Einhausen. Zwölf Uhr mittags in Einhausen. Auf dem Juxplatz standen sich zwei argumentative Kontrahenten gegenüber: auf der einen Seite das Infomobil der Deutschen Bahn (DB), das derzeit in der Region unterwegs ist, um den aktuellen Planungsstand zur neuen Bahnstrecke zwischen Frankfurt und Mannheim vorzustellen. Und gleich daneben hatte der Umweltverband „Mensch vor Verkehr“(MvV) seine Zelte aufgeschlagen. Zwei Kontrahenten in der Sache mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen darüber, wie der Lückenschluss des Bahnkorridors Rotterdam-Genua auf dem Abschnitt zwischen Gernsheim und Einhausen aussehen könnte.
Nach Stationen in Bensheim-Langwaden, Lorsch und Lampertheim standen Mitarbeiter der Bahn auch in Einhausen an einem Tag bis 19 Uhr für Fragen aus der Bevölkerung zur Verfügung. Die Argumente waren natürlich nicht neu: Geht es nach der Bahn, wird die neue Trasse durch das Kreisgebiet in wesentlichen Teilen oberirdisch geführt. Laut Planung verläuft die Neubaustrecke ab Darmstadt entlang der A67 an Einhausen vorbei nach Lorsch. Ab Einhausen, so fordert man aber in der Region, sollte die Strecke weitestgehend durch einen bergmännischen Tunnel über Lampertheim bis nach Mannheim- Waldhof führen. So lautet auch die ausdrückliche Forderung der Gemeinde, die sich nach wie vor für den Bau einer unterirdischen Trasse schon nördlich von Einhausen stark macht. „Mensch vor Verkehr“ argumentiert ebenso.
Naturschutzgebiete zerschnitten
Vorstandssprecher Reimund Strauch und sein Stellvertreter Jürgen Reiter plädieren für eine verträgliche Lösung. Sie fordern: keine Zerstörung von Natur und Landschaft durch eine oberirdische Schienenführung. Sonst würden die Naherholungsgebiete Jägersburger und Gernsheimer Wald dauerhaft gefährdet und in weiten Bereich zerstört. Denn die sogenannte Vorzugstrasse der Bahn und der zeitgleich geplante sechsspurige Ausbau der A 67 sowie der B 47 zerschneiden wertvolle Natura2000- und FFH Naturschutzgebiete, die sich davon kaum wieder erholen dürften, so Reiter.
Laut Hessen-Forst seien rund 400 Hektar Wald um Südhessen betroffen, zitiert der Verband, der auch auf das Lärmproblem verweist. Als Problem sieht man den zu erwartenden Güterverkehr zwischen 22 und sechs Uhr, von dem Lorsch und Einhausen besonders betroffen wären, so Strauch: „Die Bahn rechnet mit maximal 140 Güterzügen pro Nacht. Diese Zahlen basieren aber auf einer Prognose im Bundesverkehrswegeplan für das Jahr 2025.“
Der Verband geht davon aus, dass sich der Güterverkehr in den kommenden Jahren deutlich erhöhen wird. Allein aufgrund der Klimaschutzziele des Bundes würden perspektivisch mehr Güter über die Schiene bewegt. MvV kalkuliert mit bis zu 320 Zügen in der Nacht. Eine solche Frequenz wäre auf der neuen Strecke faktisch möglich – und würde letztlich auch realisiert, glaubt der Vorsitzende. Und weil dies zu einer höheren Lärmbelastung führe, müsse man auch die bisherigen Berechnungen zum Geräuschpegel der Trasse überprüfen, weil sonst der gesamte Lärmschutz entlang dieses Streckenabschnitts auf einer schiefen Grundlage basiere, so die Verbandsspitze, die gerade eine weitere Stellungnahme zum Projekt abgeschickt hat. Im nächsten Jahr rechnet die Bahn mit dem Einreichen der Planfeststellungsunterlagen.
Noch unklar ist die Planung des Streckenabschnitts unmittelbar vor Lorsch. Die Frage der Weschnitz-Querung ist weiter unbeantwortet. Bis Anfang nächsten Jahres will die Bahn dazu konkrete Lösungen präsentieren. Im Falle einer Überquerung der Weschnitz befürchtet „Mensch vor Verkehr“ erhebliche Auswirkungen auf die Renaturierungsmaßnahmen am Bachlauf. Auch der vielgenutzte Fuß- und Radweg zwischen Lorsch und Einhausen würde vermutlich entfallen, mutmaßen die MvV-Mitglieder, die das Projekt nicht verhindern, aber im Sinne der Anwohner positiv beeinflussen wollen. Ein Einmischen sei auch deshalb wichtig, weil etliche Maßnahmen hinzukamen, die bei der Vorstellung der Neubaustrecke vor drei Jahren noch gar nicht kommuniziert worden seien, so Strauch.
Rund tausend Interessierte haben bislang das Infomobil aufgesucht, um sich zu informieren und mit dem Projektteam über den Stand der Planungen zu sprechen, heißt es von Seiten der Bahn.
Zentrale Themen waren in Einhausen die Einflüsse des Großprojekts auf den Wald, die potenziellen Maßnahmen zum Lärmschutz und die ökologischen Konsequenzen der Trassenführung, von der sich die Bahn in punkto Fauna sogar einige positive Effekte verspricht: Grüngürtel im Jägersburger und Gernsheimer Wald sollen dafür sorgen, dass die lange zerschnittenen Bereiche verbunden werden, um Tieren auch aus den hinteren Waldbeständen eine Querung zu ermöglichen.
Dadurch würden rund 2000 Hektar an Waldbiotopen vernetzt, die seit dem Bau der Autobahn getrennt gewesen seien. t r
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/einhausen_artikel,-einhausen-nachts-koennten-bis-zu-320-gueterzuege-auf-der-neubaustrecke-an-einhausen-vorbeifahren-_arid,1969806.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/lorsch.html