"Trinkpause"

EM-Kolumne: Schottische Dauerpinkler und Gedanken an Kafka im ICE

Klimafreundlich und nachhaltig - so will sich diese Fußball-EM präsentieren. Und animiniert die Menschen dazu, mit dem Zug zu den Spielen zu fahren. Wenn unser Bahnsystem denn funktionieren würde. Ein emotionaler Erlebnisbericht

Von 
Alexander Müller
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Fährt auch während der Fußball-EM über Gleise: Der ICE. © dpa

München. Verbal auf die Deutsche Bahn einzudreschen, ist hierzulande leider zu einem Volkssport geworden. Das muss doch nicht sein. Jedes Unternehmen hat seine Probleme, und mit dem Auto steht man doch wohl auch mal im Stau. Oder?

ABER MIR REICHT ES LANGSAM WIRKLICH MIT DIESEM KOMPLETT UNFÄHIGEN LADEN!

Gut, das musste mal raus. Und ich habe mich jetzt auch schon wieder beruhigt.

Schon die erste Fahrt mit dem ICE während der Fußball-EM zum Eröffnungsspiel nach München bot wieder das altbekannte Kaleidoskop aus Pleiten, Pech und Pannen, für das umweltbewusste Reisende unsere deutsche Bahn zurecht vergöttern.

Die Viertelstunde Verspätung bei der Abfahrt in Mannheim, die Bahn-App, die bei meinem Zug einen technischen Defekt und eine „außergewöhnlich hohe Auslastung“ diagnostizierte – das fällt ja mittlerweile in den Bereich Folklore, wenn man häufig mit der Bahn unterwegs ist.

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Dass mein Sitzplatz 107 allerdings aufgrund eines kurzfristigen Zugwechsels wegrationalisiert worden war – die Reihen endeten mit der Nummer 106 – empfand ich jedoch als kafkaeske Vorahnung des Ungemachs, das in den folgenden drei Stunden auf mich warten sollte.

Die App hatte nicht zu viel versprochen – der Zug war so brechend voll, dass wirklich keine Maus mehr reinpasste, Gänge und Türeingänge bereits mit Passagieren ohne Sitzplatz vollgestopft waren.
Ich fand dementsprechend noch ein attraktives Plätzchen vor einer Toilette und bin jetzt Kronzeuge dafür, dass die schottischen Fans nicht nur sehr viel trinken können, sondern die aufgenommene Flüssigkeit auch biologisch wieder entsorgen müssen. Die im Akkord pinkelnde Tartan Army.
Kurz hinter Stuttgart war das Bord-Bistro bereits komplett leergesoffen, nachdem die trinkfreudigen Schotten die letzten Rotwein- und Gin-Vorräte an sich gerissen hatten, senkte sich bei Ulm der Verkaufsvorhang final.

Ich hatte in der Zwischenzeit ein kostenloses DB-Upgrade ergattert. Ich stand jetzt nicht mehr vorm Klo, sondern saß auf dem Boden vor einer zugigen Bahn-Tür. Nachdem erst am Vortag ein Chiropraktiker die heftig schmerzende Blockade in meinem Rücken gelöst hatte. Knack knack.
Und da kam mir, wie aus dem Nichts, ein Gedanke an früher. Wann reaktiviert die Bahn endlich ihren herrlich ironischen Marketingslogan „Unternehmen Zukunft“?

Redaktion Fußball-Reporter: Nationalmannschaft, SV Waldhof, Eintracht Frankfurt, DFB

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