Vor etlichen Wochen sind wir Großeltern geworden. Die eigene Tochter – das eigene Kind – ist nun selber Mutter. Liebevoll sprach sie während ihrer Schwangerschaft immer von „ihrem kleinen Mitbewohner“. Eine ungewohnte Bezeichnung, die treffender nicht sein könnte. Die Generationenkette ist jetzt wieder um ein Glied länger geworden. Aus den Kindern sind Eltern geworden und ganz vorne steht jetzt ein Neugeborenes. Ich hätte nicht gedacht, dass es mich so berühren würde. Dieses kleine Kerlchen, das es vorher nicht gab, auf dem Arm zu haben. Und dieses Glück zu erleben, wenn er dann nach einigen Laufrunden eingeschlafen ist voller Vertrauen in den, der ihn trägt. Er hat den Namen Jonathan bekommen.
Die Philosophin Hannah Arendt spricht nicht nur von der Mortalität, also das wir Sterbliche sind, sondern auch von der Natalität, dass wir „Gebürtige“ sind. Mit der Geburt treten wir ins Dasein, haben an der Existenz Anteil und werden in diesem Moment zu einem Menschen. Das ist ein so radikales, unüberbietbares und einschneidendes Ereignis, das alles überragt, sogar den Tod. Hartmut Lange sagt in seiner Novelle (Das Konzert), „dass nicht der Tod, sondern die Geburt jener Vorgang sei, an den man ein für alle mal gekettet bleibe“.
Einmalig wie ein Fingerabdruck
So nimmt mit der Geburt etwas seinen Lauf, das unverwechselbar und einmalig ist wie unsere Fingerabdrücke. Aber jenseits dieser ganz individuellen Anteile steht die eine, die existenzielle Frage: Wie versteht sich dieses Dasein? Das ist die große Aufgabe, die uns gestellt ist: Das Dasein auszuloten nach dem, was sein Sinn ist. Und Sinn ist, wie in einer Geschichte auch, erst vom Ende her zu verstehen. Und damit kommt dann nicht nur der Tod in den Blick, sondern auch die Frage nach einem, der alle Existenz trägt und hält.
Ob ich mit meinem Enkel über diese Dinge einmal werde reden können? Wofür wird er sich überhaupt interessieren? Welchen Lauf wird seine Existenz nehmen? Mein Wunsch an ihn wird sein: Dass er hinter dem Vordergründigen, dem Lauten und Grellen auch die leisen Töne hört. Dass er Fragen entdeckt, die über das Übliche hinausgehen. Fragen, die – wie Robert Koch einmal sagte – zu schade sind, um sie mit einer Antwort zu verderben. Bild: Privat
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