Demonstration - Aus drei Richtungen – unter anderem aus Heppenheim und Bensheim – führte eine Fahrradsternfahrt bis nach Bickenbach / Plädoyer für klimagerechte Mobilitätswende

Weniger Verkehr an der Bergstraße gefordert: Gegen Ausbau der Autobahnen

Von 
Thomas Tritsch
Lesedauer: 
Eine Fahrraddemonstration gab es am Sonntag auf der B 3 in der Bensheimer Ortsdurchfahrt unter dem Motto „Wald statt Asphalt“. © Strieder

Bergstraße. In Darmstadt, Rüsselsheim, Groß-Gerau, Griesheim und Heppenheim stiegen Menschen am Sonntag für eine sozial- und klimagerechte Mobilitätswende aufs Fahrrad. Bis zu 250 Teilnehmer waren am Nachmittag zeitweise unterwegs, um gegen den Ausbau der Autobahnen A 67, A 5 und A 60 zu demonstrieren. Auch am Bensheimer Bahnhof war ein Haltepunkt. „Wald statt Asphalt“ lautete das Motto der Sternfahrt, die in Bickenbach mit einer Kundgebung endete. Knapp 100 Wald- und Naturschützer kamen dort auf dem Marktplatz zusammen.

Der Protest gegen den Ausbau der Autobahnen war Teil des bundesweiten Aktionswochenendes für eine soziale, ökologische und klimagerechte Mobilitätswende. 31 lokale Organisationen und Initiativen hatten in ganz Südhessen zu der Raddemonstration aufgerufen. „Ein weiterer Ausbau der Autoinfrastruktur gießt ein veraltetes Verkehrssystem in Zement. Wir brauchen Städte und Dörfer mit besten Bedingungen für eine klimafreundliche Mobilität“, sagt Michael Tönsmann vom Verein Energiewende Rüsselsheim.

„Für die notwendige Reduktion der Treibhausgase und eine schnelle Unabhängigkeit von fossilen Energien reicht eine reine Antriebswende nicht. Wir müssen den Energieverbrauch drastisch reduzieren“, betonte Antje Sander von „Parents for Future Darmstadt und Umgebung“. Mit immer mehr Verkehr auf den Straßen und immer größeren, schwereren Autos sei dieses Ziel aber nicht umsetzbar.

Forderungen für den Felsberg

Friede Gebhard vom Netzwerk Bergsträßer Wald und dem Naturschutzbündnis Südhessen verwies auf die Petition des Bündnisses, die Anfang Juni beim hessischen Landtag eingereicht wurde: Darin wird von der hessischen Landesregierung und von Umweltministerin Priska Hinz eine „unverzügliche eine grundlegende Waldwende in Hessen“ eingefordert.

In Bickenbach sprach Gebhardt auch den Schutz des Waldes im Naturschutzgebiet Felsberg (Lautertal) an. Dort fordern mehrere Naturschutzverbände aus dem Kreis Bergstraße, dass dort ein Natura 2000-Gebiet Felsberg entstehen und der Wald nicht mehr forstwirtschaftlich genutzt werden soll. Sie forderte alle regionalen Initiativen mit einer gleichen Zielsetzung dazu auf, sich noch enger zu vernetzen, um nach außen hin als solidarisches Bündnis wahrgenommen zu werden. „Wenn wir uns breiter aufstellen, können wir noch erfolgreicher arbeiten.“

Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"

Patrick Ebbers von „Bickenbach for Future“ zeigte sich erfreut, dass die Sternfahrt trotz der Hitze so viele Teilnehmer erlebt habe und auch das Abschlusstreffen – mit einiger Verspätung allerdings – stattfinden konnte: „Ein wichtiges Signal!“ Der als Redner vorgesehene Darmstädter Professor für Verkehrswesen, Axel Wolfermann, hatte seine Teilnahme aus gesundheitlichen Gründen aber abgesagt. „Schon heute leidet Bickenbach unter Verkehrslärm“, so Ebbers, der sich weniger Autostraßen und mehr Rad- und Fußwege wünscht. Der Aus- und Neubau der Autobahnen sei auch in den Rathäusern von Bickenbach und Alsbach-Hähnlein leider kein Thema.

Auftakt in Darmstadt

Unterstützt wird der Aufruf für eine Mobilitätswende auch von Vertretern aus den Bergsträßer Kreisverbänden von Naturschutzbund und BUND, des ADFC Bergstraße, Fridays For Future Bensheim und des Regionalbauernverbands Starkenburg.

Die Auftaktkundgebung fand auf dem Darmstädter Luisenplatz statt. Bereits am Samstag fanden bundesweit ähnliche Aktionen statt, um darauf aufmerksam zu machen, dass nun der Zeitpunkt gekommen sei, den gesamten Energieverbrauch im Land deutlich zu senken. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die sich daraus ergebenden Konsequenzen zeigten zudem einmal mehr, dass man sich von fossilen Energieträgern endgültig verabschieden müsse, heißt es in der Forderung. Dennoch schließe die Bundesregierung weiterhin ein generelles Tempolimit auf Autobahnen aus.

Mobilität überdenken

Auf den Verkehr entfielen im Jahr 2020 mit etwa 146 Millionen Tonnen fast 20 Prozent aller CO-Emissionen in Deutschland, wie die Aktivisten aus einer Studie des Wuppertalinstituts für Klima, Umwelt und Energie zitierten. Die Emissionen im Verkehrssektor würden seit 30 Jahren nicht weniger. Autofreie Sonntage, wie es sie in jedem Jahr auch an der Bergstraße gab, finden nicht mehr statt. Für Antje Sander ist das gerade in der heutigen Zeit nicht nachvollziehbar.

„Warum wird der umweltschädliche Individualverkehr massiv mit Steuergeldern subventioniert?“, fragte Jonas Kredel vom BUND Bergstraße. Dieser heize nicht nur das Klima auf, sondern verursache auch weitere Gesundheitsgefahren für Tiere und Menschen durch Unfälle, Feinstaub und Stickoxide sowie durch Mikroplastik aufgrund des Reifenabriebs. „Unsere Gesundheit und der Erhalt unserer Lebensgrundlagen sollten es wert sein, dass wir intelligentere Lösungen der Mobilität fördern“, so Tino Westphal vom Nabu Seeheim-Jugenheim.

Mehr zum Thema

Geplante Bahntrasse

Nachts könnten bis zu 320 Güterzüge auf der Neubaustrecke an Einhausen vorbeifahren

Veröffentlicht
Von
t r
Mehr erfahren
Interview

GGEW-Chef Hoffmann: Strom und Gas werden ab 2023 deutlich teurer

Veröffentlicht
Von
Michael Roth
Mehr erfahren
ÖPNV

Ab September fährt der erste E-Bus

Veröffentlicht
Von
red
Mehr erfahren

Das Artensterben an der Bergstraße und im Ried hänge direkt mit dem hohen Flächenverbrauch für die klassische Verkehrsinfrastruktur zusammen. „Wir Naturschützer haben es satt, den Tieren beim Aussterben zuzuschauen!“ In Hessen gingen täglich rund 2,5 Hektar Naturraum verloren, zwischen vielen Gemeinden würden die letzten Lücken durch Bauprojekte geschlossen, so Westphal, der einen sorgenvollen Blick in die nahe Zukunft warf: Heiße Tage wie am Sonntag mit 36 Grad Celsius seien im deutschen Sommer bald Normalität. Eine andauernde Flächenversiegelung mache die Klimakrise in den Städten noch beschwerlicher. Jede Kommune müsse baupolitische Entscheidungen hinsichtlich ihrer klimatischen Auswirkungen überprüfen.

Auch Helmut Weick vom Netzwerk gegen den sechsspurigen Ausbau der Autobahnen in Südhessen bezeichnete die Rekord-Hitze Mitte Juni als Weckruf für eine rasche Kehrtwende. Es gebe keinen Tag mehr zu verlieren, um das Klima zu stabilisieren. Die Verkehrspolitik spiele dabei eine zentrale Rolle. Der Bundesverkehrswegeplan 2030 sei inhaltlich veraltet und müsse klimakonform reformiert werden.

Nach Angaben der Veranstalter sollen weitere Kundgebungen noch im laufenden Jahr folgen.

Freier Autor

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger