Handball

Löwen-Legende Schmid und sein großer Abgang auf großer Bühne

Handballer Andy Schmid kämpft mit den Tränen. Und die Legende der Rhein-Neckar Löwen hat nach dem Schweizer EM-Aus etwas zu sagen. Es sind Worte, die unter die Haut gehen

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Marc Stevermüer
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Herzzerreißend: Andy Schmid kämpft nach dem Schlusspfiff mit den Tränen. © Imago/Koch

Mannheim. Die Tränen liefen. Schon auf dem Feld. „Dreieinhalb der letzten fünf Minuten habe ich geweint“, sagte Andy Schmid und legte Wert auf die Feststellung, dass das Wörtchen „Wehmut“ noch „leicht untertrieben“ sei. Weshalb es auch ein wenig dauerte, bis sich die Schweizer Handball-Ikone emotional gefangen und gesammelt hatte, nachdem zuvor die Gefühle aus ihm herausgebrochen waren. 13 571 Zuschauer feierten ihn in der ausverkauften Berliner Arena am Ostbahnhof nicht nur, sie verneigten sich. Vor allem auch die deutschen Fans. Was noch einmal beweist, welch großartigen Eindruck er in seinen zwölf Jahren bei den Rhein-Neckar Löwen in der Bundesliga hinterlassen hat. Als Spieler sowieso. Weil er einer ist, der fürs Spektakel und für magische Momente sorgt. Aber auch als Mensch. Als tadelloser Sportsmann.

Worte, die unter die Haut gehen

Tief in seinem Herzen wusste er nach der 27:29-Niederlage gegen Nordmazedonien und dem EM-Vorrunden-Aus vermutlich, dass dieser Moment etwas Besonderes für ihn ist. Gepaart mit einer gewissen Form der Endgültigkeit. Auch wenn Schmid das danach nicht ganz so klar sagte: „Jetzt muss ich mal nach Hause gehen, meine Gedanken sammeln, mit meinem Verein sprechen. Ich habe einen Arbeitgeber, ich habe einen Verband und ich habe eine Familie. Und dann werde ich in den nächsten Tagen entscheiden, ob das vielleicht sogar mein letztes Spiel war. Das weiß ich noch nicht.“

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Diese Sätze klangen nach einem Menschen, der zu dem Schluss gekommen ist, dass es das war. Und dass es gut ist, wie es war. Mal ganz abgesehen davon: Wer Schmid ein wenig kennt oder wer ihn viele Jahre begleiten durfte, kann sich ganz gut ausmalen, was Worte wie diese bei ihm bedeuten. Er hat diese Sätze zwar nicht vorher auswendig gelernt, sagte sie aber auch nicht einfach daher. Denn so sehr der einstige Weltklasse-Spielmacher auch ein Kopfmensch ist, der sich auf dem Feld stets mit seinen Gedanken in einer „Blase“ befindet, um seine Ideen zu ordnen, so sehr ist er ebenfalls ein Bauchmensch, wenn es darum geht, gewisse Dinge zu entscheiden. Und viele falsche Entscheidungen hat der Schweizer in seiner imposanten Karriere nicht getroffen, erst recht nicht revidiert.

Zwei Meisterschaften mit den Rhein-Neckar Löwen

Entsprechend deutete in diesem Augenblick viel darauf hin, dass da gerade auf einer der größten aller Handball-Bühnen eine der größten aller Handball-Karrieren zu Ende gegangen war. Und wie es sich für einen wie ihn gehört, war natürlich auch der Abgang groß. Er erzielte zwölf Tore, gewann die Wahl zum Spieler des Spiels. Das kann man mal so machen - aber auf keinen Fall planen. Doch Schmid bewies auf dem Feld trotz seines fortgeschrittenen Alters noch einmal, dass er einer für die Showtime ist, obwohl er als Mensch diesem Mantra nicht ferner sein könnte. Privat mag es der 40-Jährige ruhiger. Vermutlich ist auch das ein wichtiger Teil seines Erfolgsgeheimnisses.

Die Löwen führte er zu zwei Meisterschaften sowie zu je einem Pokalsieg und EHF-Pokaltriumph. In der Bundesliga wurde der Schweizer zwischen 2014 und 2018 fünfmal in Folge zum besten Spieler gewählt, 2022 verließ er die Löwen - und wurde zur Legende, ohne seine Karriere überhaupt zu beenden.

Der Mittelmann setzt seitdem seine Laufbahn in der Heimat beim HC Kriens-Luzern in der international maximal zweitklassigen Schweizer Liga fort. Doch auch dort hängt er sich rein, als gehe es um die großen Titel. Was genauso viel über einen Menschen und seine Liebe zu diesem Sport aussagt wie der Gewinn einer Meisterschaft.

Deutschland feiert ihn

Schmids Vertrag in Luzern endet im Juni, anschließend wird er Trainer der Schweizer Nationalmannschaft, für die der 40-Jährige nie mehr spielen wird. Vermutlich auch nicht mehr für seinen Club. Was man verstehen könnte. Denn einen größeren Abschied als am Dienstag kann es nicht geben.

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Wenn man so will, hatte Deutschland ihm den roten Teppich ausgelegt. Verziert mit weißen Kreuzen. Erzielte Schmid einen Treffer, lief „I’ll Be Ready“, der Titelsong der Kult-Fernsehserie „Baywatch“ aus den 90er Jahren in der Arena. Was zum vollkommenen Glück noch fehlte, war eigentlich nur ein Sieg zum EM-Abschluss.

Schmid hat immer die Lockerheit behalten

„Ich wusste schon, dass es keinen Handball-Gott gibt. Jetzt weiß ich wirklich, dass es ihn nicht gibt. Weil, wenn er uns zugeschaut hätte, hätte er uns siegen lassen“, sagte Schmid, nachdem er seine Fassung halbwegs wiedergefunden hatte.

Möglicherweise wäre dieser perfekte Abgang aber auch zu viel des Guten gewesen, einfach kitschig. Und Schmid ist, wie er selbst sagt, kein „Fan von Kitsch. Meine Frau wirft mir auch immer vor, dass ich kein Romantiker bin.“ Ein Spruch wie dieser ist typisch für ihn. Selbst in den bedeutendsten Momenten hat er immer die Lockerheit behalten.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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