Handball

Heike Ahlgrimm blickt zurück auf zehn Jahre bei den Flames

Heike Ahlgrimm gibt ihr Traineramt bei der HSG Bensheim/Auerbach ab und fängt beim Deutschen Handball-Bund neu an. Nach dem Bundesliga-Aufstieg 2017 feierte sie mit den Flames einige Erfolge.

Von 
Eric Horn
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Der zweite Platz beim Pokal-Final-Four war einer der absoluten Höhepunkte für Heike Ahlgrimm und die Flames und wurde entsprechend ausgiebig gefeiert. © Marco Wolf

Das Wichtigste in Kürze

  • Heike Ahlgrimm kam 2015 zur HSG Bensheim/Auerbach, bei der sie ein Jahr später das Traineramt der ersten Frauen-Mannschaft übernahm und in ihrer ersten Saison gleich in die 1. Bundesliga aufstieg.
  • Dort erlebten die Flames nach einem schwierigen Start in den letzten Jahren einen einzigartigen Höhenflug mit Vizemeisterschaft, Vizepokalsieg und der Europapokal-Teilnahme.

Bensheim. Offiziell läuft der Vertrag von Heike Ahlgrimm bei der HSG Bensheim/Auerbach noch, in den vergangenen Tagen standen für die Flames-Trainerin und ihr Team einige Termine an, aber die Saison in der Handball-Bundesliga der Frauen ist für die Bensheimerinnen seit dem zurückliegenden Samstag abgeschlossen. Mit dem Sieg im Spiel um Platz fünf gegen den VfL Oldenburg endete für Ahlgrimm nach zehn Jahren - neun davon auf der Trainerbank - das Kapitel HSG. „Es ist ein komisches Gefühl“, beschreibt die 49-Jährige ihren Gemütszustand, nachdem nun Ruhe eingekehrt ist nach dem Rundenfinale. Ruhe, die sie unter anderem dazu nutzt, um zurückzuschauen auf die großen Augenblicke ihrer Amtszeit.

Sarah van Gulik ist eine der prägendsten Persönlichkeiten, mit denen Heike Ahlgrimm in Bensheim zusammengearbeitet hat. © Sportsword

Beim Stöbern durch Videoschnipsel ist sie auf eine Sequenz des Pokal-Viertelfinals aus dem Januar 2023 gegen Borussia Dortmund gestoßen. Das Tor von Lotta Heider zum 34:33-Sieg über den großen Favoriten wenige Sekunden vor der Schlusssirene brachte die ausverkaufte Weststadthalle zum Beben - und bildete den Startpunkt für die rasante Entwicklung der Flames in den letzten beiden Jahren. Es folgten Vizepokalsieg, Vizemeisterschaft und der Einzug ins Viertelfinale der European League.

Zahlreiche Erinnerungen und Flames-Momente

Es sind solche Momente, Erinnerungen an einzelne Spiele, die die ehemalige Nationalspielerin in der Hitliste ihrer schönsten Flames-Augenblicke aufführt: Der Sieg im Pokal-Halbfinale gegen Oldenburg, Liga-Siege gegen den Thüringer HC, der Erfolg in dieser Saison bei Borussia Dortmund, die zu diesem Zeitpunkt noch ungeschlagen war - oder ein Unentschieden gegen die deutsche Über-Mannschaft SG BBM Bietigheim/HB Ludwigsburg in der Spielzeit 2023/24. „Einen Punkt gegen Bietigheim/Ludwigsburg holt man nicht alle Tage.“

Allerdings war der Weg der HSG Bensheim/Auerbach aus der 2. Liga zu einem Team, das um die vorderen Plätze in der Bundesliga mitspielen kann, bisweilen durchaus steinig. „Wir hatten auch harte Zeiten.“ Etwa als die Flames nach einer sportlich komplizierten ersten Runde in den folgenden zwei Jahren dabei waren, sich im Oberhaus zu etablieren - und dann doch wieder im Abstiegskampf landeten, weil viele Begegnungen mit einem Tor Unterschied verloren wurden. Widrigkeiten galt es ebenso 2018/19 zu überwinden. Auf dem Feld lief es zunächst vielversprechend, ehe mannschaftsinterne Querelen die Flames an den Rand des Abgrunds führten. „Das war die schwierigste Phase überhaupt.“

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Glanzlicht der Ahlgrimm-Jahre ist die Vizemeisterschaft 2024. „Ja, das war überragend. Aber wir müssen ehrlich sein: Die anderen Spitzenmannschaften haben geschwächelt und bei uns hat alles funktioniert.“ Die Tabelle der abgelaufenen Hauptrunde 2024/25 spiegelt die wahren Kräfteverhältnisse eher wider. Die HSG auf Position fünf - davor der Thüringer HC, die HSG Blomberg-Lippe, Borussia Dortmund und HB Ludwigsburg. „Wenn wir unser Potenzial abrufen, können wir mit diesen Teams mithalten.“ Gegen den THC, Blomberg und Dortmund gelangen den Flames in dieser Spielzeit Siege, Ludwigsburg war diesmal eine Nummer zu groß für Bensheim/Auerbach.

Die Spielerinnen sind nicht nur Handballerinnen, sondern auch Vorbilder

Die Erfolge unter Ahlgrimms Führung eröffneten der Handballspielgemeinschaft personell neue Möglichkeiten. „Früher mussten wir 50 Spielerinnen ansprechen, wenn wir drei neue gesucht haben. Heute kommen die Spielerinnen auf uns zu.“ Personelle Belege für die Attraktivität der Flames sind die Verpflichtungen von Kim Irion, Amelie Berger, Nina Engel - oder Meike Schmelzer, die zur neuen Saison an die Bergstraße kommt.

Mit Sarah van Gulik (nicht mehr aktiv) und Lisa Friedberger hat Heike Ahlgrimm jeweils acht ihrer neun Jahre bei der HSG zusammengearbeitet. Persönlichkeiten, die die Coachin in mehrfacher Hinsicht beeindruckt haben: Als Handballerinnen auf dem Feld und als Vorbilder in Sachen Identifikation mit den Flames. „Das ist etwas sehr Besonderes.“

Über Heike Ahlgrimm

  • Heike Ahlgrimm wurde am 6. Juni 1975 in Leipzig geboren.
  • Nach Stationen bei Sirokko Neubrandenburg, SC Empor Rostock und SV Fortuna Neubrandenburg wechselte sie 1994 zum damaligen Zweitligisten HSG Blomberg-Lippe.
  • Mit Blomberg stieg die Rückraum-Mitte-Spielerin in der Saison 1995/96 in die Bundesliga auf.
  • Von 2000 bis 2002 war sie für den Buxtehuder SV aktiv. Danach wechselte die 1,78 Meter große Rechtshänderin zu Bayer Leverkusen. Mit den Werkselfen gewann sie den Challenge Cup-Europapokal (2005) und den DHB-Pokal (2010).
  • Nach einer weiteren Saison (2010/11) bei der HSG Blomberg-Lippe beendete sie ihre Karriere als Spielerin.
  • Für die deutsche Nationalmannschaft absolvierte Ahlgrimm 90 Partien und erzielte 148 Tore. Mit der DHB-Auswahl belegte sie bei den Europameisterschaften 2002 in Dänemark den 11. Platz und bei den Weltmeisterschaften 2003 in Kroatien den 12. Platz.
  • Bei der HSG Blomberg-Lippe war sie von 2010 bis 2012 als Jugendtrainerin und Jugendkoordinatorin tätig.
  • Von 2012 bis 2014 trainierte sie das Bundesliga-Team von Bayer Leverkusen mit Kim Irion (geb. Naidzinavicius) im Kader. Im Play-off-Halbfinale 2012/13 schied Leverkusen gegen den späteren Meister Thüringer HC aus.
  • 2013/14 belegte Ahlgrimm mit Bayer (nach Rang drei in der Hauptrunde) in der Meisterrunde den vierten Platz. Im gleichen Jahr erreichte die Mannschaft das Pokal-Final-Four und schied im Halbfinale gegen Blomberg-Lippe aus.
  • 2015 verpflichtete die HSG Bensheim/Auerbach sie als Trainerin im Jugendbereich und Leiterin der Flames-Jugendakademie und für die Saison 2016/17 als Trainerin für das Zweitliga-Team.
  • In der ersten Runde unter Ahlgrimm stiegen die Flames als souveräner Meister der 2. Liga in die Bundesliga auf.
  • In den acht Bundesliga-Jahren mit Ahlgrimm belegten die Flames folgende Abschlussplatzierungen: 12. (2018), 9. (2019), 8. (2020), 9. (2021), 10. (2022), 8. (2023), Vizemeister (2024), 5. (2025).
  • In ihrer Amtszeit qualifizierte sich die HSG zweimal für das Pokal-Final-Four in der Stuttgarter Porsche Arena. 2023 erreichten die Flames das Finale und unterlagen der SG BBM Bietigheim (heute HB Ludwigsburg), 2025 landete die HSG auf Platz drei.
  • Als Vize-Pokalsieger zogen die Flames 2023 erstmals in den Europokal ein und schafften den Einzug in die Gruppenphase der European League.
  • Durch die Vize-Meisterschaft 2024 sicherten sich die Flames direkt das Ticket für die Gruppenphase der European League und gewannen als einzige Mannschaft der 16 Starter im Wettbewerb alle sechs Gruppenspiele. Im Viertelfinale unterlag die HSG dem späteren Finalisten JDA Dijon.
  • Durch den fünften Platz in dieser Saison ist die HSG Bensheim/Auerbach zum dritten Mal in Folge für den Europapokal qualifiziert.
  • Ab September übernimmt Heike Ahlgrimm die neu geschaffene hauptamtliche Position der Cheftrainerin für den weiblichen Nachwuchsbereich beim Deutschen Handballbund.

Für andere Akteurinnen waren die Flames Sprungbrett zu internationalen Top-Clubs. Merel Freriks und Sarah Dekker kamen mit 18 Jahren aus den Niederlanden nach Südhessen und tragen nun das Trikot des Champions-League-Clubs Team Esbjerg. Julia Maidhof schaffte aus der Flames-B-Jugend den Sprung in die Bundesliga-Truppe, wurde Torschützenkönigin der Bundesliga, Nationalspielerin, spielte mehrere Jahre in Bietigheim und ist nun in Rumänien aktiv. Nina Engel, die bei der HSG in kurzer Zeit zur Nationalspielerin wurde, ist das jüngste Beispiel für die positive Entwicklung junge Akteurinnen in Bensheim. „Wir bieten den Rahmen, Spielerinnen wie Julia und Nina schaffen das, weil sie sehr, sehr fleißig sind und viel in Eigeninitiative machen.“

Der DHB will seinen weiblichen Nachwuchs neu aufstellen

Wehmut kommt bei Heike Ahlgrimm nicht auf, während sie Rückschau hält auf ihre Flames-Jahre. „Ich bin überzeugt, es ist die richtige Entscheidung.“ Die Erkenntnis, dass sowohl die Mannschaft als auch sie als Trainerin neue Impulse benötigen, hat zu ihrem Entschluss geführt. Ob sie die tägliche Trainingsarbeit und die Spiele am Wochenende vermissen wird? „Viele Trainerkollegen, mit denen ich gesprochen habe, haben mir prophezeit, dass es mir fehlen wird. Mal schauen, wie das wird.“

Die ursprünglich vorgesehene einjährige Handball-Pause hat sich für sie auf drei Monate verkürzt. Der Deutsche Handballbund (DHB) hat Heike Ahlgrimm die neu geschaffene hauptamtliche Position der Cheftrainerin für den weiblichen Bereich angeboten – und die gebürtige Leipzigerin hat zugesagt, den Job ab September zu übernehmen. Sie verlässt damit ihre Komfortzone, wie sie sagt, und erwartet für sich die erwünschten „neuen Impulse und Erfahrungen“.

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Der DHB will seinen weiblichen Nachwuchs neu aufstellen, um den Rückstand auf die Topnationen – Frankreich, Norwegen, Dänemark – zu verkürzen. Eine Angelegenheit, die Ausdauer erfordert. Ahlgrimm hat beim Verband einen Dreijahresvertrag unterzeichnet und rechnet mit ersten Erfolgen „vielleicht in fünf bis sechs Jahren“. Die Strukturen sollen verändert werden, das Rahmentrainingskonzept für alle Mannschaften optimiert, Bundesstützpunkte (zunächst in Leipzig und Stuttgart) etabliert werden. Bei diesem Umbau wollen sich der DHB und seine Cheftrainerin an den Nachwuchsfördermodellen der erfolgreichsten Nationen orientieren. „Wir müssen bei den Besten ,klauen‘ und dann schauen, was wir davon wie in Deutschland umsetzen können.“

In ihrer neuen Position wird sie viel in der Republik unterwegs sein, um an Sichtungen teilzunehmen oder Gespräche zu führen. „Kein Problem, ich fahre gerne Auto.“ Sie wird die Juniorinnen-Mannschaften zu internationalen Turnieren wie EM und WM begleiten, sich aber aus dem operativen (Trainer-)Geschäft raushalten. „Das ist Sache der Trainer. Es kann aber sein, dass ich mal eine Einheit leite.“ In Bensheim wird sie wohl weiterhin ein „Standbein“ haben, ihren Lebensmittelpunkt aber verlegen. Sie hat vor, das ein oder andere Bundesliga-Spiel der Flames in der Weststadthalle zu besuchen - sofern ihre Nachfolgerin Ilka Fickinger keine Bedenken anmeldet. „Ich muss mal mit Ilka sprechen, wie sie das findet.“

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