutschland in der Motorrad-Branche tätig, letztlich war er bis zu seinem (Un-)Ruhestand in 2009 Chef von Suzuki in Europa, ehe er danach die Bodenseehütte in Balderschwang/Allgäu übernahm. Er verstarb in 2017 im Alter von 70 Jahren. Ehe es Katja Poensgen in 2009 zurück nach Bayern zu ihrem Vater zog, um bei seinem Gastronomiebetrieb leitend mitzuarbeiten, wohnte sie an der Bergstraße unter anderem noch in Lorsch sowie in Lindenfels-Glattbach. Mittlerweile war sie mit der Geburt ihrer ersten Tochter Holle Mutter geworden; mittlerweile hat sie drei Kinder zur Welt gebracht.
An die „schöne Zeit und die tolle Region“ an der Bergstraße denkt sie „schon jedes Mal, wenn zum Beispiel Sebastian Vettel in den Medien auftaucht,“ zurück: „Alle meine Kinder sollen nicht nur Bayern kennenlernen, sondern auch diesen Teil von Hessen aus meiner eignen Jugend.“ Nach ihrer Motorrad-Karriere war Katja Poensgen auch noch auf vier Rädern aktiv, nämlich als Rallyefahrerin.
So startete sie als Lindenfelserin auch mal als prominente Lokalmatadorin für den IMS Schlierbachtal bei der Nibelungenring-Rallye 2008; später bewältigte sie mit einem reinen Frauen-Team in einem Suzuki unter vielen Porsche Cayennes die anspruchsvolle Transsyberia-Rallye.
Und heute? „Meine Philosophie ist im Grunde, nun zwei und vier Räder in der Industrie zu verbinden, den älteren Männern helfen, das Racing-Bike in einen Cafe-Racer umzutauschen und als FIM-Motorrad-Legende den Rennsport bis hin zu Porsche wieder glaubwürdiger zu machen.“ Katja Poensgen wird es rund um den Motorsport wohl nie langweilig werden.
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