Kattowitz/Göteborg. Sie sind keine Brüder. Und doch ist ihr Verhältnis eng und vertraut. Vielleicht sogar ungewöhnlich eng und außergewöhnlich vertraut. Ungewöhnlich, weil Mikael Appelgren und Andreas Palicka eigentlich in Konkurrenz zueinanderstehen. Außergewöhnlich, weil beide genau das nicht so empfinden. Die zwei Torhüter der schwedischen Handball-Nationalmannschaft veranstalten keinen Zirkus der Alphatiere, sondern haben jeweils einen sicheren Hafen für ihr eigenes Ego gefunden. Sie sehen sich als Einheit. Als zwei Männer, die dem anderen alles gönnen. Vor allem eine gute Leistung. Auch wenn das bedeutet, selbst dann in der Rolle des Zuschauers zu sein. Kurzum: Sie sind ein perfektes Team. Oder genauer gesagt: Sie sind jetzt wieder ein perfektes Team.
Denn drei Jahre lang musste Palicka den Job im Tor der Skandinavier zwar nicht ganz allein, aber eben doch hauptsächlich meistern. Weil Appelgren nach Operationen an Knie und Schulter verletzt fehlte. Und es einen dritten schwedischen Torwart dieser Güteklasse schlichtweg nicht gibt. Doch nun sind sie wieder vereint. Appelgren ist zurück und bildet ein Duo mit Palicka, so wie sie es auch viele Jahre bei den Rhein-Neckar Löwen taten und zusammen Meister und Pokalsieger wurden.
Palicka spielt mittlerweile in Frankreich für Paris Saint-Germain, sein Kumpel Appelgren ist immer noch bei den Löwen und kehrte beim Bundesligisten im Frühling 2022 nach zweijähriger Verletzungspause zurück. Nach starken, zuletzt sogar überragenden Leistungen gelang ihm rechtzeitig zur Weltmeisterschaft im eigenen Land sogar noch der Sprung ins Nationalteam. „Für mich fühlt es sich nicht nur an wie ein Comeback, sondern wie ein Debüt“, unterstreicht Appelgren die emotionale Bedeutung seiner Rückkehr, an der er niemals zweifelte. Deswegen bezeichnet der Keeper sein Comeback nach langer Leidenszeit auch nicht als seinen größten Erfolg: „Ich habe ja immer daran geglaubt.“ Der Torwart musste allerdings zusehen, wie die schwedische Auswahl ohne ihn im vergangenen Jahr Europameister wurde.
Der Erfolg von Budapest sorgte damals für gemischte Gefühle beim 33-Jährigen, der sich einerseits für seine Kollegen freute, andererseits aber auch gerne selbst dabei gewesen wäre: „Ich sage es ganz ehrlich. Da sind bei mir Tränen der Freude und der Trauer geflossen.“ Nun bietet sich ihm die Gelegenheit, seine eigene Gold-Geschichte zu schreiben – noch dazu im eigenen Land: „Das ist etwas ganz Besonderes, noch dazu spielen wir in Göteborg. Ganz in der Nähe bin ich aufgewachsen.“
Für Tomas Svensson, von 2011 bis 2014 Torwarttrainer bei den Rhein-Neckar Löwen und nun in gleicher Funktion bei der schwedischen Auswahl tätig, stand eine Rückkehr Appelgrens ins Team des Europameisters nie infrage. Schon vor einem Jahr sagte er: „Wir glauben an Mikael. Sein Problem sind nicht seine Leistungen oder seine Fähigkeiten, sondern seine Verletzungen.“ Rücken und Knie machen nun wieder mit, seine „Leistungen“ und „Fähigkeiten“ entsprechen dem früheren Niveau. So wie von Svensson prognostiziert.
Für den schwedischen Nationaltrainer Glenn Solberg war deshalb klar, dass er Appelgren als einzigen Nicht-Europameister in sein WM-Team holt: „Mikael trainiert voll, er spielt gut und er hält Bälle. Und wir wissen, dass sein allerhöchstes Level die absolute Weltklasse ist.“ Eine Einschätzung, die Löwen-Coach Sebastian Hinze absolut teilt: „Es gibt nicht viele Weltklasse-Torhüter, die immer auf Weltklasse-Niveau agieren können.“ Appelgren kann das – hat die Bewunderung seines Kollegen Palicka aber nicht nur deshalb sicher. „Als guter Freund von ihm weiß ich, was Mikael durchgemacht hat. Es braucht eine enorme Kraft, um auf dieses Niveau zurückzukehren.“
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